Nächste Generation Hochbegabt, hoch motiviert, hochriskant. Abenteuer Musikstudium

19. April 2023, 16:50 Uhr

Sie wollen auf die große Opern- und Konzertbühne, sie wollen dirigieren oder im Orchester spielen, Jazz und Pop machen, unterrichten oder an der Orgel und in den Gemeinden die Kirchenmusik gestalten. Dafür studieren seit Oktober über 700 Neuimmatrikulierte an den mitteldeutschen Musikhochschulen. Ihr Traum: die Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sichere Zukunft? Fehlanzeige. MDR KLASSIK stellt Neuimmatrikulierte mit ihren ganz speziellen Talenten und Träumen vor.

Es klingt ganz einfach: Wer Musik studiert, will lebenslang Musik machen und davon leben. Gut leben am besten. Die Realität ist vielfältiger. Ein paar schaffen es, ein paar wenige werden reich, ein paar ganz wenige reich und berühmt.

Musik als brotlose Kunst?

Und die anderen? Schlagen sich durch, suchen freischaffend immer neue Spiel- und Auftrittsmöglichkeiten und haben nicht selten zur geliebten Musik fürs tägliche Brot einen Zweitjob. Die Musik bleibt die sprichwörtlich brotlose Kunst.

Trotzdem starten auch in diesem Herbst allein in Mitteldeutschland wieder über 700 junge Menschen ihr Musikstudium. Musikstudium ist eigentlich nur der Oberbegriff für ganz verschiedene Studiengänge. Wer Gesang studiert, lernt andere Dinge als angehende Orchestermitglieder, Klavier und Dirigieren fordern wieder andere Fähigkeiten. Es gibt Studiengänge für Komposition und Musikmanagement und in der Kirchenmusik braucht man von allem möglichst viel. MDR KLASSIK stellt Musikstudierende der verschiedenen Richtungen mit ihren ganz speziellen Talenten und Träumen vor.

Ob für Geld oder nicht: Julia Waldeck möchte komponieren

Junge Frau mit dunkelblonden Haaren, Scheitel, runder Brille, langem Schal und roter Jacke blickt freundlich-neutral in Kamera, steht vor Gebäude mit Glasfassade und Geländern auf verschiedenen Ebenen.
Bildrechte: MDR KLASSIK/Thilo Sauer

Julia Waldeck ist in Dippoldiswalde bei Dresden aufgewachsen. Schon im Kindergarten kam sie mit Musik in Berührung, als sie Melodica lernte – doch dann habe das Instrument begonnen zu schimmeln, erzählt sie. Vielleicht interessiert sie sich deswegen dafür, was "das Instrument noch kann". Im Alter von fünf Jahren begann sie dann Klavier zu lernen. Später, mit 15 Jahren, fing sie zuerst an, zu improvisieren und das auch aufzuschreiben. Schnell kam in ihr der Wunsch auf, Komponistin zu werden. An der Musikhochschule Dresden erhofft sie sich vor allem, viele Erfahrungen zu sammeln: Sie wollte nicht mehr nur allein vor sich hinschreiben, sondern auch erleben, wie ihr Stücke klingen und ankommen. Ob sie mit ihrer Kunst später Geld verdient, ist ihr fast schon gleichgültig – denn sie macht Musik, weil ihr sonst etwas Wichtiges fehlen würde.

April 2023: Seit dem Beginn ihres Studiums hat Julia Waldeck bereits einige neue Stücke geschrieben. Am 17. April wurde ein neues Stück von ihr im Rahmen eines Kooperationsprojekts von dem renommierten Arditti-Quartett uraufgeführt, das sich mit der Interpretation von neuer Musik einen großen Namen gemacht hat.

Arditti-Quartett bei einem Konzert. Die vier Musiker sitzen an ihren Instrumenten auf einer Bühne. 5 min
Bildrechte: Marcus Lieder
5 min

Die Dresdner Kompositionsstudentin Julia Waldeck hat ein neues Stück geschrieben. Jetzt wurde es vom Arditti-Quartett uraufgeführt, das sich mit der Interpretation von neuer Musik einen großen Namen gemacht hat.

MDR KLASSIK Mi 19.04.2023 07:10Uhr 04:36 min

https://www.mdr.de/mdr-klassik-radio/klassikthemen/dresdner-komponistin-julia-waldeck-urauffuehrung-naechste-generation-100.html

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"Mehr: Hier bin ich" – Anna Eufinger studiert Gesang in Leipzig

Junge Frau mit kürzeren, roten Haaren blickt freundlich in Kamera. Sakko, gelbes Oberteil und gelbes Tuch. Im Hintergrund Wiese und Gebäude.
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Anna Eufinger ist 25 Jahre alt und wuchs im hessischen Bad Camberg auf. Da sie aus einer musikalischen Familie stammt, hat sie in ihrer Kindheit mit Klarinette und Saxophon begonnen. Erst nachdem sie begonnen hatte, in einen Chor zu singen, entdeckte sie die Stimme als ihr Instrument. Ihr erster Wunsch war es, Musical-Darstellerin zu werden. Das änderte sich schnell, weil sie die Liebe zur Oper und vor allem der romantischen Musik entdeckte. Sie studierte dann zunächst in Lübeck. Für ihr Aufbaustudium ist sie nun nach Leipzig an die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ gekommen, weil sie sich hier neue Impulse und bessere Kontakte erhofft.

Ich hoffe, ich lerne hier noch mehr aus mir herauszukommen, mehr zu sagen „Hier bin ich“ und nicht mehr so zurückhaltend zu sein. Dass ich als Sängerin als Einheit fertig bin, als eine Künstlerpersönlichkeit, die vielleicht manche Sachen immer noch nicht so gut kann, aber viele Sachen schon gut und stabil kann – und sich eben präsentieren kann.

Albert Sturz studiert an der Dresdner Musikhochschule Tuba

Junger Mann mit rotem Hemd blickt freundlich mit leicht schrägem Kopf frontal in Kamera, Tuba mit Mundstück im Anschnitt
Bildrechte: MDR KLASSIK/Thilo Sauer

Albert Sturz ist so, wie sich einige vielleicht Menschen vorstellen, die Tuba spielen. Aufgewachsen ist der heute 20-Jährige im sächsischen Görlitz. Bald stellte er fest, dass er sich wohler fühlte, mit seinem Instrument vor Leuten zu spielen, als andere in seiner Musikschule. Also bewarb er sich am Sächsischen Landesmusikgymnasium. Er nahm dann auch schon Stunden bei Jörg Wachsmuth, bei dem er nun an der Dresdner Musikhochschule studiert. Als erste große Aufgabe arbeiten sie im Unterricht daran, den Umfang zu erweitern, also hohe und tiefe Töne mit größerer Sicherheit und Intensität spielen zu können.

Will nicht ins Rampenlicht – Nora-Sophie Woye studiert Musikwissenschaften in Weimar

Junge Frau mit langen Haaren und Scheitel sowie schwarzer Brille, Schal und Jacke blickt lächelnd in Kamera, im Hintergrund Ausschnitt burgartiges Gebäude, Baum, Hecke, Autos
Bildrechte: MDR KLASSIK/Florian Zinner

Nora-Sophie Woye hatte ein kleines Problem: Obwohl sie fürs Musizieren brennt – sie spielt Flöte, Ukulele und singt –, wollte sie nicht ihr ganzes Leben auf der Bühne stehen. Aber trotzdem die Stimmung vor, nach und während Konzerten miterleben. Aus diesem Grund hat sich Nora-Sophie für ein Musikwissenschaftsstudium und Kulturmanagement an der Hochschule für Musik "Franz Liszt" in Weimar entschieden. In die Zeit der Corona-Pandemie fiel ihr Freiwilligendienst bei den Dresdner Musikfestspielen. Trotz aller Umstände ein Glücksfall für sie, weil sie durch die neuen Herausforderungen für das Musikfestival gleich noch mehr gelernt hat. Das Lernen wird hoffentlich nie aufhören, sagt Nora – und die Liebe zur Musik sowieso nicht.

Christian Schubert studiert Dirigieren in Weimar

Für Christian Schubert stand da so eine Frage im Raum:

Ich habe den Typen gesehen, der da vorne die Luft zerteilt hat und habe mich dafür interessiert. Weil ich mich natürlich zuerst mal gefragt habe, was er da macht.

Christian Schubert Dirigierstudent
Spiegel vor Wand mit Zetteln, Plakaten und Fotos zeigt Spiegelbild von jungem Mann beim Dirigieren: Schwarze Haare, schwarze dünne Brille, ausgebreitete Arme mit Taktstock, roter Pullover mit winterlichem Muster. Erhobener, konzentriert Block.
Bildrechte: MDR KLASSIK/Florian Zinner

Also hat er schon als Teenager zum Taktstock gegriffen und es einfach ausprobiert. Zum Beispiel beim JugendProjektOrchester, das er in seiner Heimat Bremen leitet und aufgebaut hat. Neugierde und Begabung, das sind die Voraussetzungen für ein Dirigierstudium in Weimar – ein Premiumplatz in der Dirigenten- und Dirigentinnenschmiede. Die Anfälligkeit der Kulturbranche in einer Pandemiesituation sind aber Sorgen, die Christian Schubert erstmal beiseitelegt. Jetzt gilt es vor allem, seine Sache im Studium gut zu machen. Wenn alles klappt, landet er danach an der Oper – dafür brennt Christian am meisten.

Die Vielfätigkeit am Kirchenmusik-Studium in Halle überzeugt Theresa Ringeis

Junge Frau mit langen, gewellten, zusammengesteckten Haaren, grünem Strickpullover sitzt schräg mit Rücken zur Kamera an Orgeltasten mit Klaviertasten auf drei Ebenen, links und rechts Register in Knopfform. Oberhalb Orgelpfeifen im Anschnitt.
Bildrechte: MDR KLASSIK/Lydia Jacobi

Theresa Ringeis liebt die Register mit dem mächtigen Klang. Wenn eine schmale Frau auf der Orgelbank sitze, müsse die Musik umso voluminöser wirken, lächelt sie. Die 20-Jährige hat Anfang Oktober ihr Studium an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle begonnen. Eine zarte Frau mit braunen Locken und brillanter Singstimme. Sie wuchs im Erzgebirge auf, ging am künstlerisch orientierten Clara-Wieck-Gymnasium in Zwickau zur Schule und zeigte schon früh ihre Begabung: Hier ein Auftritt als Flötistin mit den Auer Sinfonikern, da ein Konzert mit dem Ensemble „Claras Erben“, ein erster Platz als Sopranistin im Regionalwettbewerb von Jugend musiziert. Jetzt also Kirchenmusik – weil der Studiengang mit Gesangs- und Orgelstunden, Theologie und Gemeindepädagogik so vielfältig sei, begründet Theresa Ringeis ihre Wahl. Die Berufsaussichten sind es auch: Die junge Frau könnte Kantorin werden. Oder Organistin. Mit Senioren oder Jugendlichen musizieren. Einen Chor zu leiten, fände sie reizvoll, sagt Ringeis. Aber sie habe ja noch einige Jahre Zeit sich zu entscheiden.

Corona ist auch eine Herausforderung für die Lehre

Nicht nur Studierende, sondern auch die Musikhochschulen selbst mussten sich an die ungewohnte Corona-Lage im Unterricht gewöhnen und anpassen. Dass das mal mehr, mal weniger gut klappt, weiß auch Anne-Kathrin Lindig, Vizepräsidentin für künstlerische Praxis an der Hochschule Weimar.

Porträt von Frau mit kürzeren, blonden Haaren, Blick ins Bild, lachend, mit Blazer und Perlenkette, hält Violine in der Hand, Hintergrund unscharf
Anne-Kathrin Lindig Bildrechte: Alexander Burzig

Nun als wir quasi umgestiegen sind von der Präsenzlehre auf die Digitallehre, haben alle Kolleginnen und Kollegen und alle Studierenden sofort angefangen, sich Gedanken zu machen. Wie kann der Unterricht ohne Präsenz stattfinden? Was beim gemeinsamen Musikmachen nach wie vor eine unglaubliche Herausforderung ist. Der Einzelunterricht konnte recht gut stattfinden. [...] Kammermusik Korrepetition geht nach wie vor sehr schlecht, aber in einer wissenschaftlichen und auch theoretischen Ausbildung geht das auch. Wir haben eine Plattform, in die die Vorlesungen und alle möglichen Unterrichtsinhalte online gestellt werden können. Also da muss ich sagen, wie so schnell so viel gefunden werden kann, um zu lehren und um zu lernen, das ist schon beeindruckt.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | 21. Oktober 2021 | 08:40 Uhr

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