Profil eines Mannes der ein Instrument spielt.
In einer kleinen Werkstatt in Halle stellt Fabian Pieters in Eigenregie Handpans her – und verkauft sie rund um den Globus. Bildrechte: MDR KLASSIK / Tobias Barth

Teil 2: Sommerserie Instrumentenbau Handpans – Kalter Stahl und warme Klänge

20. Juli 2023, 15:50 Uhr

Seine Geschichte ist anrührend und mutmachend: Fabian Pieters hat erst mit 18 durch eine Operation ein Gehör erlangt, jetzt ist er Instrumentenbauer. Und zwar als selfmade-man, der sich alles selbst beigebracht hat. Sein Metier sind Handpans, spezialisiert ist er auf besonders tief klingende Instrumente.

Fabian Pieters muss den Kopf ein wenig einziehen, wenn er durch die Tür der Werkstatt tritt. Er ist ein großer Mann und umso kleiner wirkt die alte Betongarage am Stadtrand von Halle, in der er seine Instrumente fertigt. Ein beinahe fertiges liegt auf der Werkbank, es schimmert metallisch im Morgenlicht, silbrig glänzt seine Oberfläche, mit bläulichen Stellen.

Ein Mann in einer Handpan Werkstatt
Inzwischen zählen Fabian Pieters Instrumente zu den begehrtesten ihrer Art. Bildrechte: MDR KLASSIK / Tobias Barth

"Das sind die Anlauffarben vom Erhitzen", erklärt Pieters und nimmt das Instrument aus veredeltem Stahlblech zur Hand. Das Instrument ist etwa so groß wie ein Autoreifen, hat die Form einer Schüssel aus zwei abgeflachten Halbkugeln. Seit vier Wochen schon, sagt Pieters, ruhe das Instrument jetzt hier. Immer wieder habe er es in der Zeit nachgestimmt, fein justiert.

Werkzeuge hängen an einer Wand. 4 min
Bildrechte: MDR KLASSIK / Tobias Barth
4 min

Seine Geschichte ist anrührend und mutmachend: Fabian Pieters hat erst mit 18 durch eine Operation ein Gehör erlangt, jetzt ist er Instrumentenbauer.

MDR KLASSIK Di 18.07.2023 08:40Uhr 04:21 min

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"Nur so bekommen die Töne die Stabilität, die dann die Spieler benötigen", erklärt Pieters. Denn die Halbschalen sind miteinander verklebt worden und im Prozess des Aushärtens ist noch viel Bewegung in den Tönen.

Wer hat’s erfunden?

Die Töne – die sind in sogenannten Tonfeldern angelegt. Das sind elliptisch geformte Mulden oder Dellen, die in die blanke Halbschale gepresst werden.

Markierungen auf einer Handpan
Durch die Spannung im Metall und durch die unterschiedlichen Materialstärken werden die Klangfelder jeweils spezifisch angesprochen und lassen sich auf definierte Tonhöhen trimmen. Bildrechte: MDR KLASSIK / Tobias Barth

Um zu stimmen, muss Fabian Pieters durch das mittig gelegene Loch der Halbschale einen speziell geformten Hammer einführen und vorsichtig das Metall klopfen, es "strecken", wie er sagt. Auf einem Ständer hängt ein Mikrofon, es ist mit einem Stimmprogramm an Pieters‘ Laptop verbunden

Jedes dieser Tonfelder, die sind oval, hat meistens drei Frequenzen. Es ist immer ein Grundton, dann gibt es die Oktave davon und die Quinte von der Oktave.

Fabian Pieters, Instrumentenbauer, subtle Handpans

Erfunden wurde dieses Instrument in den frühen 1990ern unter dem Namen Hang von zwei Schweizer Klangskulptur-Künstlern. Die PANArt Hangbau AG beruft sich auf Vorgänger aus Trinidad.

Auch Fabian Pieters erzählt gern vom emanzipatorischen, widerständigen Kern, der dem Instrument ursprünglich innewohnt. Diese Geschichte handelt von den Ölfässern, deren Böden von afroamerikanischen Sklaven auf Trinidad mit Kanonenkugeln traktiert worden seien. Eine Erfindung aus Not – denn den Sklaven waren ihre Trommeln verboten worden, zu gefährlich war wohl deren mobilisierende und kultische Wirkung für die Ausbeuter. Die Sklaven aus Trinidad umgingen das Verbot durch die Erfindung der Steel Pan – jedoch mit dem Blech von Ölfässern haben die heutigen Instrumente wenig gemein – und schon gar nicht ihr sphärischer Klang.

Erweckungserlebnis mit Folgen

Fabian Pieters kam erstmals mit dem Instrument in Kontakt, nachdem er 2009 eine Operation am Ohr über sich hat ergehen lassen. Seit früher Kindheit war er fast taub, durch eine chirurgische Ergänzung im Knochenapparat konnte er plötzlich hören. Und das erste, was ihm nach dem Krankenhausaufenthalt begegnete, war ein Hang-Spieler im Park vor dem Krankenhaus.

Was für ein Erlebnis! Mit dieser Geschichte gelang es ihm auch, eines der damals extrem begehrten und extrem seltenen Instrumente von den Schweizer Herstellern zu erwerben. Er zog damit los, per Fahrrad, Richtung Indien. Und weil er ursprünglich Metallbau studiert hatte lag der Gedanke nahe, sich dieser speziellen Form der Metallverarbeitung näher zu widmen.

Profil eines Mannes der ein Instrument spielt.
"Das Stimmen dieser Instrumente ist mit Abstand das schwierigste", sagt Pieters. Bildrechte: MDR KLASSIK / Tobias Barth

"Als ich das Instrument entdeckt habe, habe ich als Erstes gedacht, dass ich mir das selbst beibringe, ohne viel Ahnung zu haben. Ich habe den technischen Hintergrund und dachte mir, so eine Form kann nicht so schwierig sein. Die Form ist tatsächlich das Einfachste. Aber das Stimmen ist sehr, sehr schwer. Das konnte mir niemand beibringen. Und das hab‘ ich einfach durch Versuchen gelernt."

Mehrere Jahre lang experimentierte Fabian Pieters, 2014 dann gründete er seine eigene Werkstatt am Stadtrand von Halle, wo er inzwischen zusammen mit Freunden eine kleine Wohngemeinschaft gegründet hatte. Den Vertrieb organisiert er über das Internet und seine Webseite.

Aber viele seiner Kunden lassen es sich nicht nehmen, direkt vor Ort ihr Instrument zu holen. Inzwischen zählen seine Instrumente zu den begehrtesten ihrer Art, er hat schon Musiker aus den USA, aus Georgien und Neuseeland bedient. Auch wenn die Nachfrage stetig steigt – noch denkt Fabian Pieters nicht an Erweiterung. Er bleibt lieber in seiner kleinen Garage.

Die kleine alte Garage genügt, auch wenn es ziemlich eng darin zugeht. Aber das Prinzip, ein Produkt komplett aus eigener Hand zu fertigen, in wochenlanger, mühsamer Arbeit, das hat seine ganz eigene Magie. Und der Klang der Instrumente ohnehin.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 18. Juli 2023 | 08:40 Uhr

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