Musik-Ausbildung "Ein kleines Sänger-Dorf": Die Internationale Sächsische Sängerakademie in Torgau

27. Juli 2022, 00:00 Uhr

Torgau zu besuchen, lohnt sich zur Zeit besonders. Denn dort findet nicht nur die Landesgartenschau statt. Fast 60 junge Sängerinnen und Sänger aus aller Welt beleben die Stadt. Bei der Internationalen Sächsischen Sängerakademie auf Schloss Hartenfels lernen sie gut eine Woche lang von den Profis – und zeigen bei insgesamt 17 Konzerten was sie drauf haben.

Mehr als 300 Stufen muss man steigen, mehrmals den Windungen der Wendeltreppe folgen – nur so kommt man in Elvira Dreßens Unterrichtsraum, ganz oben im Hartenfelser Schlossturm. Hier hat es sich gerade eine Gesangsstudentin bequem gemacht. Weit zurückgelehnt sitzt sie auf einem Stuhl, ein Glas Wasser in der Hand als wäre es ein Schnaps. Sie singt "Sein wir wieder gut" aus der "Ariadne von Naxos".

So leger würde sie die Strauss-Arie normalerweise nicht zum Besten geben. Das hier ist eine Übung. Sie soll der Sängerin zu mehr Lässigkeit verhelfen. "Manchmal haben die jungen Sänger so viel Motivation", erklärt Elvira Dreßen. "Diese ganze positive Energie, dieser Enthusiasmus kann dazu führen, dass man zu viel macht, sich zu sehr verausgabt."

Die Dozentinnen und Dozenten: hochkarätig

Merke: Gesang braucht nicht nur Spannung, sondern auch Entspannung. Das ist eine der Lehren, die die angehenden Berufssängerinnen und -sänger hier mitnehmen können. Lernen kann man hier noch wesentlich mehr: Jeden Tag gibt es Kurse, und das bei hochkarätigen Dozentinnen und Dozenten. "Unser Stargast sozusagen ist Johannes Martin Kränzle", berichtet Dreßen. Der renommierte Bariton gibt eine dreitägige Meisterklasse.

Endlich wieder auftreten!

Sängerinnen und Sänger aus 18 Nationen hat die Akademie diesmal angezogen. Einer von ihnen ist Edilson Silva Junior. Der gebürtige Brasilianer studiert Gesang in Freiburg. Nach der Corona-Krise fehlt ihm die Konzertroutine, berichtet er. In den zwei Jahren habe er so gut wie gar nicht gesungen. Deswegen erscheint ihm die Sängerakademie umso wertvoller, mit ihren vielen Auftrittsmöglichkeiten in entspannter Atmosphäre. Für ihn auch ein Pluspunkt: Es geht bei der Akademie speziell um deutsches Repertoire. "Das ist gut so", findet der Brasilianer. "So können wir Ausländer an unserer Aussprache arbeiten."

Nichts muss, alles kann

Deutsch muss es sein, ansonsten sind dem Repertoire kaum Grenzen gesetzt: Von Lied bis Oratorium, von Oper bis Operette. Wie oft die Teilnehmenden auftreten wollen, entscheiden sie selbst. Nichts muss, alles kann. Ein erfolgreiches Konzept, das dazu führt, dass manche Sängerinnen und Sänger immer wieder kommen, wie die 25-jährige Annika Westlund. Die Stimmung sei einfach schön. Der Ort werde "jedes Jahr zu einem kleinen Sängerdorf" und außerdem:

Es ist einfach eine schöne Sache, mit so vielen Sängerinnen und Sängern auf einem Haufen zu sein und sich gegenseitig zu inspirieren und zu unterstützen.

Annika Westlund, Teilnehmerin Sächsische Sängerakademie

Ein Ritual: die Mittagsmusik

Student Paul Frey ist für die Akademie extra mit dem Nachtzug aus Basel angereist. Nun schwärmt er von seinem Torgauer Gastvater. "Er hat uns den Kühlschrank vollgemacht und noch einen Kasten Bier hingestellt", berichtet er. Der 21-jährige fühle sich herzlich empfangen und habe jetzt richtig Lust, "alles aufzusaugen".

Kurz vor zwölf fliegt das Geläut der Stadtkirche über den Schlosshof. Der Platz füllt sich. Bei der Mittagsmusik dürfen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nach Lust und Laune Stücke aufführen. Eintritt frei. Dann tönt es: "Pa-pa pa pa-pa". Eines der bekanntesten Duette der Musikgeschichte: "Papageno! Papagena!" aus Mozarts Zauberflöte, aufgeführt von einem Teilnehmer und einer Teilnehmerin des Sängerakademie.

Lehren fürs Leben

In einer hinteren Reihe hört Elvira Dreßen zu, die ja nicht nur diese Akademie leitet. Sie ist auch Direktorin der Kreismusikschule Nordsachsen und Professorin an der Leipziger Musikhochschule. Sie kann auf eine runde Bühnenkarriere zurückblicken, zum Beispiel an der Deutschen Staatsoper Berlin.

Aus diesem Erfahrungsschatz möchte sie jungen Sängerinnen und Sängern vor allem dies hier mitgeben: "Wichtig ist: An sich selbst zu glauben und sich selbst immer im Fokus zu behalten. Dieses Eigene der Persönlichkeit freizubuddeln und sich dabei helfen zu lassen von Lehrern und Dozenten."

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 27. Juli 2022 | 09:10 Uhr

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