Ein Chirurg des Universitätsklinikums Tübingen operiert an der Frauenklinik mit einem neuartigen Exorobot.
Immer mehr Menschen kommen für einen chirurgischen Eingriff und andere Behandlungen nach Deutschland. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Gesundheitswesen Medizintourismus nach Deutschland boomt

29. Mai 2024, 07:08 Uhr

Deutsche Krankenhäuser genießen im Ausland einen guten Ruf. Daher lassen sich seit Ende der Corona-Pandemie immer mehr ausländische Patienten in Deutschland behandeln. Nach einer Studie zum Thema ist dies jedoch nur eine kleine Gruppe. Deutsche Patienten würden dadurch nicht verdrängt.

Ein Mann naht, blickt direkt in die Kamera
Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur MDR AKTUELL Bildrechte: MDR

Wer im Herzzentrum Leipzig die Station von Sergey Leontyev besucht, fragt sich: Ist das hier noch Klinik oder schon Hotel? Auf den hellen Gängen ranken Grünpflanzen. Es gibt eine Lounge mit gratis Kaffee und Snacks. "Dann schauen wir mal ins Patientenzimmer rein. Die Patienten haben ein schönes Ambiente und kriegen drei Mal pro Tag Essen, das sie sich auswählen können. Menüs liegen auch da", sagt Leontyev.

Leontyev betreut mit seinem Team auf der Privatstation des Herzzentrums Patienten aus dem Ausland. Der Mutterkonzern Helios hat sogar eine Telefon-Hotline, über die sich ausländische Kranke nach Leipzig vermitteln lassen können. "Die Patienten kommen aus 93 Ländern mit unterschiedlichen Pathologien. Zu uns kommen auch Kinder", sagt Leontyev. Auch Dolmetscher würden wenn nötig organisiert.

Porträt Dr. Klaus Heckemann, Chef der KV Sachsen. 22 min
Bildrechte: imago images/Sven Ellger

Deutsche Kliniken sind im Ausland beliebt

Ausländische Patienten sind inzwischen für viele deutsche Kliniken ein Extrageschäft. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zählte in Deutschland zuletzt in einem Jahr mehr als 180.000 Medizintouristen.

Die Zahlen gingen seit dem Ende der Corona-Pandemie wieder nach oben, sagt Studienleiterin Mariam Asefi MDR AKTUELL. "Zum Teil sind das Patienten, die wirklich im Ausland keine Behandlungsmöglichkeit haben." Es gebe aber auch den Prestige-Effekt. "Das heißt: Patienten, die gerne ins Ausland reisen, um zu sagen: 'Ich habe die Behandlung in Deutschland durchführen lassen'", sagt Asefi. Was aktuell viele europäische Länder betreffe: "Wo zu lange Wartezeiten für die eigene Behandlung notwendig sind, wird dann ausgewichen in die Grenzländer." Deutsche Kliniken hätten im Ausland einen guten Ruf, sagt Asefi.

Für ausländische Patienten gibt es zusätzlichen Platz in Krankenhäusern

Nehmen die Medizintouristen den deutschen Kranken die Betten weg? Grundsätzlich habe jeder Mensch das Recht, sich weltweit die für ihn passende Behandlung zu suchen, sagt Asefi. Verglichen mit Kassenpatienten seien Medizintouristen eine kleine Gruppe: "Die Patienten, die hier nach Deutschland kommen, zum Beispiel ein onkologischer Fall, dafür wird kein deutscher Patient zur Seite geschoben", sagt sie. Es stünden Kapazitäten zur Verfügung, um solche Patienten auch zusätzlich zu behandeln. "Deswegen gehe ich nicht da mit, dass den deutschen Patienten Kapazitäten weggenommen werden."

Auch das Universitätsklinikum Dresden schreibt, man sortiere ausländische Patienten mit Fingerspitzengefühl ein. Es gibt dort ebenfalls ein eigenes Büro, dass sich um Medizintouristen kümmert. Die Klinik schreibt, noch seien die Patientenzahlen von vor der Corona-Pandemie nicht wieder erreicht. "Hinderlich sind insbesondere die aktuelle politische Weltlage, die es Patienten erschwert, Hilfe zu finden, aber auch die nicht mehr so günstige Anbindung des Flughafens in Dresden für Direktflüge."

Die Preise im Leipziger Herzzentrum sind für alle gleich

Ihre Behandlung bezahlen ausländische Patienten selbst. Womöglich erstattet ihnen eine Versicherung die Kosten. Sergej Leontyev vom Herzzentrum Leipzig betont, dass seine Klinik alle Patienten gleich behandle – auch bei der Rechnung. "Bei uns in Helios, an jedem Standort, wird kein Extra-Preis für ausländische Patienten gesetzt."

Extra berechnet werde nur der Extra-Service: die Snacks, das Bett für einen Angehörigen, der Dolmetscher. Kurz: Die Tatsache, dass sich der Patient wie in einem Hotel fühlt und nicht wie in einem Krankenhaus.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 29. Mai 2024 | 06:16 Uhr

11 Kommentare

AlexLeipzig vor 8 Wochen

Hallo Bernd, da gebe ich Ihnen allerdings Recht. Nur sind leider die Erfahrungen mit staatlichen Gesundheitssystemen auch nicht so "prickelnd" - es bleibt immer ein Kompromiss (oder Dilemma...).

Bernd1951 vor 8 Wochen

Hallo AlexLeipzig,
ich bin mir sicher, dass die Beschäftigten im Gesundheitssystem egal ob in Großstädten wie z. B. in Leipzig und auf dem flachen Land täglich versuchen ihre Aufgaben bestmöglichst zu erfüllen, wobei es zwischen der Situation z. B. in Leipzig und auf dem flachen Land m. E. nach schon enorme Unterscheide gibt. Deshalb finde ich Ihre Worte
"wir ein qualitativ hervorragendes System haben" und "Schwächen des Systems sind ungerechte Verteilung der finanziellen Ressourcen" schon etwas widersprüchlich. Solange die Gesundheitsversorgung als Teil der Daseinsfürsorge in der Hauptsache gewinnorientiert stattfindet wird sich daran nichts ändern. Die Universitätskliniken sind in dieser Hinsicht auch stark gefährdet. Und die Gesundheitsversorgung ist nur ein Teil der Daseinsfürsorge, die eigentlich nicht auf den Markt geworfen werden sollte, auf dem die Rendite eine große Rolle spielt.
Meine eigene Antwort auf meinen Beitrag. "Bernd träume weiter!".

Atze1 vor 8 Wochen

Dass sich das relativiert sehe ich nicht ganz so. Im Ausland wird vorwiegend das gemacht, was dort billiger zu haben ist. Wir haben aber schon eine Krankenhauslandschaft, die dezimiert wurde. Für mich ist erstmal das Gesundheitswesen für Einheimische ( alle, die hier wohnen) da. Da aber Entbindungsstationen oder kleinere Krankenhäuser geschlossen wurden, sollte nicht nur nach dem Geld geschielt werden. Junge Ärzte haben sie alle das Ethos eine renommierte Klinik auszuschlagen? Es müssen Schwerpunkte gesetzt werden und der Einsatz von Ärzten nach dem Studium sollte reglementiert werden, sonst sitzen wir auf dem Land bald auf dem Trockenen. Das ist ein gordischer Knoten, aber unseren Einwohnern muss er gelöst werden. Es darf auch nicht reichen Privatpatienten von und möglich sein, sich wegen ihres Geldes bei OP s vorzudrängeln. Menschen 2. Klasse ist gegen die ärztliche Ethik.

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