Kommentar Klausur in Meseberg: Yoga-Retreat für Regierungsmitglieder
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07. März 2023, 17:19 Uhr
Mitten in einer Phase, in der Krisen und Krach die Beziehung der Koalitionspartner bestimmen, ziehen sich SPD, Grüne und FDP zu einer Kabinettsklausur zurück, um über das große Ganze zu diskutieren. Das Motto: "Zeitenwende und Zuversicht". Um letztere zu vermitteln, fehlte es den Meseberger Verhandlungspartnern jedoch an Ergebnissen. Am Ende bleiben schöne Tagungsbilder im Schnee, das Vertagen der Probleme und die Ungeduld all jener, die sich Entscheidungen erhofft hatten.
Wir alle kennen das: Stress, Streit und Zoff an allen Ecken und Enden. Alle, die die hohe Kunst der Küchenpsychologie beherrscht, weiß, was es da braucht: Entspannung, Ruhe, eine Auszeit. So hat also auch die Bundesregierung ihre sieben Sachen gepackt, um bei der Kabinettsklausur in Schloss Meseberg die Alltagsprobleme hinter sich zu lassen und das große Ganze in den Blick zu nehmen.
"Zeitenwende und Zuversicht", der Titel der zweitägigen Kabinettsklausur im Brandenburger Barockschloss, klingt ein bisschen nach Yoga-Retreat-Seminar. Ein Schneeball formender Kanzler und ein joggender Wirtschaftsminister in Laufmontur machen die Illusion beinahe perfekt.
Die schönen Aufnahmen von fröhlich gestimmten Kabinettsmitgliedern könnten fast darüber hinwegtäuschen, dass sich die Koalition seit Wochen beharkt. Für ein Yoga-Seminar wäre das vielleicht ein zufrieden stellendes Ergebnis, für eine Kabinettsklausur wirkt es eher dürftig.
Keine Tagespolitik auf der Tagesordnung
Daran ändert sich auch nichts, wenn der Bundeskanzler mit seinen Ministern Lindner und Habeck nach der Klausur vor die Presse tritt, seine Kabinettskollegen betont lässig duzt und lächelnd erklärt, dass es in Meseberg nie um Tagespolitik gehen sollte.
Man habe über die Klimawende und Wirtschaftspolitik der kommenden Jahre gesprochen, erklären die drei Spitzenpolitiker. Große Leitlinien, kein Klein-Klein, so das Retreat-Mantra. Von wirtschaftlichen- bis zu klimapolitischen Herausforderungen sieht sich die Bundesregierung gut aufgestellt.
Aufhorchen lässt die Bemerkung des Kanzlers, dass Deutschland angesichts der anstehenden großen wirtschaftlichen Herausforderungen und den daraus entstehenden Beschäftigungsperspektiven die Arbeitslosigkeit bald hinter sich lassen könne.
Weiter sei auf der Klausurtagung klargeworden, so der Kanzler, dass die Klimawende "gelingen wird". Eine mutige Ansage, aber Zuversicht zu versprühen war schließlich auch eines seiner zentralen Anliegen für Meseberg.
Am Ende bleiben Fragen
Doch wie wollen die Koalitionäre all das schaffen, wenn sie bei maßgeblichen Streitthemen seit Wochen über quer liegen? Unweigerlich drängen sich Fragen auf. Wie will die Bundesregierung über die Klimawende diskutiert haben, ohne die von Habeck ins Spiel gebrachte Regelungen für Öl- und Gasheizungen zu thematisieren? Kann die Bundesregierung über ihre Klimapolitik reden, ohne über die Autobahn-Ausbau-Pläne von Verkehrsminister Wissing zu sprechen? Wie will die Bundesregierung die Klimawende einleiten, ohne über deren konkrete Finanzierung, zum Beispiel über den Haushalt 2024 zu diskutieren?
Klar ist: Über all das wurde natürlich in Meseberg gesprochen, aber es gibt eben noch keine präsentablen Lösungen. Dass müssen Beobachterinnen und Beobachter nicht unbedingt als Zeitschinderei abtun. "Informelle Gespräche, seien eben informell", erklärt Scholz. Lösungen solle es zeitnah geben.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass es bei Meseberg nicht nur um Entspannung und atmosphärische Lockerungsübungen der Koalitionspartner ging, sondern eben auch um Debatten fernab der Öffentlichkeit. Wir können nur hoffen, dass es auch zu Einigungen und Ergebnissen gekommen ist, die zeitnah der Öffentlichkeit präsentiert werden. Für die Zwischenzeit brauchen wir vor allem das, was die relativ inhaltsleeren Statements der Kabinettsmitglieder nach ihrer Klausurtagung nur leidlich vermitteln konnten: Zuversicht.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 06. März 2023 | 17:00 Uhr