Photovoltaikanlagen
Das Kanzleramt will den Bau von Photovoltaik-Anlagen beschleunigen. Der Umweltschutz soll darunter jedoch leiden. Bildrechte: picture alliance/dpa

Vorlage für den Bund Länder wollen schnellere Genehmigungsverfahren für Bauprojekte

03. Oktober 2023, 07:36 Uhr

Wie kann der Bau von Bahnstrecken, Photovoltaik-Anlagen oder etwa Wohnungen beschleunigt werden? Dazu hat das Kanzleramt im Juni Vorschläge an die Länder gesendet. Diese haben nun Änderungswünsche angegeben. Sie sehen unter anderem Kürzungen beim Umweltrecht als mögliche Maßnahme vor. Umweltorganisationen könnten dann nicht mehr so schnell klagen.

Carolin Fröhlich
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17 Seiten sollen es sein, auf denen die Chefs und Chefinnen der Länder ihre Ideen gesammelt haben. Nach Aussage der Staatskanzlei Niedersachsen, die unter anderem federführend ist, "dient das Papier den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten als Gesprächsgrundlage für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz. Das Papier wird entsprechend auch nicht veröffentlicht."

Weniger Umwelt- und Artenschutz möglich

Da das Papier intern ist, wollten sowohl das Land Sachsen, als auch Kommunen sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Mehreren Medien liegt das Papier dennoch vor. So berichtet die "Süddeutsche Zeitung", dass die Länder unter anderem fordern, dass so genannte "Umweltverträglichkeitsprüfungen" häufiger wegfallen sollten. Diese Ausnahmen gab es in jüngster Zeit bereits – etwa, um schneller LNG-Terminals zu bauen.

Magnus Wessel, Leiter für die Naturschutzpolitik beim BUND Bundesverband, sieht hier eine Gefahr. Nach seinen Worten haben Gesetzgeber bereits angefangen, nur noch strategische Umweltprüfungen durchzuführen, bei denen nicht mehr ins Detail geschaut werde. "Artenschutz wird an vielen Stellen überhaupt nicht mehr betrachtet. Das wird zu mehr Unsicherheiten führen und dadurch nicht zu besseren und schnelleren Verfahren", ist Wessel überzeugt.

Eine gewisse Standardisierung von Umweltprüfungen und ein digitales Portal für Umweltdaten, die den Medienberichten zufolge auch von den Ländern vorgeschlagen werden, findet er jedoch sinnvoll. Dabei müsse darauf geachtet werden, dass die erhobenen Daten tatsächlich auch genutzt werden können und genutzt werden: "Zurzeit erleben wir noch ganz viel an Doppelarbeit und an Nicht-Miteinanderzusammenarbeiten zwischen Behörden, und das sind so die ersten Punkte, die angefasst werden müssen."

Klagen von Umweltverbänden einschränken

Eine Idee der Länder soll ebenfalls sein, die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden einzuschränken. Und zwar auf Fälle, in denen "kein überwiegendes oder gar kein überragendes öffentliches Interesse an bestimmten Projekten besteht", heißt es in der "Süddeutschen Zeitung".

Großprojekte sollen so nicht mehr wegen Umweltbedenken vor Gericht enden. Ein Fehler, findet Magnus Wessel: "Denn die Klagen verzögern nicht, sondern decken genau auf, wenn etwas falsch läuft." Klagen der Umweltverbände seien nicht nur sehr selten, sie seien auch überdurchschnittlich erfolgreich, sagt Wessel. "Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Umweltverbände und ihre Rechte dazu führen, dass hinterher besser geplant und gebaut werden kann."

Potential in der Digitalisierung

Sachsens BUND-Vorstand und Nachhaltigkeitsforscher Felix Ekhardt ergänzt: "Dass beispielsweise der Ausbau der Windenergie so lange dauert, liegt nicht daran, dass es übermäßig Klage- oder Beteiligungsrechte gibt. Es liegt daran, dass die Kommunen zum Teil willkürlich blockieren können, dass Personal in den Behörden fehlt, dass die Behörden nicht ordentlich digitalisiert sind." Dort gebe es Beschleunigungspotentiale.

Sowohl Klage- als auch Beteiligungsrecht seien in Europa völkerrechtlich verankert. Eine Abschaffung dieser Rechte würde laut Ekhardt zu einer Verurteilung Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof führen. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 03. Oktober 2023 | 06:11 Uhr

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