AfD exakt
In der jüngsten ARD-Umfrage vom Juni liegt die AfD gleichauf mit der SPD, bei 18 Prozent der Stimmen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Berlin AfD im Umfragehoch - Wie damit umgehen?

18. Juni 2023, 05:00 Uhr

Im ARD-Deutschlandtrend im Juni ist die AfD auf 18 Prozent der Stimmen gekommen, solche Werte hatte sie in der Sonntagsfrage zuletzt 2018 erreicht. In Sachsen und Thüringen ist sie in Umfragen sogar stärkste politische Kraft. Die anderen Parteien im politischen Berlin bewerten die jüngsten Umfragewerte höchst unterschiedlich.

  • Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend liegt die AfD gleichauf mit der SPD. Die Partei sieht sich selbst weiter im Aufschwung.
  • Die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht meint, dass viele Wähler glaubten, von den Parteien nicht mehr wahrgenommen fühlen.
  • Sächsische Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta warnt vor Spaltung der Wählerschaft in "Wir" und "Ihr", die niemandem helfen würde.
  • CDU-Abgeordneter Jens Lehmann findet, dass man jetzt nicht in "Schockstarre" verfallen solle.

Eine Bürgersprechstunde der AfD Anfang Juni in Chemnitz. Im Saal eines alten Ballhauses haben sich rund 70 Interessierte versammelt. Auch ein Kamerateam des MDR ist dabei.  Vorm grauen Bühnenvorhang sitzt der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Mike Moncsek, gelernter Kfz-Mechaniker aus Freiberg. Er glaubt, dass seine Partei bei der nächsten Landtagswahl 51 Prozent und damit die absolute Mehrheit holen werde. Man werde den Ministerpräsidenten des Landes stellen können: "Wir sind jeden Tag am Ball, ihr seid jeden Tag auf der Straße."

Grünen-Abgeordnete: Demokraten müssen zusammenstehen

Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen)
Grünen-Politikerin aus Leipzig, Paula Piechotta Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

51 Prozent der Stimmen – das ist hoch gestochen. Aber dass die AfD derzeit so selbstüberzeugt auftritt, ist angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse nachzuvollziehen: 18 Prozent der Stimmen hatte sie zuletzt im ARD-Deutschlandtrend bekommen. Damit ist sie gleichauf mit der SPD. In Sachsen und Thüringen sehen manche Umfrageinstitute die AfD derzeit sogar vorn – mit 30 oder mehr Prozent. Ein Grund, sich Sorgen zu machen?

Die Leipziger Medizinerin Paula Piechotta sitzt als Abgeordnete für die Grünen im Bundestag. Als Grüne in Ostdeutschland schockiere sie wenig. Sie wisse vielmehr, "wie viele Menschen gerade in Sachsen, aber auch in Sachsen-Anhalt, Thüringen, rechtsextremes Gedankengut teilen".

Aber es ist natürlich was, wo wir als Demokraten zusammenstehen müssen, weil wir aus der Geschichte wissen, wie wichtig es ist, eine Demokratie zu verteidigen, weil es wird unglaublich viel schwerer, sie zurückzubekommen, wenn sie mal weg ist.

Paula Piechotta sächsische Bundestagsabgeordnete der Grünen

Wagenknecht kritisiert "akademische Großstadtblase"

Die Frage nach den Ursachen für die Sympathien mit den Rechtspopulisten wurde in den vergangenen Jahren häufig gestellt. Vor allem dann, wenn die AfD im Höhenflug ist: Ist es die Verunsicherung angesichts einer komplexer werdenden Welt? Ist es Abstiegsangst oder sind es rassistische oder antidemokratische Einstellungen? Jetzt werden häufig auch Themen wie Klimaschutz, Energiepreise, der Streit ums Heizungsgesetz als Gründe angeführt.

Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht sieht eine der Hauptursachen für das Erstarken der AfD im Versagen der Politik. Im Interview mit MDR AKTUELL sagt sie, sie glaube, dass sehr viele Menschen das Gefühl hätten, dass ihre konkrete Lebenssituation von den Politikern überhaupt nicht mehr wahrgenommen werde.

Also gerade bei den Grünen-Politikern ist es ja so, man hat das Gefühl, die leben in ihrer akademischen Großstadtblase, wo sich das Leben zwischen Bioladen, Lastenfahrrad und Hafermilch-Macchiato abspielt und Geld nicht so wichtig ist, weil man hat ja genug. Aber das Leben der normalen Menschen ist ganz anders.

Sahra Wagenknecht Bundestagsabgeordnete der Linken

Piechotta will keine "Irrlichtdebatte" führen

Grünen-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta hält das für eine "Irrlichtdebatte", die ein "Wir gegen Ihr" konstruiere. So stünden angeblich Menschen, die jeden Tag Rostbratwurst essen würden, denen gegenüber, die das alle nicht täten. Das sei ihrer Ansicht nach ein Zerrbild der Gesellschaft, "denn die Gesellschaft ist auch in Sachsen, in Thüringen, in Brandenburg deutlich bunter. Und das sind alles normale Menschen. Der Bäckermeister, der SPD wählt, ist ein genauso normaler Mensch wie die Studentin in Dresden oder Potsdam, die Grüne wählt."

Die praktizierende Radiologin erzählt, wie sie nach wie vor im Arztkittel auf Patientinnen und Patienten treffe. Auch besuche sie Firmenfeiern oder spreche mit Dorfbewohnern über die Sanierung ihrer Kirchenorgel, sagt Piechotta. Da ist er, der Kontakt zwischen dem Berliner Politikbetrieb und der Bevölkerung.

Lehmann: Parteien müssen eigene Akzente setzen

Den Kontakt mit der Bevölkerung hält auch der sächsische CDU-Abgeordnete Jens Lehmann hoch. Er erkämpfe sich als direkter Wahlkreisabgeordneter jede einzelne Stimme und spreche "die Sprache der Leute". Im politischen Berlin gebe es hier vielleicht "eine gewisse Betriebsblindheit."

Im Umgang mit der AfD plädiert Lehmann dafür, nicht deren Themen zu übernehmen, sondern eigene Akzente zu setzen: "Die Grünen sollen ihr Profil haben, wir müssen unser Profil haben und die AfD muss halt ihre Gesinnung vorantreiben, wenn sie das möchten. Aber das Verwässern und voneinander Abgucken und ein bisschen Mainstream machen, ich glaube, das stört die Leute."

Und Lehmann ergänzt: Man sollte nach einer Umfrage nicht gleich in Schockstarre verfallen, sondern die längeren Entwicklungen betrachten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 18. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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