Wärmepumpe "Die klassische Gasheizung ist keine Option für die Zukunft"

07. August 2023, 18:47 Uhr

Anfang September soll der Bundestag über das Heizungsgesetz abstimmen. Wie Gebäude künftig klimaschonender aufgestellt sein können, beschäftigt die Immobilienbranche aber schon heute. Ein Beispiel im sächsischen Schkeuditz zeigt, welche Herausforderungen mit der Wärmewende verbunden sind – für Unternehmen wie auch für Mieterinnen und Mieter.

Ans Heizen dürften gerade die Wenigsten denken – auch wenn es an diesem Augusttag im sächsischen Schkeuditz kalt und regnerisch ist. Vor dem Neuen Weg 1-4 haben sich im schlammigen Boden Pfützen gebildet. Vor Eingang drei führt eine ausrangierte Tür über den Matsch in das leerstehende Gebäude. Die Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft (VLW) will hier zum ersten Mal eine Wärmepumpe in eines ihrer Gebäude einbauen.

Die geplanten Sanierungen sind so umfassend, dass die früheren Bewohner des Gebäudes ausziehen mussten – die meisten fanden in anderen Wohnungen der VLW ein neues Zuhause, erklärt die Wohnungsgenossenschaft. Mehr als 1.000 Wohnungen verwaltet die Genossenschaft allein in Schkeuditz. Erst vor wenigen Wochen haben die Bauarbeiten im Neuen Weg angefangen, Fenster und Türen werden ausgebaut, Wände teils eingerissen. Im Keller steht noch der alte Gaskessel.

Neuer Gaskessel soll Wärmepumpen unterstützen

"Die Heizungsanlage hier hat erstmal ihren Dienst getan", sagt Wolf-Rüdiger Kliebes, Vorstandsvorsitzender der VLW. 1995 wurde der Gaskessel eingebaut, ist also fast 30 Jahre alt. Nach den ursprünglichen Plänen für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) müsste der Gaskessel 2025 gegen eine klimaschonendere Variante ausgewechselt werden. Ein Aufkleber auf dem blauen Gehäuse verrät die Energieeffizienzklasse: ein dunkeloranges D – nur eine Stufe besser als der schlechteste Wert mit einem roten E und weit entfernt von einem grünen "A++". "Hier kommt dann die neue Wärmezentrale rein", erklärt Kliebes.

Drei Wärmepumpen sollen in Zukunft den Gebäudekomplex mit 32 Wohnungen in der kalten Jahreszeit beheizen. Zusätzlich ist auch ein neuer Gaskessel geplant – kleiner und energieeffizienter als sein Vorgänger soll er sein, betont Kliebes. Vor allem ist der künftige Gaskessel aber nur noch als Reserve gedacht, wenn die Wärmepumpen den Bedarf doch nicht ganz abdecken können. "Wir unterstellen bei allen Unwägbarkeiten, die uns die Politik im Augenblick bereitet, dass die klassische Gasheizung keine Option für die Zukunft ist", sagt Kliebes.

Bundestag entscheidet im September über Heizungsgesetz

Das Ziel, den Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral aufzustellen, treibt viele in der Immobilienbranche um. Neben dem Verkehrs- gehört auch der Gebäudesektor in Deutschland zu den großen Sorgenkindern, die wiederholt ihre jährlichen Klimaziele verfehlt haben. Im September soll der Bundestag über das Gebäudeenergiegesetz abstimmen – die geplante Abstimmung noch vor der Sommerpause war geplatzt. Das Bundesverfassungsgericht konnte in einer Eilentscheidung nicht ausschließen, dass den Abgeordneten zu wenig Zeit eingeräumt worden war, sich eine fundierte Meinung zum Gesetzentwurf zu bilden. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte in seinem Eilantrag gefordert, der Gesetzestext müsse den Abgeordneten mindestens 14 Tage vor der Abstimmung vorliegen. Das war beim GEG aber nicht der Fall.

Der Kernaspekt des GEG ist neben unseren Aufgaben im Klimaschutz, dass wir die Menschen vor allem retten wollen vor den steigenden Energiepreisen, die beim Gas und Erdöl zu erwarten sind.

Kassem Taher Saleh Bündnis 90/Die Grünen
Kassem Taher Saleh
Kassem Taher Saleh sitzt für die Grünen als Obmann im Bauausschuss des Bundestags. Bildrechte: IMAGO / Future Image

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh zeigt sich aber zuversichtlich, dass sich inhaltlich am Gesetz nichts mehr ändern wird. Der Dresdner ist selbst gelernter Bauingenieur, derzeit sitzt er als Obmann im Bauausschuss des Bundestags und hat das sogenannte Heizungsgesetz mitverhandelt. Neben dem Klimaschutz gehe es bei dem Gesetz darum, "dass wir die Menschen vor allem retten wollen vor den steigenden Energiepreisen, die beim Gas und Erdöl zu erwarten sind", betont Taher Saleh. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass bei den Bauunternehmern Unsicherheit herrscht – da noch nicht klar ist, welche Regeln nun ab 2024 gelten. Die Politik müsse aufpassen, dass die Aufträge in der Baubranche gerade im ersten Halbjahr nicht zu stark einbrechen.

Einbau von Wärmepumpe deutlich teurer als fossile Heizungsanlage

In Schkeuditz stehen die Sanierungsarbeiten der VLW noch am Anfang. In Absprache mit den Stadtwerken gebe es Überlegungen, auf dem Dach Photovoltaikanlagen zu installieren, die auch Strom für die Wärmepumpen liefern könnten, erklärt Kliebes. Viele Details sind aber noch offen – etwa welchen Bedarf die Wärmepumpen abdecken können und ab wann der neue Gaskessel einspringen muss. Fest steht: An politischen Entscheidungen kann sich die VLW bisher nicht orientieren.

Mitunter ist es so, dass eine nicht so gute Entscheidung – wenn sie denn verlässlich ist – besser ist als der immer wieder neue Versuch, noch etwas zu verändern.

Wolf-Rüdiger Kliebes VLW-Vorstandsvorsitzender

Fragt man den VLW-Vorsitzenden nach seiner Forderung an die Politik, kommt die Antwort prompt: Es brauche so schnell wie möglich verlässliche Regeln. "Mitunter ist es so, dass eine nicht so gute Entscheidung – wenn sie denn verlässlich ist – besser ist, als der immer wieder neue Versuch, noch etwas zu verändern", sagt er. Erst danach kommt er auf das Thema Förderung zu sprechen, betont, wie wichtig nachhaltige und wirkungsvolle Förderinstrumente seien.

Etwa 100.000 Euro Mehraufwendungen plant die VLW für den Einbau der Wärmepumpen ein – im Vergleich zu einer konventionellen Heizungsanlage. Eine ähnliche Rechnung kennt man auch in Sachsen-Anhalt: Der Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt e.V. verweist auf ein Pilotverfahren eines Mitgliedunternehmens. Dort wurde eine Wärmepumpen-Hybdridanlage für etwa 120.000 Euro in ein bestehendes Gebäude mit 16 Wohnungen eingebaut. Eine vergleichbare Gasheizung hätte nur etwa 20.000 Euro gekostet, erklärt der Verband.

Miete kann sich nach Sanierungen verdoppeln

Der VLW-Gebäudekomplex in Schkeuditz umfasst 32 Wohnungen. Damit die auch in Zukunft im Winter warm werden, sind umfassende Sanierungen notwendig, erklärt Kliebes. Denn Wärmepumpen arbeiten mit niedrigeren Vorlauftemperaturen als konventionelle Gas- oder Ölheizungen. Entsprechend braucht es oft bessere Dämmung und größere Heizkörper. Im Neuen Weg 1-4 sei die Fassadendämmung zwar noch von der ersten Sanierung um die Jahrtausendwende auf einem guten Stand. Die oberste und unterste Geschossdecke soll aber gedämmt werden. Um außerdem die niedrigeren Temperaturen der Wärmepumpen auszugleichen, wird mit einer Fußbodenheizung künftig die Heizfläche vergrößert. Auch sind neue Fenster mit besseren Dämmwerten geplant.

Einige der alten Fenster sind aktuell auf der Wiese vor dem Gebäude gestapelt, an einen Baumstamm gelehnt. Die meisten alten Fenster sind bereits ausgebaut, nur in Hausnummer 1 sind sie noch da, an einzelnen hängen noch Gardinen. In einer ehemaligen Wohnung ist der Flur gelb gestrichen.

In der früheren Küche hängen noch Wandtattoos: Die Worte "Kaffee" und "pause", dazwischen dampfende Kaffeetassen und fast ebenso große Kaffeebohnen. Etwas über fünf Euro pro Quadratmeter kostete hier die Miete, bevor die Sanierungsarbeiten begannen. Nach dem Umbau dürfte es etwa doppelt so teuer werden, sagt VLW-Vorstandsvorsitzender Kliebes.

Denn eine Förderung hat die Wohnungsgenossenschaft nicht beantragt. Es habe kein geeignetes Programm dafür zur Verfügung gestanden, erklärt Kliebes. Mit insgesamt 6,2 Millionen Euro Investitionskosten rechnet die VLW derzeit, davon rund 300.000 für die Wärmepumpen, den neuen Gaskessel und die Fußbodenheizung. Zum Teil werde das aus Eigenmitteln finanziert, zum größeren Teil aber aus einem Kapitalmarkt-Darlehen. Die Ausgaben muss die Genossenschaft wieder reinholen. Doch wer kann sich die Verdopplung der bisherigen Miete leisten?

Leipziger Initiative wirbt für soziale und ökologische Sanierungen

Ähnliche Mieterhöhungen sorgen gerade im Leipziger Süden für Protest. "Südvorstadt für alle" heißt eine Petition, ein gleichnamiger Antrag liegt beim Stadtrat – denn es geht um Sanierungen der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB), die 100-prozentige Tochter der Messestadt ist. In insgesamt drei LWB-Objekten in der Kochstraße und August-Bebel-Straße stünden 56 von 105 Wohnungen leer, heißt es in der Stadtratsvorlage, die eine klimaangepasste Sanierung der Gebäude fordert. In einem Modellprojekt solle dabei zugleich sozialer Wohnraum erhalten bleiben. Die Online-Petition der Initiative fordert, die Nettokaltmiete dürfe nach der Sanierung nicht über 6,50 Euro pro Quadratmeter steigen – befürchtet werden elf bis 15 Euro pro Quadratmeter.

Auch bei der VLW in Schkeuditz habe ein relativ hoher Leerstand die Entscheidung für die Sanierungsarbeiten begünstigt, erklärt Kliebes. 15 der 32 Wohnungen seien vor Beginn der Baumaßnahmen unbewohnt gewesen.

Klimaneutralität lässt sich schwieriger vermitteln als ein neuer Balkon

Auf den Straßen ist an diesem Augustvormittag kaum jemand unterwegs. Eine Anwohnerin, die die Bauarbeiten aus nächster Nähe mitbekommt, ist Iris Nestler – sie wohnt selbst in einer noch unsanierten Wohnung der VLW in direkter Nachbarschaft zur aktuellen Baustelle. "Schön wär's, wenn wir auch mal dran wären, das ist so die andere Seite. Aber es ist ja schon schön, dass dort überhaupt was passiert", sagt Nestler. Auch ein bereits fertig saniertes VLW-Gebäude steht in der Nähe, noch mit reiner Gasheizung, aber auf dem Dach sind Photovoltaik-Anlagen installiert – betrieben von den Stadtwerken Schkeuditz, in deren Netz der Strom eingespeist wird. Zum Thema Wärmepumpe hat Nestler keine feste Meinung. Warm solle es sein, lacht sie. Was sie sich für ihre Wohnung wünscht? Neue Wohnungstüren und ein Fahrstuhl sind die ersten Dinge, die ihr einfallen.

Wie schwierig das Ziel "Klimaneutralität" zu vermitteln ist, weiß auch VLW-Vorstandsvorsitzender Kliebes. Ein Balkon oder ein attraktives Wohnumfeld seien viel greifbarer als das Ziel, auf klimaschädliche Emissionen zu verzichten. Auch der Gebäudekomplex im Neuen Weg 1-4 soll neben den Wärmepumpen künftig Aufzüge und Balkone erhalten. Die bisher weitgehend uniformen Zwei- bis Drei-Raum-Wohnungen sollen neu zugeschnitten werden: Von der Single-Wohnung bis zur familiengerechten Vier-Raum-Wohnung.

Die verschiedenen Sanierungsmaßnahmen will Kliebes aber nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander sehen. Der größte Spagat sei der zwischen dem Anspruch, möglichst preiswerte Wohnungen anzubieten, und gleichzeitig den Kostenanstieg bei der Umsetzung der Maßnahmen zu bewältigen. Das Bauvorhaben im Neuen Weg soll voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen werden. Kliebes erhofft sich, dass es ein Muster für mögliche weitere Maßnahmen an anderen Gebäuden der VLW sein kann. Das werde man aber Schritt für Schritt entscheiden – auch abhängig davon, wie sich die Preise entwickeln und worauf sich die Politik in Berlin verständigt.

MDR (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 07. August 2023 | 17:45 Uhr

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