Braunkohlebagger im Tagebau Welzow-Süd
Braunkohletagebau der LEAG in der Lausitz. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Kohleausstieg Energiekrise bremst Strukturwandel bisher nicht aus

28. September 2022, 16:34 Uhr

Spätestens bis 2038 soll der Kohleausstieg vollzogen sein. Bis dahin gibt die Bundesregierung Milliardensummen an die Reviere, damit diese den Strukturwandel voranbringen können. Dort, wo Menschen bisher von der Kohle leben, sollen neue, umweltfreundliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Jetzt kommt die Energiekrise dazwischen. Doch der Strukturwandel wird dadurch bisher nicht ausgebremst.

Nach Kohleausstieg sieht es derzeit nicht aus. Die Bagger in den ostdeutschen Revieren arbeiten wieder im 24-Stunden-Betrieb. In der Lausitz sollen zwei ausgediente Kraftwerksblöcke zurück ans Netz. Die ostdeutsche Braunkohle erlebt einen unerwarteten Boom, weil sie teures Erdgas ersetzen kann.

Jens Littmann, Betriebsratsvorsitzender des Kohleunternehmens LEAG, sagt, die Bergleute schufteten gerade bis zur Erschöpfung. Die Stimmung sei aktuell nicht die beste. "Wir versuchen, Personal zu rekrutieren", aber es fehle. Viele Kollegen kämen im Dienst in aufeinanderfolgenden Schichten an den Punkt, wo sie sagen müssten: "Ich kann einfach nicht mehr."

Strukturwandel bisher nicht ausgebremst

Um die Beschäftigten zu entlasten, stellt die LEAG ein. Allein in der Kraftwerkssparte werden 140 Leute gesucht. Doch was bedeutet der Kohleboom für den Strukturwandel – den langfristig avisierten Neustart im Revier? Jörg Huntemann ist Revierbeauftragter im Sächsischen Regionalministerium. Er geht weiterhin von einem Kohleausstieg bis 2038 aus: "Den Strukturwandel betrachten wir eigenständig. Das ist für uns wichtig. Für uns ist die Energiekrise zwar ein Rahmen, den wir beachten müssen, aber den Strukturwandel als solchen betreiben wir weiter, auch mit dem Ziel, bis 2038 Arbeitsplätze zu schaffen und auch zu erhalten."

Vom Wandel will auch Andy Haugk profitieren, Bürgermeister der Kleinstadt Hohenmölsen im Mitteldeutschen Revier. Haugk erzählt, dass seine Stadt ihr Fernwärmesystem von der Kohle lösen wolle. Eine neue, umweltfreundlichere Wärmeversorgung soll entstehen: "Mittlerweile sind wir von den Visionen in den Mühen der Ebene angekommen. Das heißt: Es sind Fördermittelanträge zu stellen, es sind Planungen voranzutreiben. Da merken wir schon, wie schwierig dieser Prozess insgesamt ist, weil er ja auch neu ist", sagt Haugk. Denn alle, die an dem Strukturwandel und den Kohleausstiegsprojekten beteiligt seien, machten das in dieser Form zum ersten Mal.

Auch andernorts gehen die Strukturwandel-Projekte weiter. Allein in Sachsen haben Begleitausschüsse mehr als 100 Maßnahmen befürwortet. Die Energiekrise bremst den Strukturwandel bislang nicht.

Förderung neuer Arbeitsplätze

Die Inflation sorgt allerdings dafür, dass Vorhaben teurer werden. Und immer wieder wird die Frage gestellt, ob das Richtige gefördert wird. Frederik Moch ist Projektleiter Revierwende beim Deutschen Gewerkschaftsbund: "Was wir bisher vermissen ist, dass es Projekte mit konkreter industrieller Wertschöpfung gibt. Da ist bisher viel zu wenig passiert. Es wird wirtschaftsnahe Infrastruktur gefördert und auch soziale Infrastruktur. Das ist im Prinzip immer gut, aber es ist nicht ausreichend. Denn die Währung, die für die Gewerkschaften zählt, sind neue, gute und mitbestimmte Arbeitsplätze." Da sehe man im Moment noch zu wenig.

Diese Arbeitsplätze können die Kohleunternehmen zum Teil auch selbst schaffen. LEAG und Mibrag arbeiten bereits an Windrädern, Wasserstoffkraftwerken und Großspeichern. Diverse Projekte liegen in den Schubladen. Jetzt ist dafür Geld da. Denn insbesondere die LEAG verdient mit dem Kohlestrom derzeit ordentlich. Sie könnte also in die Zukunft investieren – wenn sie die Gewinne nicht zu den Eigentümern nach Tschechien abführen muss.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 28. September 2022 | 06:00 Uhr

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