Chemiepark Leuna
Der Chemiepark Leuna wartet auf Entlastungen durch die Gaspreisbremse. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Hohe Energiepreise Wirtschaftsforscher: Gaspreisdeckel nur für ausgewählte Unternehmen

07. Oktober 2022, 14:47 Uhr

Energieintensive Unternehmen, etwa im Chemiepark Leuna, leiden unter den steigenden Gaspreisen. Finanzielle Entlastung soll kommen. Reint Gropp vom Leibniz-Institut Halle fordert jedoch, Privathaushalte zu bevorzugen – bei der Verteilung der Hilfsgelder.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Klaus Paur läuft die Zeit davon. Der Unternehmer produziert Harze in Leuna. Sie werden für Windräder benötigt. Das Harz macht ein Rotorblatt stabil.

Doch die Herstellung kostet viel Energie. Und die steigenden Energiepreise bringen Paur in immer größere Not: "Unsere Wettbewerber sind hauptsächlich in Asien: Südkorea, aber zunehmend auch in China." Deren Wettbewerbsvorteil liege ungefähr bei 2.000 Euro je Tonne. "Wenn wir keinen international wettbewerbsfähigen Preis bekommen, dann schaut es ziemlich schlecht für die Zukunft aus", sagt Paur.

Viele Chemiefirmen leiden gerade unter den Kosten. Sie benötigen Gas und Öl nicht nur als Energieträger, sondern auch als Rohstoff. Sie nehmen die Molekülketten auseinander und basteln daraus neue Produkte.

Auslastung in Leuna um die Hälfte gedrosselt

Christof Günther leitet die Betreibergesellschaft des Chemieparks Leuna, der lange von günstigen Lieferungen aus Russland profitiert hat. Günther sagt, die Lage sei so dramatisch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr: Man habe eine Auslastung der Anlagen von nur noch 50 Prozent. "Und das ist sehr ungewöhnlich, so etwas gibt es normalerweise nicht. Die Anlagen müssen umfassend laufen, um wirtschaftlich betrieben werden zu können."

Günther fordert staatliche Hilfen. Diese sind auch schon versprochen: der Gaspreisdeckel, 200 Milliarden Euro, der Doppel-Wumms. Doch noch ist die Verteilung der Gelder völlig unklar und nicht jeder findet es eine gute Idee, auch große Unternehmen zu unterstützen.

Wirtschaftsforscher: Fokus auf Privathaushalte

Reint Gropp leitet das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und sagt, einen Gaspreisdeckel für alle Firmen finde er falsch: "Bestimmte Unternehmen werden tatsächlich nicht überleben. Und das ist auch richtig so, das kann man nicht verhindern – weil sie eben mit diesen hohen Energiepreisen nicht mehr überlebensfähig sind." Die hohen Energiepreise seien nicht temporär, sie seien nun von Dauer. "Ich denke nicht, dass die Energiepreise nächstes Jahr, übernächstes Jahr stark fallen werden", resümiert Gropp.

Gropp argumentiert, der Staat könne die Energie für Unternehmen nicht dauerhaft subventionieren. Die Regierung solle sich darauf konzentrieren, Familien mit geringem Einkommen zu unterstützen und es dabei weitgehend belassen. Wer wegen einer Firmenpleite seinen Job verliere, finde in der aktuellen Arbeitsmarktlage wahrscheinlich etwas Neues.

In Leuna hört man das nicht gern. Der Standort versorgt Firmen in ganz Mitteldeutschland mit Grundstoffen. Kippt ein Unternehmen, fielen wahrscheinlich auch andere um, sagt Christof Günther vom Chemiepark: "Also, die Zeit läuft ab. Jetzt muss wirksam geholfen werden. Das ist sehr teuer, es ist eine große Beanspruchung für den Staatshaushalt. Nur es ist klar: Wenn jetzt nicht geholfen wird, dann entstehen Schäden, die sehr viel größer sind und die sich im Zweifel auch nicht mehr reparieren lassen."

Nachhaltiger Umbau sehr kostenintensiv

Günther will Leuna umbauen. Hin zu einer biobasierten Chemie, weg von Kohle, Öl und Gas. Die ersten Anlagen entstehen schon, zum Beispiel eine, die aus Holzfasern chemische Grundstoffe macht. Doch der Umbau des Standorts lasse sich finanziell nur stemmen, wenn bestehende Firmen überleben, sagt Günther. Dafür brauche es Hilfen, günstigere Energie – und noch ein paar Jahre Zeit.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Oktober 2022 | 08:10 Uhr

17 Kommentare

dimehl am 07.10.2022

" Aus der geht hervor, dass die Gasspeicher in Deutschland zu 92% gefüllt sind. Dies entspricht allerdings nur 25% des Jahresbedarfs. "
Danke, ich denke, damit ist meine Frage beantwortet.

Armin C. am 07.10.2022

@dimehl
Zu ihren beiden letzten Sätzen,
das könnte viel mit Folgendem zu tun haben:

"Obwohl Deutschlands Gasspeicher gut gefüllt sind, könnte das knappe Gut in ganz Europa verteilt werden. Die Bundesregierung kann nicht sagen, wie viel eingespeichertes Gas im Winter zur Verfügung steht. Selbst die mit Steuermitteln gekaufte Reserve könnte ins Ausland gehen."

„Das gespeicherte Gas ist in weiten Teilen Eigentum von Gashändlern und -lieferanten, die häufig europaweit agieren.“
(Aus Focus online, 02.10.2022)

Maiki am 07.10.2022

Interessant ist die AGSI Seite. Aus der geht hervor, dass die Gasspeicher in Deutschland zu 92% gefüllt sind. Dies entspricht allerdings nur 25% des Jahresbedarfs. Bundesnetzagentur kann ich auch empfehlen bezüglich Gas-Exporte. Und selbst wenn alles schön aussehen würde, das Gas gehört nicht dem deutschen Steuerzahler sondern den Händlern, die an denjenigen (Nachbarländer) verkaufen können der am meisten zahlt.

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