Strommasten stehen auf dem Gelände des Umspannwerks Wolmirstedt am Rande einer Baustelle.
Strommasten auf dem Gelände des Umspannwerks Wolmirstedt bei Magdeburg. Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Zuschuss gestrichen Netzentgelte belasten ostdeutsche Stromverbraucher 2024 stärker als erwartet

15. Dezember 2023, 10:00 Uhr

Die Ampelkoalition in Berlin hat 5,5 Milliarden Euro Subventionen für die Höchstspannungsnetze gestrichen. Damit steigen die Netzentgelte 2024 drastisch. Betroffen sein werden alle, die Strom aus dem Netz beziehen.

Die Erhöhung der Netzentgelte für die Höchstspannungsnetze wird die ostdeutschen Stromverbraucher spürbar belasten. Der Übertragungsnetzbetreiber in den neuen Ländern, 50Hertz Transmission in Berlin, schätzt nach eigenen Angaben, dass sich die Stromrechnung für einen Haushalt mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch im Durchschnitt um 60 Euro verteuern wird. Das sagte Pressesprecher Alexander Sewohl MDR THÜRINGEN.

Bei der Einigung zum Bundeshaushalt 2024 war am Mittwoch der staatliche Zuschuss zu den Entgelten für das Durchleiten von Strom in Höhe von 5,5 Milliarden Euro gestrichen worden. Anschließend hatten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber ihre Netzentgelte für das kommende Jahr veröffentlicht. Sie liegen um mehr als 100 Prozent über den Preisen von 2023.

Engpässe treiben Kosten nach oben

50Hertz-Sprecher Sewohl betonte, lokal könne die Mehrbelastung von dem genannten Durchschnittswert abweichen. Im Detail hänge das davon ab, wie viele und welche Verbraucher vor Ort versorgt werden. Den deutlichen Anstieg der Gebühren für das Durchleiten von Strom durch das Übertragungsnetz begründete Sewohl mit den stark gestiegenen Preisen beim Einkauf von Strom.

Diese hätten die Kosten für das sogenannte Redispatch vervielfacht. Solche Kosten entstehen immer dann, wenn Netzengpässe verhindern, dass im Norden erzeugter Strom in den Süden transportiert wird. Dann, so Sewohl, müsse der jeweilige Netzbetreiber den nicht transportierten Strom quasi ersetzen. Der werde dann dort eingekauft, wo er ungehindert zum Abnehmer transportiert werden kann.

Verluste bei Stromtransport kosten Geld

Sewohl versicherte, die 2017 voll in Betrieb genommene 380-kV-Leitung "Thüringer Strombrücke" über den Thüringer Wald habe hier etwas Entlastung gebracht. Allerdings reiche deren Kapazität bei weitem nicht aus, um die Redispatch-Kosten zu senken.

Ein ICE T fährt auf einer Hochgeschwindigkeitstrasse neben einer Autobahn
Die "Thüringer Strombrücke" (im Hintergrund) im Ilm-Kreis bei Arnstadt. Hier verlaufen auch die A71 und die ICE-Strecke durch den Thüringer Wald- Bildrechte: imago images/Jochen Eckel

Außerdem, so Sewohl, gehe beim Stromtransport von Nord nach Süd über hunderte Kilometer auch elektrische Energie verloren. Die Netzbetreiber seien verpflichtet, diesen Verlust auszugleichen. Auch die dafür benötigten Strommengen seien inzwischen deutlich teurer als vor der Energie-Krise. Darüber hinaus würden auch Kosten für den Ausbau der Netze und deren Wartung in die Netzentgelte einfließen. Allerdings nicht in dem Maße wie die beiden anderen genannten Gründe, so der Sprecher.

Der regionale Netzbetreiber Thüringer Energienetze (TEN) rechnet damit, dass auf die privaten und gewerblichen Stromverbraucher in seinem Netzgebiet durch die höheren Netzentgelte im kommenden Jahr eine Mehrbelastung von 100 Millionen Euro zukommt. Genauere Angaben stellte die TEN für die kommenden Tage in Aussicht. Das TEN-Netzgebiet umfasst den größten Teil von Thüringen. 

Ein Hochspannungsmast steht vor einem abendlichen Himmel.
Strommast des Netzbetreibers TEN in der Nähe von Erfurt. Bildrechte: IMAGO / photo2000

Regionale Versorger müssen neu kalkulieren

Bei der Verbraucherzentrale Thüringen reagierte man zurückhaltend auf die Ankündigung der Übertragungsnetz-Betreiber. Energieexpertin Ramona Ballod sagte MDR THÜRINGEN, die angekündigten neuen Entgelte müssten jetzt von den Betreibern der Verteil- und Versorgungsnetze einkalkuliert werden. Das werde einige Zeit dauern.

Ballod betonte, dass die Verbraucherschützer auch für die kommenden Jahre mit steigenden Netzentgelten rechnen. Gegenwärtig werde das deutsche Stromnetz auf allen Ebenen umgebaut und fit gemacht für erneuerbare Energien. Dafür sei die Investition von hohen Geldbeträgen nötig.

Streichung belastet die Wirtschaft

Die Preissteigerungen treffen auch die Wirtschaft. Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann hat es als ärgerlich bezeichnet, dass die Bundesregierung die Zuschüsse für die Netzentgelte im kommenden Jahr streichen will.

Der SPD-Politiker sagte MDR AKTUELL, es sei vernünftig gewesen, mit Bundeszuschüssen den Anstieg der Netzentgelte abzupuffern. Dass das nun wegfalle, passe nicht in die Zeit.

Mehrbelastung macht Stadtwerken Sorge

Darüber hinaus wirken sich die neuen Netzentgelte mit zeitlicher Verzögerung auch auf die Preiskalkulationen der Stadtwerke aus. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Suhl/Zella-Mehlis, Tino Schäfer, sagte MDR THÜRINGEN, dazu müsse man aber erst einmal abwarten, wie die TEAG-Tochter Thüringer Energienetze als Betreiber von Thüringens größtem Verteilnetz die höheren Gebühren für die Durchleitung von Strom nach unten weitergebe.

Außerdem habe die Ampelkoalition auch einen neuen CO2-Preis für 2024 von 45 Euro je Tonne festgelegt. Das werde sich spürbar auf die Preise von Erdgas und Wärme zum Heizen auswirken.

Schäfer kündigte an, die Auswirkungen der Berliner Entscheidungen Ende Januar mit dem Aufsichtsrat besprechen zu wollen. Sein Unternehmen, so Schäfer, plane vor dem 1. April 2024 keine weiteren Preisänderungen.

MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 15. Dezember 2023 | 10:00 Uhr

38 Kommentare

Altmeister 50 vor 51 Wochen

@ astrodon
siehe Handelsblatt v. 31.3.23 unter "Bundesregierung unterschätzt laut Studie Bedarf an Gaskraftwerken" . Dort ist sogar von 50 Kraftwerken der 500 MW-Klasse die Rede. Bei höherer Kapazität natürlich weniger. Entscheidend ist: Die Lücke wird entstehen.

emlo vor 51 Wochen

@Grooveman: Ein paar Anmerkungen: Weitere Forschung auf dem Gebiet der Atomenergie halte ich auch für richtig. Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass diese kurzfristig unsere Energieprobleme lösen könne. Daher bin ich auch bei Ihrem "in Kürze" äußerst skeptisch. Wir reden hier wohl eher von mindestens einem, wahrscheinlich eher mehreren Jahrzehnten.

Und was die Kernfusion betrifft, so gibt es bisher nur einen "Fusionsreaktor" im großen Maßstab, und der heißt "Sonne". Wir haben das große Glück, dass wir die Energie der Sonne hier auf der Erde nur mit Solaranlagen und Windkraftanlagen "einfangen" müssen. Dabei müssen wir uns (zumindest für die nächsten paar Millionen Jahre) auch, im Gegensatz zu anderen Formen der Energiegewinnung, keine Sorgen um die Endlichkeit der Ressourcen machen. Und daher sehe ich den "Windmühle" durchaus die Zukunft. Andere Länder tun das übrigens auch, wenn auch nicht ausschließlich.

astrodon vor 51 Wochen

@RalfG: Ohne Ukrainekrieg und Energiekrise wären die Meiler doch schon letztes Jahr vom Netz gegangen, oder ? Zur Effizienz: Dann müssen eben ein paar mehr errichtet werden, oder eben in den Landstrichen, die auch dort geeignet sind (Mittelgebirge ?).
Und zu den Stromtrassen: So hat halt jeder seine speziellen Lasten: Bahnstrecken, Autobahnen, Stromtrassen, Flughäfen oder Windräder. Vermutlich ist es in einem hochentwickelten und hochtechnisiertem Land nicht anders möglich.

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