Dessau Ausstellung "Kindsköpfe" zeigt gemalte Kinderporträts im Wandel der Zeit
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31. August 2024, 04:00 Uhr
In der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau im Schloss Georgium ist die neue Ausstellung "Kindsköpfe" zu sehen. Gezeigt werden Kinderporträts vom Barock bis zur Romantik, von Malern wie Johann Friedrich August Tischbein, Anthonis van Dyck oder Philipp Otto Runge die belegen, wie sehr sich der Blick auf die Kindheit in dieser Zeit gewandelt hat.
- Eine neue Ausstellung in der Anhaltischen Gemäldegalerie in Dessau beleuchtet das Genre des Kinderporträts.
- Die Schau zeigt, welche Wirkung der Adel mit den Bildern ihrer Zöglinge erreichen wollten.
- In der Ausstellung lässt sich der Wandel in der Darstellung von Kindern deutlich nachvollziehen.
Man kann es sich kaum mehr vorstellen, wie selten vor 250 Jahren Kinder porträtiert wurden. Heutzutage werden sie bei jeder Gelegenheit fotografiert – doch im 17. Jahrhundert waren sie es, salopp gesagt, nicht Wert, überhaupt ins Bild gebannt zu werden. Zu aufwendig und kostspielig war die Herstellung eines gemalten Porträts, so dass Kinder in der Kunstgeschichte kaum vorkamen. Und genau dem will man nun in der der anhaltischen Gemäldegalerie Dessau nachspüren.
In der Zeitperiode zwischen Barock und Romantik habe eine wesentliche Entwicklung des Genres des Kinderporträts stattgefunden, erklärt Ruben Rebmann, der Direktor der Gemäldegalerie, "weil die Gattung des Kinderporträts sich in dieser Zeit verändert." Vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert habe sich auch der Blick auf die Kindheit insgesamt verändert.
Kinderporträts als Aushängeschilder der Dynastie
Um das aufzuzeigen, hat die fürstliche Sammlung einige aufschlussreiche Gemälde und Zeichnungen im Bestand. Ergänzt wird die Ausstellung mit etlichen Leihgaben aus Dresden oder Hamburg.Denn es waren vor allem Monarchen, die sich haben porträtieren lassen – und schließlich ihre Kinder. Die Aristokraten wollten den Fortbestand der eigenen Dynastie präsentieren, so Rebmann: "Anhand dieser Bilder wollte man demonstrieren, diese Kinder sind gesund, sie sind lebensfähig, später auch herrschaftsfähig und sie stehen als Heiratskandidaten auch zur Verfügung."
Anhand dieser Bilder wollte man demonstrieren, diese Kinder sind gesund, sie sind lebensfähig, später auch herrschaftsfähig.
Luxuriös gekleidet und ausstaffiert wie junge Erwachsene sieht man sie meist frontal und recht starr posieren. Etwas fortschrittlicher sei dann bereits das Gemälde von Anthonis van Dyck, zeigt Rebmann. Im Bild ist ein Prinz von Oranien-Nassau zu sehen – einem deutschen Adelsgeschlecht. "Dieser kleine Prinz ist nun nicht frontal ins Bild gestellt, sondern geht ganz elegant durch dieses Bild, den rechten Arm leicht erhoben und hat diesen kleinen Hund dabei. Also insgesamt ein Bild von kindlicher Anmut, aber auch von souveräner Eleganz."
Eine Auflockerung, die sich in der Zeit der Spätbarock noch verstärken sollte. Mit dem Königshof von Versailles als Vorbild werden die kleinen Prinzen und Prinzessinnen häufiger in Handlungen gezeigt, womit man die positiven Effekte einer höfischen Erziehung zeigen wollte. So sieht man Fürst Leopold von Anhalt-Dessau als Knaben, mit einem großen, gefährlichen Hund.
Laut Rebmann wollte der Adel damit ein klares Signal setzen. Einerseits zeuge das Bild davon, dass der junge Aristokrat bereits geübt im höfischen Zeitvertreib des Jagens sei. Andererseits stelle man damit auch die Herrscherqualitäten des blaublütgien Nachwuchses heraus, erklärt Rebmann: "So, wie er hier seinen Hund beherrscht, wird er später auch sein Land beherrschen. Das ist auch ganz wichtig bei diesen Kinderporträts, dass da natürlich symbolische Elemente enthalten sind, die auf die Qualifikation dieser kleinen Kinder hinweisen."
Die Aufklärung bringt den Wandel
Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert erfährt die Kindheit dann eine fundamentale Neubewertung, die auch mit den pädagogischen Reformen zu tun hat, die sich im Jubiläum des Philantropinums spiegeln. Statt einer Pose suchte man nun die spontane Momentaufnahme, um zu unterstreichen, dass sich die Kinder natürlich und nicht auf Befehl hin, bewegen.
Allerdings hieße das auch, gibt Rebmann zu bedenken, dass diese Gemälde eigentlich ihren Entstehungsprozess verleugnen. "Diese Gemälde sind natürlich keine Schnappschüsse. Und selbst wenn dieser spontane Eindruck entsteht, steckt natürlich ein langer Konzeptionsprozess davor", betont der Galeriedirektor.
Diese Gemälde sind natürlich keine Schnappschüsse.
Doch wie positionierte man das Kind in der Bewegung, um es lebhaft wirken zu lassen? Es ist ein Prozess, den man in der Schau anhand von Skizzen wunderbar nachvollziehen kann. Wie auch die Darstellungsformeln, die sich schließlich in der Romantik manifestieren und bis weit ins 20. Jahrhundert wirken, als Idealisierung der Kindheit. Heißt: der Blick zurück wird nostalgisch überhöht, er steht aber auch für den neugierigen Blick in die Zukunft.
Wie bei dem Gemälde von Philipp Otto Runge, bei dem ein Kind auf dem Stuhl stehend aus dem elterlichen Fenster auf die Alster blickt. Ein Symbol für die Kindheit insgesamt, so Rebmann, "diese Schwellensituation von einem geschützten Raum, von einer familiären Situation, hinaus auf das eigene Leben."
Der Museumsdirektor deutet auch eine böse Vorahnung in dem Werk: "Wir sehen ganz schön bei den Mädchen, dass es im Blick auf den Betrachter die Hand an den Hals legt und reflektiert, vielleicht auch darüber nachdenkt, was ihm bevorsteht."
Ein reflektierende Haltung, die sich dann auch auf den Betrachter überträgt – wie auch die Symbolik der anderen Gemälde. Denn in der Chronologie der Anordnung und im Zusammenspiel mit den kurzen fundierten Texten wird das Publikum sofort angeregt, über die eigene Kindheit nachzudenken und sie ins Gros der Geschichte einzuordnen. Auch das macht die Schau sehenswert.
Quelle: MDR KULTUR (Sandra Meyer)
Redaktionelle Bearbeitung: tis, op
Weitere Informationen
Kindsköpfe – Kinderporträts vom Barock bis zur Romantik
Sonderausstellung
Schloss Georgium
Puschkinallee 100, 06846 Dessau-Roßlau
Öffnungszeiten:
täglich außer Dienstag 10-18 Uhr, Dienstag geschlossen
Eingebettet ist die Ausstellung in das Jubiläumsjahr zur Feier der Gründung des Philantropinums durch Johann Bernhard Basedow vor 250 Jahren. Diese Modellschule der Aufklärung brachte moderne Ideen zur Kindererziehung und eine Neubewertung der Kindheit als eigenwertige Lebensphase.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. August 2024 | 08:45 Uhr