Imam Murhaf Al Ahmed Danawar
Als einer der ersten hat Murhaf Al Ahmed Danawar die Ausbildung am Islamkolleg Deutschland absolviert. Heute ist er Imam in Dessau. Bildrechte: MDR/Martin Krause

Islamische Gemeinde Imam in Dessau: ehrenamtliche Arbeit im Plattenbau

von Britta Veltzke, MDR AKTUELL

26. November 2023, 09:52 Uhr

Der Imam Murhaf Al Ahmed Danawar aus Dessau hat als einer der ersten die Ausbildung am Islamkolleg Deutschland absolviert. Das Islamkolleg ist die erste vom Auslang unabhängige Ausbildungsstätte für Imame. Danawar arbeitet in der Islamischen Gemeinde in Dessau – ehrenamtlich, denn der Gemeinde fehlt das Geld. Wie religiöse Gemeinden finanziert werden könnten, damit beschäftigen sich Wissenschaft und Politik.

Britta Veltzke
Bildrechte: MDR / Isabel Gruhle

Dritter Stock in einem Dessauer Plattenbau. Draußen rauschen Auto und Straßenbahnen vorbei. Die "Offene Islamische Gemeinde Dessau" liegt direkt an einer großen Kreuzung: viel Beton und Asphalt. Ein ungemütlicher Ort. Doch hier drin ist es ruhig – und Murhaf Al Ahmed Danawar ganz bei sich. Er kniet auf einem roten Teppich mit Ornamenten, den Körper nach Südosten ausgerichtet. Nach Mekka. Er trägt eine Sure aus dem Koran vor. Das kann er inzwischen zweisprachig – deutsch und arabisch.

Imam aus Dessau hat als einer der ersten am Islamkolleg Deutschland gelernt

"Ich will auf Deutsch predigen." Gelernt hat Danawar das am Islamkolleg Deutschland. Er gehört zur ersten Generation von Imamen, die an der unabhängigen Ausbildungsstätte in Osnabrück gelernt haben. 26 Absolventinnen und Absolventen lächelten im September neben ihrem Fürsprecher, Ex-Bundespräsident Christian Wulff, in zahlreiche Kameras als der erste Jahrgang verabschiedet wurde.

Das Medieninteresse war groß. Immerhin wird seit Jahrzehnten über die Vorbeter diskutiert, von denen viele im Ausland ausgebildet und aus ausländischen Kassen finanziert werden, etwa durch den türkischen Staat. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will das beenden. Bei der gerade zu Ende gegangenen Islamkonferenz hat sie angekündigt, die Ausbildung deutscher Imame weiter stärken zu wollen.

Danawar musste vor Krieg in Syrien flüchten

In Deutschland zu lernen und zu arbeiten hatte Murhaf Al Ahmed Danawar nicht im Sinn, als er 2009 begann, sich in Damaskus, Syrien, auf ein Leben als Imam vorzubereiten. Und das, obwohl er gar nicht streng religiös aufgewachsen ist. "Einige in meiner Familie haben an meinem Weg gezweifelt, gefragt, ob ich nicht doch etwas Anderes lernen will." Die Antwort: nein. Er war fast fertig mit dem Studium der Islamwissenschaft als der Krieg begann – und die Flucht nach Deutschland folgte.

Bereits seit 2016 ist er in Dessau und arbeitet seitdem in der islamischen Gemeinde. Er habe eine Möglichkeit gesucht, seine Ausbildung zu Ende zu bringen, erzählt er. Dann ist er auf das Islamkolleg aufmerksam geworden. Danawar schätzt, dass die Ausbildung mehr enthält das Koranstudium: "Das wichtigste ist die politische Bildung. Außerdem Geschichte, Gemeindepädagogik, Seelsorge." Davon habe er sehr profitiert, könne nun besser auf seine Gemeindemitglieder zugehen, mit ihnen über ihre persönlichen Probleme sprechen. Zum Freitagsgebet kommen rund 200 Menschen.

Ehrenamtliche Arbeit als Imam in Dessau

Doch sein Geld verdient der 31-Jährige nicht als Imam, erzählt er, sondern in der Jugendarbeit: "Als kleine Gemeinde hier in Ostdeutschland haben wir nicht genug finanzielle Mittel. Ich arbeite ehrenamtlich." Das Problem: Für die Islamkolleg-Absolventen gibt es kaum Jobs. Eine Reihe von Islamverbänden unterstützt das Islamkolleg nicht, darunter der größte von ihnen: DITIB. Der türkische Islamverband vertritt nach eigenen Angaben rund 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime und hat selbst eine Ausbildungsstätte.

Als kleine Gemeinde hier hin Ostdeutschland haben wir nicht genug finanzielle Mittel. Ich arbeite ehrenamtlich.

Murhaf Al Ahmed Danawar, Imam in Dessau

Übrig bleiben wenige kleine Verbände und unabhängige Moscheevereine, die auf Spenden angewiesen sind und – wie in Dessau – kein Geld haben, ihren Imam entsprechend seiner Ausbildung zu bezahlen.

Religionssoziologin: Gemeinden wie Vereine finanzieren

Was also tun? Damit beschäftigt sich auch Lena Dreier, Religionssoziologin an der Uni Halle. Den Islam dem Christentum gleichzustellen, damit auch muslimische Gemeinden Kirchensteuer beziehen und so ihre Imame bezahlen können, hält Dreier für schwierig. "Der Islam ist eben nicht so zentralisiert, wie wir es beispielsweise von der katholischen Kirche kennen", sagt Dreier. Und wenn in dem System nur die größten Islamverbände berücksichtigt würden, würden viele Gemeinden durchs Raster fallen.

In Vereinen ist es ja auch möglich, hauptamtliche Personen anzustellen: über Fördertöpfe, wie wir sie etwa aus den Kulturbetrieben kennen.

Lena Dreier, Religionssoziologin

Dreier stellt sich eine staatliche Unterstützung vor, die es den Gemeinden ermöglicht, Imame, die ihre Ausbildung in Deutschland gemacht haben, zu finanzieren: "In Vereinen ist es ja auch möglich, hauptamtliche Personen anzustellen: über Fördertöpfe, wie wir sie etwa aus den Kulturbetrieben kennen."

Imam Danawar aus Dessau: "Ich habe hier meinen Platz gefunden"

Geld vom Staat für muslimische Gemeinden? Stephen Gerhard Stehli, religionspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion Sachsen-Anhalt, ist da vorsichtig, grundsätzlich aber offen, darüber zu diskutieren: "Dass man schaut, ob in Deutschland Möglichkeiten bestehen, solche Absolventinnen und Absolventen in einer Art und Weise unterzubringen, die angemessen ist."

Ich habe hier meinen Platz gefunden und würde gern als Imam arbeiten.

Murhaf Al Ahmed Danawar, Imam in Dessau

Er ist für eine ergebnisoffene Diskussion, "darüber, ob eine Unterstützung mit Blick auf den Schutz und die Förderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kompatibel ist mit dem hohen Grundsatz der Trennung von Religion und Staat."

Murhaf Al Ahmed Danawar jedenfalls würde gern in Dessau bleiben. "Ich habe hier meinen Platz gefunden und würde gern als Imam arbeiten", sagt er. Aber, gibt er zu, "es ist sehr schwierig".  

MDR (Britta Veltzke, Maren Wilczek) | Erstmals veröffentlicht am 24.11.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 24. November 2023 | 17:18 Uhr

3 Kommentare

Freies Moria vor 21 Wochen

Schade dass die Aushänge nicht zweisprachig sind, das wäre im Sinne besseren Verständnisses ganz bestimmt ein wichtiger Aspekt. Gerade wenn die Predigt auf Deutsch gehalten wird.

Nudel81 vor 21 Wochen

Finde ich gut! Eine tolle Idee wäre wenn Iman sich im Religionunterricht Fragen stellen würde.

Germinator aus dem schoenen Erzgebirge vor 21 Wochen

Man muss nur wollen,
Es scheint da doch keinen Lehrermangel zu geben, wenn man nur will.

☝️🍀

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