Kampf gegen Streamingdienste Verein will letzte Videothek in Halle retten
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16. August 2024, 03:00 Uhr
Zum Ende des Jahres schließt in Halle nach 18 Jahren der Format Filmkunstverleih. Die Videothek ist in finanzielle Schieflage geraten, weil viele Menschen auf Streamingdienste umgestiegen sind. Im Bestand der Videothek befinden sich über 19.000 Filme und Serien – darunter auch Raritäten für Filmliebhaber. Ein neugegründeter Verein möchte die Sammlung retten. Um den Laden inklusive der Filme übernehmen zu können, muss in einer Spendenkampagne eine hohe Summe eingesammelt werden.
- Ende des Jahres schließt in Halle nach 18 Jahren der Format Filmkunstverleih aufgrund finanzieller Probleme.
- Der neugegründete Verein Format Filmkunst will die Sammlung der mehr als 19.000 Filme mithilfe einer Spendenkampagne retten.
- In Dresden konnte mit einem ähnlichen Modell der Bestand der Filmgalerie Phase IV erhalten werden.
In Halle soll die letzte Videothek der Stadt schließen. Zum 31. Dezember möchte Inhaber Friedemann Fanenbruck den Betrieb des Format Filmkunstverleihs einstellen. Der Filmverleih war 2006 eröffnet worden und hat inzwischen einen Bestand von 19.000 Filmen angesammelt – darunter auch besondere Raritäten.
Filmverleih rechnet sich nicht mehr
Durch dieses breite Angebot habe sein Filmverleih länger überdauern können als herkömmliche Videotheken, berichtet Friedemann Fanenbruck im Interview mit MDR KULTUR. Es sei jedoch immer schwieriger geworden, den Betrieb "in der privatwirtschaftlichen Form weiterzuführen." Zu viele Menschen seien auf Streamingdienste umgestiegen.
Für Fanenbruck sei es "nervenaufreibend" gewesen, aufgrund der ausbleibenden Kundschaft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen zu müssen und nicht sicher zu sein, ob er die Miete noch bezahlen kann. Die Pandemie habe diese Probleme noch verschärft. Anfang des Jahres entschied sich Fanenbruck für die Schließung der Videothek – nach 18 Jahren.
Verein will Filmsammlung in Halle retten
Die Mitglieder des neugegründeten Vereins "Format Filmkunst" wollen das nicht hinnehmen. Sie planen, Friedemann Fanenbruck seinen Filmbestand abzukaufen und den Filmverleih als Verein weiterzuführen. Man wolle die – nach eigenen Angaben – "größte Filmsammlung Mitteldeutschlands" retten, sagt Vereinsgründerin Laura Meltke im Gespräch mit MDR KULTUR.
Das Format ist die größte Filmsammlung Mitteldeutschlands.
Darunter seien Filme, die "kein Streaminganbieter im Netz zu bieten hat", so Meltke: Stummfilme und Schwarz-Weiß-Klassiker seien dabei sowie ein breites Angebot an Arthouse- und Independent-Filmen aus verschiedenen Ländern. Ihr Vereinskollege Beppo Brandenburger ergänzt einen weiteren Vorteil: Anders als bei den Streaming-Diensten entscheide "jede Person selber, welchen Film sie auswählt" und werde nicht von Algorithmen geführt.
Treffpunkt für Filmfans
Um die 19.000 Filme kaufen zu können, benötigt der Verein laut eigenen Angaben 100.000 Euro. Diese sollen mithilfe einer Spendenkampagne und mit Vereinsbeiträgen gestemmt werden. Die Filme wolle man anschließend, wie bisher, zum Verleih anbieten. Außerdem solle der Filmverleih zu einem soziokulturellen Treffpunkt werden, in dem Veranstaltungsreihen stattfinden.
Um den Verleihbetrieb im Ladengeschäft fortführen zu können, benötige man jährlich 51.000 Euro – unter anderem für Mietkosten, Strom und den Ankauf neuer Filme, rechnet Vereinsmitglied Laura Meltke vor. Ziel sei es deshalb "mindestens 350, im besten Fall über 500 Mitglieder" für den Verein zu gewinnen.
Dresdner Filmgalerie Phase IV ist Vorbild
In Dresden hat eine solche "Rettungsaktion" bereits funktioniert. Die dortige Filmgalerie Phase IV hatte ebenfalls finanzielle Probleme, wurde mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne stabilisiert und schließlich in einen Verein überführt, der seitdem den Betrieb der Videothek aufrechterhält.
Alexander Stark leitet die Videothek in der Dresdner Neustadt und hebt im Interview mit MDR KULTUR vor allem den Treffpunktcharakter der Filmgalerie hervor: "Die Leute können unsere Filmsammlungen nutzen und hier ihre eigene Filmveranstaltung machen." Dadurch generiere sich ein Stammpublikum. Mit verschiedenen Projekten, zum Beispiel Filmvorführungen in sächsischen Gefängnissen, könne man außerdem regelmäßig Fördergelder erhalten, so Stark.
Es ist knallhart.
Dem Verein aus Halle wünsche er viel Erfolg, sagt Stark – wohlwissend, dass dort jede Menge Arbeit auf die Filmenthusiasten wartet: "Es ist knallhart. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Begeisterung von vielen auf den Schultern von wenigen niederschlagen wird."
Er hoffe, auch im Sinne des eigenen Vereins, dass das Spendenziel erreicht werde: "Wir hatten immer mal die Idee, einen runden Tisch zu machen mit den überlebenden Filmgalerien da draußen."
Vereine in Dresden und Halle stehen im Austausch
Die Hallenser haben sich mit der Dresdner Filmgalerie bereits ausgetauscht und Tipps eingeholt, wie der Übergang vom privatwirtschaftlichen Unternehmen in einen Verein funktionieren kann. Dafür benötigen sie jetzt vor allem Geld aus dem Crowdfunding.
Sollte das nicht funktionieren, sei er gezwungen, die Filme zu verkaufen, sagt Inhaber Friedemann Fanenbruck MDR KULTUR. Die Arbeit des Vereins begrüße er ausdrücklich – auch wenn er kein Mitglied sei. Er hoffe, dass ihm und den Hallensern die Sammlung und damit "ein Stück Herzblut und Lebenswerk" erhalten bleibt.
Informationen zur Spendenkampagne:
Der Auftakt der Spendenkampagne findet am 17. August beim Sommerkino im WUK Theater Quartier statt. Dort wird der Stummfilm "Das Cabinet des Dr. Caligari" gezeigt und live musikalisch begleitet.
Mitgliedschaften können auf der Website des Format Filmkunst e.V. abgeschlossen werden. Eine normale Mitgliedschaft kostet 120 Euro im Jahr, die ermäßigte Mitgliedschaft 60 Euro.
Redaktionelle Bearbeitung: bh, tis
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. August 2024 | 13:40 Uhr