Selbstversuch Anpacken für kostenlosen Urlaub in Sachsen-Anhalt – ein Selbstversuch

14. September 2022, 18:16 Uhr

In der Urlaubsunterkunft mit anpacken und dafür kostenfrei übernachten – das ist in Sachsen-Anhalt an mehreren Orten möglich. Aber muss man dabei wirklich nichts bezahlen? Und bleibt trotzdem genug Zeit für Erholung? MDR-Reporter Alexander Kühne hat es für das Reisemagazin #hinREISEND ausprobiert – und einen gelungenen Kurzurlaub erlebt.

Bildrechte: MDR/Alexander Kühne

von Alexander Kühne, MDR SACHSEN-ANHALT

Als ich den schweren Estrichsack hochhebe, bin ich mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee war. Will ich wirklich schuftend meinen Urlaub verbringen? Der Tanzlehrer Fernando Jahr gibt den Takt vor. Er hat seinen Sack schon auf den Stapler geworfen, der die Säcke nach oben heben wird. Fernando kommt aus München und ist schon seit einer Woche hier auf dem Reiterhof am Geiseltalsee. "Es ist eine Möglichkeit, günstig Urlaub zu machen und gleichzeitig noch etwas Gutes zu tun", erzählt er mir gut gelaunt. Wenn er nach einer Woche noch so strahlen kann, war es vielleicht doch keine schlechte Idee. Zum Glück sind es nur noch knapp 100 Säcke.

Im Internet finden sich zahlreiche Angebote

Auf die Idee bin ich bei Facebook gestoßen. Der Verein Cavalleria aus Mücheln hatte in dem Sozialen Netzwerk ein verlockendes Angebot gepostet: Wer auf dem Reiterhof kräftig mitarbeitet, bekommt Übernachtung und Verpflegung gestellt und darf auch noch alle Angebote des Vereins kostenlos nutzen. "Urlaub gegen Hand" nennt sich diese Art des Reisens. In den gleichnamigen Facebook-Gruppen lassen sich weltweit Angebote finden. Manche suchen jemanden, der bloß auf Haus und Garten aufpasst. Andere suchen Hilfe beim Renovieren und bieten dafür Gastfreundschaft und Geheimtipps. Die Aufgaben sind genauso vielfältig wie die Reiseziele.

Die Anmeldung ist unkompliziert

Ein Anruf bei Julia Wegat vom Reitverein Cavalleria genügte und schon war alles gebucht. Als ich auf ihrem Reiterhof ankam, traf ich sie natürlich zwischen Pferden an. Mit ihrem Cowboy-Hut und Stiefeln sah sie wie ein richtiges Cowgirl aus. Sie erzählte mir, dass vor allem Studenten das Angebot gerne nutzen. Sie misten den Stall aus oder kümmern sich um die Pferde und reisen so fast kostenlos durch ganz Deutschland. "Aber auch Familien machen das, meistens arbeiten die Väter und die Mütter gehen mit den Kindern an den See", so Wegat.

Die Erfahrungen von MDR-Reporter Alexander Kühne auf dem Storchenhof Loburg sehen Sie in diesem Beitrag von SACHSEN-ANHALT HEUTE:

Die Arbeit hält sich in Grenzen

Einer dieser Väter ist Fernando. Der ehemalige Weltmeister im Boogie-Woogie zeigt mir, wie ich die Säcke richtig heben muss. So wird die Arbeit zum Ganzkörper-Workout. Die Säcke schleppen wir ins Dachgeschoss der Scheune. Dort soll Fernando in den kommenden Tagen den Boden verfüllen.

Eigentlich hat Fernando für die Arbeit drei Stunden eingeplant, doch zusammen schaffen wir es in einer. Ich bin überrascht, wie schnell es dann doch geht. Damit haben wir das Tagespensum schon erledigt und den Rest des Tages frei. Ein guter Deal, wie ich finde. "Hier am See kann man Segeln, Surfen, Radfahren und dann gibt es noch das Reitangebot", erzählt Fernando und gibt mir gute Tipps für meine Urlaubsgestaltung.

Urlaubsparadies Geiseltalsee

Ich fahre also zur Marina des Geiseltalsees, kaufe mir ein Eis und schaue den Segelbooten beim Schaukeln auf den Wellen zu. In den letzten Jahren ist hier ein echtes Urlaubsparadies entstanden mit vielen Hotels und Ferienhäusern. Der Hafen ist entsprechend voll mit Touristen, die es sich unter Palmen gut gehen lassen. Die verschiedenen Strände des Sees locken auch mich ins Wasser. Und während ich mich nach der Arbeit abkühle, verbringt Fernando seine Zeit nach der Arbeit allein auf der Weide und ist bei der Geburt eines Fohlens dabei.

Mein Kurzurlaub ist gelungen: Die Arbeit war nicht zu anstrengend, um nicht noch auf Entdeckungstour zu gehen. Und mehr als die Fahrtkosten und das Eis musste ich auch nicht bezahlen. Beim Abendessen erzählt mir Cowgirl Julia dann noch, dass sie das neue Pferdchen Fernando genannt haben.

Urlaub gegen Hand in Sachsen-Anhalt Social Media machts möglich: In Sachsen-Anhalt finden Interessierte eine Handvoll Angebote, meist Privatpersonen, die ihre Gartenlaube oder ein Gästebett für eine helfende Hand zur Verfügung stellen. Eine von ihnen ist Anja Herbener aus Quedlinburg. Bei der Puppenspielerin durfte ich auch Station machen, im Gästezimmer für Schauspieler übernachten und bekam eine exklusive Stadtführung. Dafür musste ich ihren Holunder zurechtschneiden und beim Umbau der Bühne helfen.

Meine dritte und letzte Station war der Storchenhof Loburg. Hier ist man über jede helfende Hand glücklich, nur um die Verpflegung muss sich hier jeder selbst kümmern. Dafür tut man etwas Gutes und rettet verletzte Störche – füttert sie mit Fischen oder gibt Augentropfen. Auf dem YouTube Kanal von #hinREISEND kann man alle drei Stationen nacherleben.

MDR (Cornelia Winkler)