Pläne der Landesregierung ernten Kritik Städtebauförderung: Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt gegen Kürzungen
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07. November 2024, 14:18 Uhr
Der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt kritisiert die geplanten Kürzungen der Landesmittel für die Städtebauförderung. Man brauche die Förderung, um Städte attraktiv zu halten, heißt es. Sachsen-Anhalts Landesregierung will die Mittel für den Städtebau ab dem Haushaltsjahr 2026 drastisch kürzen – und stößt mit den Plänen auf reichlich Widerstand. Kritik kommt dabei nicht nur von der Opposition in Sachsen-Anhalts Landtag.
- Bauministerin Lydia Hüskens (FDP) begründet die geplanten Kürzungen mit erheblich gestiegenen Wohngeldzahlungen.
- Die Pläne der Landesregierung ernten reichlich Kritik.
- Die Kürzungen bei der Städtebauförderung dürften eine wichtige Rolle bei den Haushaltsberatungen einnehmen.
Sanierte historische Stadtkerne, gepflasterte Wege, generalüberholte Plattenbauten: Vieles von dem war in den vergangenen Jahrzehnten nur möglich, weil es die Städtebauförderung gibt. Die ermöglicht eine Kostenteilung zwischen Bund, Land und Kommunen. Wegen knapper Kassen plant Sachsen-Anhalt nun, in den kommenden Jahren deutlich weniger Geld zur Verfügung zu stellen. So jedenfalls steht es im Haushaltsentwurf.
Dagegen protestieren nicht nur Kommunen, alle Fraktionen heben die Bedeutung der Städtebauförderung hervor - und die Suche nach einer Lösung hat in der Koalition hohe Priorität. Auch der Städte und Gemeindebund Sachsen-Anhalt kritisiert die geplanten Kürzungen der Landesmittel für die Städtebauförderung. Präsident Andreas Dittmann sagte dem MDR, er halte die Kürzungspläne aus dem Infrastrukturministerium für das völlig falsche Signal. "Wenn wir Städte attraktiv halten wollen, dann brauchen wir dieses Instrument."
Bereits bewilligte Vorhaben seien zwar nicht betroffen, sagte Dittmann. Aber man werde: "schlimmstenfalls einen weiteren Niedergang in den Innenstädten erleben, weil notwendiges Investitionsvolumen nicht stattfinden kann". Es geht um Barrierefreiheit, darum, den Verlust des stationären Handels zu kompensieren und um mehr Aufenthaltsqualität in den Innenstädten.
Auch in Sachsen-Anhalts Landesregierung stoßen die geplanten Kürzungen bei der Städtebauförderung auf reichlich Widerstand. Ab dem Haushaltsjahr 2026 sollen nach aktueller Planung nur noch halb so viele Förderungen erteilt werden wie bisher. Die erheblich gestiegenen Wohngeldzahlungen würden den Haushalt des zuständigen Ministeriums für Infrastruktur und Digitales in erheblichem Ausmaß belasten, erklärt Sachsen-Anhalts Bauministerin Lydia Hüskens (FDP) auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT.
Stichwort: Wohngeld
Wer ein geringes Einkommen hat, kann Wohngeld beantragen – einen staatlichen Zuschuss zur Miete. Wie hoch dieser Zuschuss ist, hängt laut Bundesbauministerium vor allem von der Höhe des Gesamteinkommens im Haushalt ab. Zum 1. Januar 2023 war die Höhe des Wohngeldes deutlich angehoben worden. Zudem haben seitdem mehr Haushalte Anspruch auf den Zuschuss. Grund waren seinerzeit die gestiegenen Energiekosten.
Stichwort: Städtebauförderung
Die Städtebauförderung ist laut zuständigem Ministerium "eines der wichtigsten Instrumente zur Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung". Die Städtebauförderung konzentriert sich seit 2020 auf folgende Programme: "Lebendige Zentren", "Sozialer Zusammenhalt" und "Wachstum und nachhaltige Erneuerung". Die Städtebauförderung wurde 2023 in Sachsen-Anhalt mit Bundes- und Landesmitteln in Höhe von rund 91,3 Millionen Euro gefördert. Für die Förderung der regulären Programme gilt der Grundsatz der Drittelfinanzierung von Bund, Land und Kommune.
Nach dem Inkrafttreten des Wohngeld-Plus-Gesetz im vergangenen Jahr waren die Kosten fürs Wohngeld in Sachsen-Anhalt von 47 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 125 Millionen Euro im Jahr 2023 angewachsen. Die Hälfte trägt das Land, die andere der Bund. "Da es sich hierbei um gesetzliche Verpflichtungen handelt, waren wir leider gezwungen, in erheblichem Umfang an anderen Stellen zu sparen und auch in den Schwerpunktbereichen Mittelkürzungen vorzunehmen", so Hüskens. "Anders waren die Haushaltsvorgaben für den Einzelplan nicht umzusetzen."
SPD: "Eher mehr Abriss fördern als weniger"
Kritik kommt unter anderen aus den Reihen der SPD. Deren baupolitischer Sprecher Falko Grube erklärte auf MDR-Anfrage, er sehe die geplante Kürzung mit Sorge. "Das wird für mich auch einer der wichtigen Punkte in den Haushaltsverhandlungen werden", so Grube. Die Folgen würden auf der Hand liegen: "Die Probleme, die wir im Land haben, könnten nur viel langsamer gelöst werden. Wir haben es im ganzen Land mit zum Teil erheblichem Leerständen zu tun. Das geht bis an die Existenzfähigkeit von kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften." Denn "wenn da das Geld fehlt, verstärkt sich der Effekt. Wo es nicht attraktiv ist, ist es auch schwer, neue Leute hinzubekommen oder auch die alten zu halten. Dann hätten wir das demografische Problem, was wir haben, noch viel größer gemacht", sagt Grube.
Von der Wohnungswirtschaft kam zuletzt heftige Kritik an den Plänen der Landesregierung. Grube sagte, man müsse eher mehr Abriss als weniger fördern. Würden die Kürzungspläne wahr werden, würde "die Möglichkeiten der Aufwertung von Städten und Gemeinden zu kurz kommen", so der SPD-Politiker. "Das trifft dann vor allem die Kommunen, die wegen der eigenen Finanzlage dringend auf Förderung angewiesen sind."
CDU: "Versuchen, Mittel zugunsten der Stadtentwicklung umzuschichten"
Detlef Gürth, Vorsitzender und Sprecher der AG Infrastruktur und Digitales bei der CDU-Fraktion, kritisierte auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT vor allem Entscheidungen der Bundesregierung. Diese würden zu erheblichen Mehrausgaben und Mindereinnahmen der Länder führen, welche wiederum auch in Sachsen-Anhalt Kürzungen zur Folge hätten. Beim sozialen Wohnungsbau würde es wiederum so untaugliche Auflagen geben, dass die Förderung so gut wie überhaupt nicht abgerufen werde, so Gürth weiter.
Gürth sehe keinen flächendeckenden Trend zu höheren Leerstandsquoten in Sachsen-Anhalt. Gegen Leerstand helfe nicht ein Förderprogramm, sondern nur ein Paket von Maßnahmen. Dazu würden seniorenfreundliche, barrierefreie Wohnungen, barrierefreie Wohnquartiere, digitale und soziale Infrastruktur, Attraktivität der Gemeinde, Förderung "junges Wohnen" für mehr Wohneigentum zusammen mit Sparkassen und Volksbanken und mehr zählen. "Die größte Hilfe bei Abriss nicht benötigten Wohnraums war das Bundesprogramm Stadtumbau Ost, welches der Bund leider komplett eingestellt hat", so Gürth. "Auf Landesebene müssen wir in den Haushaltsberatungen versuchen, Mittel zugunsten der Stadtentwicklung umzuschichten. Die Sorgen der Wohnungswirtschaft teilt die CDU."
Die schwarz-rot-gelbe Koalition sei auf der Suche nach Wegen um die Städtebauförderung zu erhalten, sagte Gürth. Aber das gehe nur, wenn man im Gesamthaushalt umschichten könne: "Die Koalitionsfraktionen haben sich schon zusammengesetzt, das ist ein erklärter Wille. Am Ende der Haushaltsberatungen muss man schauen, in welchem Umfang uns das gelungen ist. Ziel ist es, Städtebauförderung aufzustocken", so der CDU-Politiker.
AfD: "Sorgen der Wohnungswirtschaft sind berechtigt"
Auch die Opposition hält wenig von den Plänen der Landesregierung. Tobias Rausch, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, teilte auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit, die angedachte Mittelkürzung sei eine "Bankrotterklärung" der Koalition aus CDU, SPD und FDP, was die städtebauliche Entwicklung angeht. Mit Blick auf die Begründung von Bauministerin Hüskens würden die Kürzungspläne widerspiegeln, wie politische Fehlentscheidungen und falsche Prioritätensetzungen auf Bundes- und Landesebene zu aus dem Ruder laufenden Sozialausgaben führen, die dann an anderer Stelle zwanghaft eingespart werden müssten.
Die Sorgen der Wohnungswirtschaft seien berechtigt, so Rausch. "Wohnungswirtschaft und Bauunternehmen leiden ohnehin schon massiv unter den gestiegenen Baukosten und -zinsen sowie unter der Überbürokratisierung von Bauvorschriften", so Rausch. Die von der Landesregierung angestrebte Kürzung der Fördermittel sei ein weiterer Schritt in der Abwärtsspirale des Städtebaus. Der AfD-Politiker erklärt: "Das Ergebnis werden wir in Form von maroden Straßenzügen, einer weiteren Beschleunigung des Verfalls unserer sachsen-anhaltischen Innenstädte und der öffentlichen Infrastruktur zu spüren bekommen. Außerdem werden die Ausgabekürzungen mit Auftragsrückgängen für das regionale Handwerk einhergehen."
Grüne: "Die angekündigte Kürzung ist eine Katastrophe für unsere Städte"
Cornelia Lüddemann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erklärte auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, sie sei entsetzt über die Kürzungspläne. "Die angekündigte Kürzung ist eine Katastrophe für unsere Städte", so Lüddemann. "Insbesondere Altbausubstanz in historischen Stadtvierteln kann ohne diese Förderung kaum erhalten bleiben. Die Kürzung darf nicht in der von der Regierung vorgelegten Höhe passieren, denn jeder hier eingesetzte Euro zieht weitere sieben Euro Investitionen an."
Die Städtebauförderung habe in der Vergangenheit große Erfolge mit sich gebracht und gezeigt, wie beispielsweise die Belebung von Innenstädten gelingen könne, so Lüddemann. Aber: "Das können unsere finanzschwachen Kommunen ohne Förderung nicht allein weiter betreiben." Auch die Grünen-Politikerin kündigte an, sich in den Haushaltsberatungen für die Belange der Wohnungswirtschaft einzusetzen, denn: "Die Leerstandsquoten sind in Sachsen-Anhalt besonders hoch. Sie drücken die Bilanz der Wohnungswirtschaft und verhindern, Wohnraum zu modernisieren. Allein in meiner Heimatstadt Dessau gibt es 30 Prozent Leerstand. Das ist noch ein Erbe der DDR und hier muss eine Änderung im Rahmen der Haushaltsberatungen erfolgen. Die Unternehmen brauchen eine gesunde wirtschaftliche Situation, um gestalten zu können."
Die Linke: "Das völlig falsche Signal in krisenhaften Zeiten"
Die Linke widerspricht den Kürzungsplänen bei der Städtebauförderung ebenfalls entschieden. Weniger Geld für den Städtebau würde gravierende finanzielle Belastungen für die Kommunen bedeuten, erklärt Guido Henke, Sprecher für Stadtentwicklung, auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Dabei sei die Finanznot der Kommunen schon jetzt groß. Die Kürzungen seien das völlig falsche Signal in krisenhaften Zeiten, so Henke. "Der Onlinehandel, aber auch die Corona-Pandemie wirken in den Innenstädten so stark nach, dass viele Innenstädte schon jetzt sehr ausgedünnt sind", teilt Henke mit. "Deshalb braucht es eine Belebung und ein Konjunkturprogramm durch effektive und schnelle Städtebauförderung, damit unsere Innenstädte wieder attraktiver werden."
Die Linke werde sich in den Haushaltsberatungen deshalb nicht für Kürzungen, sondern für mehr Geld für den Städtebau einsetzen. Henke erklärt: "Wir teilen die Position der Wohnungswirtschaft und sehen existentielle Nöte bei einigen Wohnungsbaugenossenschaften im Land. Viele Wohnungsbaugenossenschaften werden von den laufenden Kosten für leerstehende Wohnungen erdrückt. Die altersgerechte und barrierefreie Sanierung muss Priorität haben vor dem Abriss, um Kosten und Ressourcen zu sparen."
Bauministerin Hüskens will sich für Erhalt der Abriss-Förderung einsetzen
Das Ministerium für Infrastruktur und Digitales erklärte auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, die Einspareffekte durch die geplanten Kürzungen seien für den Haushalt 2025/2026 noch gering. Ab dem Haushaltsjahr 2026 sollen nach derzeitigem Stand neue Förderungen und Erstbewilligungen um 50 Prozent reduziert werden. Bis dahin bleibe alles, wie es ist. Im Jahr 2026 würden die Fördermittel zunächst "nur um einige 100.000 Euro" reduziert werden. Das habe mit der langen Verzögerung zwischen Bewilligung der Förderprojekte und der Auszahlung zu tun. Bis 2026 bereits bewilligte Projekte würden in jedem Fall ausgezahlt werden.
Jens Zillmann, Direktor des Verbandes der Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt, hatte im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT die Pläne der Landesregierung als "inakzeptabel" bezeichnet, vor allem auch mit Blick auf die geplanten Kürzungen bei der Abrissförderung.
"Seit Beginn der Abriss-Förderung im Rahmen des Stadtumbau Ost wurden in den vergangenen 20 Jahren fast 90.000 Wohneinheiten hierzulande zurückgebaut und damit vom Markt genommen", sagt Bauministerin Lydia Hüskens dazu. "Hier besteht zweifellos immer noch Handlungsbedarf. Deshalb unterstützen wir weiterhin ganz gezielt auch den Rückbau von nicht mehr benötigtem Wohnraum. Bei der laufenden Evaluierung der Programme werde ich mich dafür einsetzen, die Abriss-Förderung zu erhalten und dauerhaft in der Städtebauförderung zu belassen."
Fest steht wohl: Die geplanten Kürzungen beim Städteumbau dürften in den Haushaltsberatungen eine zentrale Rolle einnehmen.
MDR (Daniel George, Doreen Jonas, Susanne Ahrens), zuerst veröffentlicht am 20.10.2024
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell | 07. November 2024 | 06:54 Uhr
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Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft, dem sind diese Dinge schon vor 10 Jahren aufgefallen.
Genauso lange fragt man sich warum die vielen Flüchtlinge seit 2015 einen solchen Druck auf den Wohnungsmarkt ausüben können und dennoch 10.000 Wohngen leer stehen.
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Thomas S. vor 7 Wochen
Was bleibt hängen? Politiker beschweren sich über die Auswirkung politischer Entscheidungen. Es muss doch selbst für die, die einen weitestreichenden Sozialstaat toll finden absehbar gewesen sein, dass bei Erhöhung einer Ausgabe eine andere zu kürzen ist?! Und jedem Wärmewendefan musste klar sein, dass immense Bauvorschriften der Mietpreis verdreifachen?! Kann denn keiner rechnen?