Die Spitzenkandidaten der sechs großen Parteien zur Landtagswahl, von links nach rechts: Eva von Angern (Die Linke), Cornelia Lüddemann (Grüne), Katja Pähle (SPD), Reiner Haseloff (CDU), Lydia Hüskens (FDP), Oliver Kirchner (AfD)
Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs großen Parteien zur Landtagswahl Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

#LTWLSA-Landtagswahl-Update | Freitag, 12. März 2021 Fernseher an, Sonntag beginnt das Superwahljahr

12. März 2021, 19:00 Uhr

In Ausgabe 9 unseres Updates zur Landtagswahl: die "Stimme des Ostens", Giftschlamm im Harz, Lehrermangel im ganzen Land, (mehr) Frauen im Landtag und Hoffnung für kleine Parteien.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Guten Abend liebe Politikinteressierte,

Am Sonntag zündet die erste Stufe der Rakete namens Superwahljahr: Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wählen ihre Landtage. Die Kollegen und Kolleginnen in der ARD werden dann live berichten.

Ob beide Wahlen sich als Ballast oder neuer Antrieb für Sachsen-Anhalts Parteien entpuppen, bleibt abzuwarten. Die politische Verbindung nach Südwesten ist nicht die allerengste und die Vorzeichen sind eher umgekehrt: In Baden-Württemberg lag Titelverteidiger Winfried Kretschmann in den Umfragen zuletzt vorn, in Rheinland-Pfalz geht Malu Dreyer nach 30 Jahren SPD-Herrschaft ohne viel Polster in den Schlusssprint.

Wahlgewinner könnten FDP (landen in Baden-Württemberg womöglich vor AfD und SPD) und Freie Wähler (kratzen in Rheinland-Pfalz an der Fünf-Prozent-Hürde) werden. Aber, ich bin keine Orakel-Krake und Sie wollen ja wissen, was in der Landespolitik Sachsen-Anhalts los ist.

Befassen wir uns also mit der "Stimme des Ostens", der Gleichberechtigung im Landtag, Giftschlamm im Harz, aufgebrachten Feuerwehrleuten und hoffnungsvollen Kleinparteien. Schön, dass Sie wieder dabei sind.

Die Woche kompakt

  • Die Corona-Impfspritze sitzt derzeit nicht allzu locker im Land. War Sachsen-Anhalt anfangs noch unter den Top drei beim Impffortschritt, haben mittlerweile alle 15 anderen Bundesländer mehr Dosen pro 100.000 Einwohner verabreicht. Bei den vollständig Geimpften und den Erstgeimpften liegt das Land jeweils auf dem vorletzten Platz. Freitagmorgen gab es dazu eine aktuelle Debatte im Landtag. Diese können Sie auf der Website des Landtags nachschauen. Die Nachfrage nach einer schnellen Impfung derweil wächst von Tag zu Tag. Die "Mitteldeutsche Zeitung" (€) berichtet etwa über einen Brief des Landesfeuerwehrverbands an den Ministerpräsidenten. Entschieden fordert man darin, die immerhin 32.000 Verbandsmitglieder bei der Impfung vorzuziehen – und so etwa mit Polizistinnen und Polizisten gleichzustellen. Andernfalls erwäge man einen Gang zur Staatsanwaltschaft, sollten die ungeimpften Einsatzkräfte für Rettungsfahrten und Löscheinsätze nicht mehr zur Verfügung stehen. Aus der Politik hieß es dazu: Wir schauen uns das an, es gilt aber die Bundesimpfverordnung.
  • Morsleben, Brüchau, Bitterfeld-Wolfen: Wir Menschen haben der Natur in Sachsen-Anhalt nicht nur Gutes getan. "Radio Brocken" hat in dieser Woche das nächste Umweltproblem aufgedeckt.Aus zwei alten Bergbauschächten im Harz entweicht bisweilen giftiger Schlamm. Bisherige Maßnahmen reichen nicht aus, jetzt hat das SPD-geführte Wirtschaftsministerium 5,7 Millionen Euro für die Sanierung beantragt. Mein Kollege Heiko Kunzmann war für Sie vor Ort.
  • Korruptionsverdacht im Bundestag. Mehrere Abgeordnete der Union sind in den letzten Tagen zurückgetreten, weil Sie sich persönlich an der Vermittlung dringend benötigter Atemschutzmasken bereichert haben sollen. Die Fraktion machte zudem Druck auf den Rest. Die neun CDU-Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt erklärten am Donnerstag öffentlich: Wir sind sauber. Damit bleibt der einzige fragwürdige Maskendeal mit Sachsen-Anhalter Beteiligung vorerst ein Großeinkauf des landeseigenen Universitätsklinikums Magdeburg. Wie MDR-Recherchen letzte Woche aufgedeckt hatten, erhielt den Auftrag für mutmaßlich mehrere Hunderttausend Euro nämlich eine junge Firma, deren Miteigentümer und Geschäftsführer der Sohn des Ärztlichen Direktors ist. Die Vergabe lief rechtlich einwandfrei, sagt das Klinikum. Eva von Angern (Die Linke) forderte in der "Volksstimme" (nur im Print) dennoch Aufklärung.
  • Es mangelt weiter an jungen Lehrerinnen und Lehrern im Land. Der Lehrermangel ist dabei auch ein Absolventenmangel. Wie die "Volksstimme" berichtet, haben in Sachsen-Anhalt zuletzt weniger Lehramtsstudierende ihr Studium erfolgreich beendet als noch vor vier Jahren. Aus dem Wissenschaftsministerium heißt es dazu: Nachholbedarf? Gibt es in der Tat. Reformbedarf? Besteht keiner. Die jetzt vorliegenden Zahlen seien zudem nicht belastbar. Das Thema "Lehrermangel" wird uns im weiteren Wahlkampf sicherlich noch mehrfach beschäftigen. Um den Mangel an vermitteltem Wissen ging es zunächst aber am Donnerstag im Landtag. Mein Kollege Hagen Tober hat die Debatte verfolgt und mit einer Mutter und einem Nachhilfelehrer über die corona-bedingten Lernrückstände bei den Schülerinnen und Schülern gesprochen.
  • Der Stimmzettel, den Sie am 6. Juni in den Händen halten werden, wird sich wohl wieder mehrfach ausklappen lassen. Die Koalitionsfraktionen und die Linksfraktion haben nämlich die Hürden für kleine Parteien gesenkt, um an der Landtagswahl teilnehmen zu können. Freie Wähler, Piraten oder die neu gegründete Klimaliste müssen mit sogenannten Unterstützungsunterschriften nachweisen, dass sie einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung genießen. In der Corona-Pandemie lassen sich diese aber nur schwer sammeln. Statt 1.000 braucht es deshalb jetzt einmalig nur 300 davon. Neben den sechs großen Parteien wollen aktuell 14 weitere antreten. Ich habe sie gefragt, wie viele Unterschriften sie bereits haben. Das Ergebnis: Nur eine Partei ist bereits sicher über der 300.

Nun habe ich eine Quizfrage für Sie: Wissen Sie wofür der englische Begriff "range hood" steht?

Damit ist eine Dunstabzugshaube gemeint. Das war das einzige, was dem CDU-Landtagsabgeordneten Guido Heuer zur Kandidatur von Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) einfiel. Die passende Übersetzung lautet wohl: "Zurück an den Herd". Womit wir beim nächsten Thema wären.

Das Zitat der Woche

Man kann nicht 100 Prozent Abgeordnete und 100 Prozent Mutter sein.

Die Linke-Abgeordnete Kristin Heiß Interview mit dem MDR

Dass es Frauen in der Politik noch immer schwerer haben als Männer – Bundeskanzlerin hin oder her – ist hoffentlich bekannt. Dass es in Sachsen-Anhalt besonders schlimm ist, vielleicht nicht unbedingt. Dabei hat kein Landtag (und auch nicht der Bundestag) eine derart niedrige Quote an Frauen unter den Abgeordneten wie das Parlament in Magdeburg. Gerade mal ein Fünftel sind es hier.

Meine Kollegin Marie Landes und mein Kollege Luca Deutschländer haben dazu recherchiert, haben versucht, mit Politikerinnen aller Parteien zu sprechen und nachgeschaut, wo im Juni Kandidatinnen antreten – und wo nicht. Ich empfehle jedem und jeder einen Blick. Ganz unabhängig von Parteibuch (und Ausstattung der heimischen Küche).

In einer Umfrage haben sich die weiblichen Abgeordneten auch mehrheitlich für eine gesetzliche Regelung ausgesprochen, um mehr Frauen in den Landtag zu bringen. Die Abgeordneten von CDU und AfD nahmen allerdings nicht an der Umfrage teil. Sonst wäre das Ergebnis vielleicht anders ausgefallen. Apropos.

Die Frage der Woche

Ihnen haben wir in dieser Woche eine ähnliche Frage gestellt. Sie lautete: "Sollten die Parteien in Sachsen-Anhalt Männer und Frauen zu gleichen Anteilen als Kandidierende zur Landtagswahl aufstellen?" Die Befragung erfolgte wie immer in Zusammenarbeit von MDRfragt – das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland und MDR SACHSEN-ANHALT. Das Ergebnis allerdings muss als Unentschieden gewertet werden.

45 Prozent der über 6.000 Teilnehmenden würden es begrüßen, wenn alle Parteien mit paritätischen Listen antreten würden. Damit gibt es keine Mehrheit für diese Idee. Aber auch jene, die solche Listen ablehnen, haben keine Mehrheit. Sie machten 41 Prozent aller Teilnehmenden aus. Wenn Sie schnell im Kopfrechnen sind, wissen Sie jetzt auch: Satte 14 Prozent konnten sich für keine der beiden Positionen entscheiden; der mit Abstand höchste Wert bei einer "Frage der Woche" bislang. Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, aber gewichtet.

Ein Blick darauf, wie die Geschlechter die Frage beantwortet haben, ergibt ein nur bedingt klareres Bild. Unter den teilnehmenden Frauen befürworten zwar immerhin die Hälfte (50 Prozent) solche Listen, rund ein Drittel (31 Prozent) lehnen sie aber auch ab. Bei den teilnehmenden Männern ist wiederum eine Hälfte (50 Prozent) gegen diese Idee, während zwei von fünf Teilnehmern (39 Prozent) sie unterstützen würden.

Fast 1.700 Frauen und Männer haben bei der Befragung die Chance genutzt, ihr Abstimmungsverhalten mit einem Kommentar zu begründen. Ich habe Ihnen nachfolgend einmal sechs Kommentare ausgewählt, die stellvertretend für die Debatte stehen.

Ich als Frau bin der Meinung, dass Frauen keine Sonderrechte erhalten sollten. Sofern Frauen bestimmte Positionen in Politik und Wirtschaft erreichen wollen, wird dies auch ohne Quotenregelung gehen.

Teilnehmerin, *1952, Halle (Saale)

Es ist letztendlich entscheidend, ob eine Quotenregelung überhaupt machbar ist. Sofern es genügend potentiell interessierte Frauen und/oder Männer gibt, ist eine Quote sinnvoll und richtig.

Teilnehmer, *1969, Burgenlandkreis

Wer nimmt eine Quotenfrau oder einen Quotenmann denn ernst? Wer auf die Liste möchte und das Zeug dazu hat, soll es machen. Aber nur wegen der Gleichbehandlung? Diese Leute wären stigmatisiert.

Teilnehmer, *1977, Dessau-Roßlau

Warum sollen nur Männer die Macht haben? Dass Frauen es gut können, beweist unsere Kanzlerin täglich.

Teilnehmerin, *1969, Halle (Saale)

Die CDU-Fraktion mit ihrer rein männlich besetzten Arbeitsgruppe 'Recht, Verfassung und Gleichstellung' macht sehr gut vor, wie Gleichberechtigung in Deutschland auf freiwilliger Basis nicht funktioniert.

Teilnehmerin, *1980, Halle (Saale)

Ein Kommentar war allerdings besonders oft zu lesen:

Mir ist die jeweilige Kompetenz wichtiger als das Geschlecht.

Teilnehmerin, *1983, Stendal

Wenn Sie mir dazu eine abschließende Bemerkung gestatten: Ich habe mir auch die Listen der Parteien angeguckt und kann beim besten Willen nicht feststellen, dass die Frauen, die antreten, schlechter vorbereitet wären auf den Landtag als die Männer. Da liegt viel Erfahrung vor aus dem Berufsleben, der Wissenschaft und vor allem der Kommunalpolitik. Und am Ende haben eh Sie die Wahl, liebe Politikinteressierte. Die Parteien haben ihre Angebote (zumindest personell) gemacht.

Und nun möchte ich Sie noch einmal an das Jahr 2011 erinnern. Was war geschehen? Im japanischen Kernkraftwerk Fukushima schmelzen nach einem Erdbeben mehrere Reaktorkerne, in Ägypten wird der Diktator Husni Mubarak gestürzt und im schönen Sachsen-Anhalt kommt ein gewisser Reiner Haseloff an die Macht.

Die Geschichte der Woche

Kein Ministerpräsident hat das Land so lange regiert wie der neuerliche CDU-Spitzenkandidat Haseloff. Die Geschichte der Woche ist deshalb eher die "Geschichtsstunde der Woche". Mein Kollege Uli Wittstock hat einmal auf die "Haseloff-Jahre" geblickt, sowohl allein als auch im ausführlichen Interview mit Haseloff selbst. Es geht um die vielen, vielen Krisen (der Sparzwang im Land, die Flut, der Kampf um die Unterbringung von Geflüchteten, das Regieren in einer Koalition den Grünen, Corona), aber auch darum, wie sich der Blick des Ministerpräsidenten auf die Politik verändert hat.

Wittstock erkennt in dem Regierungschef zudem eine "Stimme des Ostens" – ein Titel, um den sich der Ministerpräsident spätestens in den letzten zwei Jahren mit mehreren launigen TV-Auftritten redlich bemüht hat. Schachtelsatz-Spezi Haseloff dann auch mit einigen klaren Worten: "Das normale Leben ist die beste Schule für einen Politiker."

Wenngleich der Umgang mit der Corona-Pandemie das derzeit dominierende Thema ist, so erlaubt der Themenschwerpunkt des Kollegen zumindest einmal den Blick in die Breite. Die Gegner Oliver Kirchner (AfD) und Eva von Angern (Die Linke) laufen sich derweil im Landtag warm.

Ah, bevor Sie fragen: Wolfgang Böhmer und Reinhard Höppner haben wie Haseloff ebenfalls zwei Amtszeiten regiert. Eine Legislatur wurde aber erst 2006 von vier auf fünf Jahre ausgedehnt.

Zum Schluss

Und noch einen aktuellen MDR-Schwerpunkt möchte ich Ihnen ans Herz legen. Fünf Kolleginnen und Kollegen von mir haben mit fünf Menschen in Sachsen-Anhalt über ein Jahr Corona-Pandemie gesprochen. Wie hat das Virus ihr Leben verändert? Wie schöpfen sie neue Kraft? Was treibt sie um? Unter anderem geben eine Apothekerin, eine ehemals an Covid-19 Erkrankte und die Leiterin eines Jugendclubs einen Einblick in die letzten Monate.

Und nun die Lotto-Zahlen. 20.000. 30. 86.

Mehr als 20.000 Ehrenamtliche suchen die Kommunen gerade als Wahlhelfende für die Landtagswahl. "Wir brauchen Menschen, die bereit sind, unser demokratisches Gemeinwesen zu unterstützen", appellierte deshalb am Freitag Landeswahlleiterin Christa Dieckmann.

30 Euro statt wie bislang 21 Euro gibt es dafür als Erfrischungsgeld. Zu den Aufgaben der Teams gehört dieses Mal neben dem Austeilen der Stimmzettel und Auszählen derselben auch das Überwachen der Hygieniestandards. Für deren Umsetzung gibt das Land den Kommunen weitere Euro.

86 Tage müssen wir uns noch bis zur Wahl gedulden. Dann sehen wir, wer die Gewinner und wer die Verlierer sind.

Bleiben Sie bis dahin frisch und hoffentlich gesund
Thomas Vorreyer

Mehr zum Thema

Die Spitzenkandidaten der sechs großen Parteien zur Landtagswahl, von links nach rechts: Eva von Angern (Die Linke), Cornelia Lüddemann (Grüne), Katja Pähle (SPD), Reiner Haseloff (CDU), Lydia Hüskens (FDP), Oliver Kirchner (AfD)
Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs großen Parteien zur Landtagswahl Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 12. März 2021 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

Torsten W am 14.03.2021

...um mich von politisch unausgewogenen Links/Grünen Kommentatoren belehren zu lassen???

Mehr zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt