Medizin-Studierende bei Feierstunde in Halberstadt
Medizin-Studierende bei einer Feierstunde in Halberstadt Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Gegen Ärztemangel Leichter Zugang: Krankenhausbetreiber baut neuen Medizin-Studiengang auf

29. Februar 2024, 05:03 Uhr

Dass es mehr Studienplätze für Mediziner braucht, das ist eine gesundheitspolitische Binsenweisheit. Ärztevertreter fordern seit Jahren, mehr Plätze zu schaffen. Das Bundesgesundheitsministerium auch. Offensichtlich ohne durchschlagenden Erfolg. Und so hilft sich die Branche selbst. Die Kassenzahnärzte bieten ein Stipendium in Ungarn an. Und der Krankenhausbetreiber Ameos hat mit einer Universität aus Kroatien einen eigenen Studiengang aufgebaut.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

Empathie, Zugewandheit zu Patientinnen und Patienten, einen hohen Wissensstand in der Medizin und Teamfähigkeit, das alles braucht es, für den Medizinerberuf, stellt Prof. Dr. Klaus Begall fest. "Also die Einzelkämpfer in der Medizin heute sind eigentlich nicht mehr so gefragt." Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Praxis. Seit Jahrzehnten arbeitet Klaus Begall als Mediziner. Und sein Wissen gibt der ärztliche Direktor des Klinikums Halberstadt weiter.

Ameos Klinikum St. Salvator Halberstadt
Auch am Ameos-Klinikum Halberstadt findet die praktische Ausbidung der Medizin-Studierenden statt. Bildrechte: imago/Olaf Wagner

An die ersten der 37 Medizin-Studierenden, die jetzt den praktischen, den klinischen Teil ihrer Ausbildung in Halberstadt beginnen. Hinter ihnen liegen zweieinhalb Jahre vorklinisches Studium an der staatlichen Universität im kroatischen Osijek. Anatomie, Biologie, Physik und Chemie standen auf dem Studienplan. Mit einer Feierstunde beginnt für sie ein neuer Abschnitt in Sachsen-Anhalt.

Der Studiengang ist EU-akkreditiert, also ein ganz normaler Medizin-Studiengang. Was die Ausbildung von anderen unterscheidet, ist die Organisation: Die Medizin-Ausbildung ist ein gemeinsames Projekt einer staatlichen kroatischen Universität und des Krankenhauskonzerns Ameos — und eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel in den Kliniken.

Zu wenige Studienplätze für Mediziner

"Wenn man sich vor Augen führt, dass bei der deutschen Vereinigung etwa 10.000 Medizinstudienplätze aus dem Westen und 8.000 Medizinstudienplätze aus dem Osten zusammenkamen, dann waren das rechnerisch damals 18.000", rechnet Axel Paeger vor.

Er ist Vorstandsvorsitzender des Krankenhausbetreibers Ameos. 11.000 Studienplätze deutschlandweit würden nicht reichen, um den Ärztenachwuchs zu sichern.

Ameos-Vorstand Axel Paeger
Ameos-Vorstand Axel Paeger bei der Festveranstaltung in Halberstadt. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

"Wir denken, wir müssen da unseren bescheidenen kleinen Beitrag leisten, damit wir auch zukünftig die Menschen ärztlich versorgen zu können", so Vorstandsvorsitzender Paeger. Nach eigenen Angaben investiert Ameos pro Jahr bis zu 30 Millionen Euro in Aus-, Fort- und Weiterbildung.

NC-freier Studiengang

Der Studiengang bietet Plätze für bis zu 180 Studierende. Was auffällt: Der Krankenhausbetreiber arbeitet in diesem Studiengang nicht mit einer hiesigen Hochschule zusammen. Und das, obwohl zahlreiche Häuser des Klinikbetreibers ohnehin akademische Lehrkrankenhäuser sind – also angehende Ärztinnen und Ärzte dort lernen.

Es habe keine deutsche Fakultät gegeben, die mitgemacht hätte. "Deswegen mussten wir uns auf die Suche begeben im gesamten EU-Raum und sind eben bei der medizinischen Fakultät in Ossijek einer sehr innovativen Fakultät fündig geworden", sagt Axel Paeger. Sieben Jahre hat der Aufbau des Studiengangs bis jetzt gebraucht.

Der Studiengang hat übrigens keine Zugangsbeschränkung. Es gibt – nicht wie bei anderen Studiengängen üblich, einen Numerus Clausus. "Wir haben natürlich auch ein Auswahlverfahren, aber es ist ein stärker individualisiertes Auswahlverfahren. Das heißt, Fähigkeiten und Motivationen werden dort individuell bewertet", sagt Axel Paeger.

Das sagen die Studierenden

Und das ist auch ein Argument für die Studierenden. Maximilian Otto hat ein Freiwilliges soziales Jahr im Rettungsdienst gemacht - da habe sich der Wunsch gefestigt, auch wirklich Medizin zu studieren. "Bei mir hat es leider nicht für einen Medizinstudienplatz in Deutschland gereicht, trotz eben diesem freiwilligen sozialen Jahr und dem Medizinertest und deswegen musste ich mich nach einem anderen Studium umgucken." Er haben nicht ewig lang warten wollen.

Medizin-Student Maximilian Otto
Medizin-Student Maximilian Otto wollte nicht lange auf einen Studienplatz warten. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

"Das wäre mein Zweitstudium und da ist es ein bisschen schwieriger reinzukommen", stellt Franciska Ćurčić fest. Dann habe sich sich das Studium im Ausland gut angeboten.

Medizin-Studentin Franciska Ćurčić
Für Franciska Ćurčić ist das Medizinstudium schon das zweite Studium. Bildrechte: MDR/Tom Gräbe

Beide können sich vorstellen, nach dem Studium hier zu bleiben. Nach ihrem Abschluss sollen sie Facharzt-Ausbildungen angeboten bekommen, sagt einer der Redner bei der Festveranstaltung zum Beginn des neuen Studienabschnitts.

Praxis bei Ameos

Und für die Studierenden beginnt jetzt eine intensive Zeit: In den Ameos-Krankenhäusern in Sachsen-Anhalt. Sie werden Visiten mitmachen, Untersuchungen praktisch kennenlernen. Immer in Begleitung von Fachärztinnen und Fachärzten. "Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, man weiß erst den Beruf zu schätzen oder die Berufswahl zu schätzen, wenn man am Patienten selber tätig war", sagt Klaus Begall. Und Halberstadt hat jetzt einen Medizin-Campus – und ist Außenstelle einer kroatischen Universität.

MDR (Tom Gräbe)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 27. Februar 2024 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

Wagner vor 9 Wochen

Eine gute Sache.Natürlich müssen die Fähigkeiten eingeschätzt werden -darüber würde man gerne mehr wissen.Wie läuft das ab.Und mE fehlen im Artikel Angaben über die Finanzierung des Studiums.
Für die Zukunft wird es warscheinlich so sein,dass sich die privaten Konzerne ihren Nachwuchs selbst schaffen auf der Basis von Vorfinanzieren und Abarbeiten.

Mehr aus dem Harz

Mehr aus Sachsen-Anhalt

MDR-Reporterin Sabrina Bramowski im Gespräch mit ehemaligen FCM-Spielern 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK