Sozialhilfe Steigender Bedarf nach Beratungen bei Wohngeld und Bürgergeld
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04. August 2023, 05:00 Uhr
Formulare, Post vom Jobcenter oder Anträge auf Wohngeld: Damit fühlen sich viele Menschen überfordert, die dringend auf die soziale Hilfe angewiesen sind. In Thale helfen Sozialberater beim Ausfüllen – wie auch in vielen anderen Städten und Gemeinden. Seit der Energiekrise wächst der Bedarf.
Bürgergeld, Wohngeld oder Arbeitslosengeld – soziale Hilfe muss immer beantragt werden und ist mit vielen Formularen verbunden. Das bedeutet: Bürokratie, Behördengänge und reichlich Fragen. Viele Menschen suchen sich dabei Hilfe. Die Anfragen nach Beratungen im Sozialzentrum Bode in Thale im Harz häufen sich und die meisten Leistungsbezieher kommen immer wieder.
"Ich möchte, dass Sie mal drüber gucken und ausrechnen, ob das auch so ist", sagt Ute Krüger. Sie ist eine von rund 200 Betroffenen, die jede Woche zur Beratung kommen. In der Hand hält Krüger einen Brief vom Jobcenter. Ihr Sohn ist ausgezogen und arbeitet. Für die Familie hat sich so die Berechnungsgrundlage für Leistungen wie etwa das Wohngeld geändert.
Weil, es steigt ja gar keiner mehr durch.
"Aber der Sohn, der ausgezogen ist, ist nicht mehr hier mit drauf?", fragt Beraterin Christel Vogel und beugt sich über das Schreiben. "Nein, ist er nicht mehr", antwortet Krüger. Aber die 51-Jährige will wissen, ob mit der Berechnung alles stimmt. Immer wenn sie Post bekommt, geht sie zur Beratung. "Weil, es steigt ja gar keiner mehr durch."
Bürgergeld sollte alles vereinfachen
Das Bürgergeld ersetzt seit Anfang dieses Jahres Hartz IV. Damit sollte nicht nur mehr Geld fließen, sondern sich auch Anträge vereinfachen und weniger Post vom Amt kommen. Doch aus der Sicht von Krüger sei alles komplizierter geworden. Ihr Mann und ihr Sohn beziehen kein Bürgergeld. "Aber die beiden könnten dann Wohngeld beantragen", erklärt Beraterin Voigt.
Das würde der kleinen Familie helfen. Doch dafür müssen zehn Seiten Antragsformular ausgefüllt, sowie auch Bank- und Versicherungsunterlagen eingeholt werden. "Dann nehme ich den Antrag mit und fülle den soweit aus", sagt Krüger zum Abschluss des Termins. Bei Fragen will sie anrufen und zur abschließenden Prüfung der Unterlagen, erneut zur Beratung gehen.
Krisen machen Anliegen der Hilfesuchenden dringender
Das Sozialzentrum ist ein eingetragener Verein und wird von Cornelia Braune geleitet. Durch die Energiekrise seien die Anliegen der Hilfesuchenden dringender geworden. "Es gab eben auch schon drohende Überschuldung oder Räumungsklagen und auch schon drohende Gas- und Elektroabschaltungen", sagt die Leiterin.
Immerhin hat sie nach langer Überzeugungsarbeit zwei neue Mitarbeiter einstellen können und zusätzlich nach über fünf Jahren Ruhestand eine frühere Kollegin – Sigrid Körner – ins Büro zurückgeholt. "Also es geht nicht so einfach, dass man sagt, wir stellen neue Leute ein", erklärt Braune. Alles sei eine Frage der Finanzierung.
Der Verein lebt von Spenden, kommunalen Zuschüssen sowie Landesmitteln. Für mehr Geld "waren wir schon seit vielen Monaten im Gespräch auf Landkreisebene und mit der Stadt Thale, mit der Kommune", so die Leiterin. Mit mehr Personal sind auch mehr Beratungen möglich – und das hat sich offenbar schnell rumgesprochen. Denn insbesondere beim Wohngeld hätten zuletzt bis zu dreimal so viele Menschen die Beratung aufgesucht.
Wohngeld dank Unterstützung durch Berater
Die Beratungen sind für jeden kostenlos – und nicht begrenzt. Michael Stegmann ist vor Kurzem nur ins Sozialzentrum und zu Beraterin Sigrid Körner gekommen, um sich zu bedanken. Ihm wurde im zweiten Anlauf Wohngeld bewilligt.
Der Rentner hat eine schwierige Zeit hinter sich. "Meine Frau ist seit fünf Jahren dement und bis voriges Jahr im Juni habe ich sie selber gepflegt und dann hatte ich einen Schlaganfall", sagt Stegmann. Daraufhin sei seine Frau in ein Pflegeheim gekommen, welches die Tochter betreibt. Die Rente und das Pflegegeld der Frau fließen nun in die Heimbetreuung. Die Miete von 570 Euro muss Stegmann nun allein tragen.
Hinzu kommen zusätzliche Benzinkosten, damit er seine Frau in Braunschweig regelmäßig besuchen kann. Durch die Energiekrise hatte sich dann auch noch der Gaspreis erhöht. "Jetzt habe ich nur noch die Stube geheizt", sagt der Rentner. Nur im Bad habe er noch kurz die Heizung aufgedreht, bevor er duschen gehen wollte. "Ansonsten war grundsätzlich alles aus."
In seiner Verzweiflung bat Stegmann den Vermieter um eine Mietminderung. Doch dieser lehnte ab. "Da denkt man sich, da hat man 47 oder 48 Jahre gearbeitet für nichts und wieder nichts", sagt er. Der Rentner ist offenbar sauer. Immerhin: Der gelernte Elektromonteur bekommt jetzt knapp 180 Euro Wohngeld und kann so seine Rente von 1.200 Euro etwas aufstocken.
Viel Zeit, hoher Aufwand
Als Ute Krüger vor über zehn Jahren arbeitslos wurde, begann sie ehrenamtlich in einer Jugendeinrichtung bei der Kinderbetreuung zu helfen. Sie ist gelernte Köchin. Doch wegen einer Erkrankung kann sie diesen Beruf nicht mehr ausüben und nur noch leichte Tätigkeiten übernehmen. Nebenbei kümmert sie sich um ihren Mann, der lange an Krebs erkrankt war.
Sie hat nun erneut einen Termin im Sozialzentrum und hofft, dass sie endlich alle Unterlagen für den Wohngeldantrag zusammen hat: "Mietvertrag, Mietbescheinigung, Kontoauszüge der letzten drei Monate von meinem Mann und von meinem Sohn", berichtet Krüger. Hinzu kommen: "Versicherungen, mein Kontoauszug, wo das Kindergeld draufsteht, der Lehrvertrag von meinem Sohn."
Da braucht man schon eine gewisse Zeit dazu, um das zu machen und das ist aufwendig.
Das Ausfüllen des zehnseitigen Antrags plus das Kopieren aller notwendigen Unterlagen dauert allein an diesem Tag fast eine Stunde. "Da braucht man schon eine gewisse Zeit dazu, um das zu machen und das ist aufwendig", erklärt Beraterin Sigrid Körner. "Es ist verrückt. So viele Anträge ausfüllen, beweisen, damit man ein bisschen Mietzuschuss bekommt."
Die Leiterin des Sozialzentrums hat auch deshalb einen Wunsch: "Das vor allem auch von der Politik gesehen wird, welche Leistung dahintersteht und so diese soziale Beratung auch weiter zu fördern", sagt Braune.
Quelle: mpö
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 26. Juli 2023 | 20:15 Uhr
Chris Casablanca am 04.08.2023
Bald hat es die Regierung geschafft, so ziemlich alle Bürger in eine staatliche alimentierte Abhängigkeit zu bringen. Solche Bürger sind dann dankbare Bürger und diese Abhängigkeit verstetigt sich. Bürgergeld für alle !
astrodon am 04.08.2023
@Ikse: Das hilft nichts: Wer es könnte braucht es nicht - und wer es braucht kann es oft nicht.
Ilse am 04.08.2023
Chris Casablanca
Am Besten wissen die das, die von der Politik selber leben.