Platt-AG Grundschule Schlanstedt
An der Grundschule in Schlanstedt lernen die Kinder Plattdeutsch. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Welttag der Muttersprache De lüttchen Braukütschen: Plattdeutsch an der Grundschule in Schlanstedt

21. Februar 2024, 15:09 Uhr

Acht Platt-AGs gibt es derzeit an Grundschulen in Sachsen-Anhalt, eine davon an der Grundschule in Schlanstedt. Dort vermittelt Rentner Harry Hildebrand den jungen Menschen den niederdeutschen Dialekt.

Nach einem herzlichen "Guen Dach ok" wird es mucksmäuschenstill, als die kleine Enna eine Strophe auf Platt vorliest: "Op'm Dörpe fung forr jedermann, Dat Leb'n mit twei Spraken aan. Dat Hochdütsch, dat war forr de Stadt, Tau Huuse bruke man bloß Platt."

"Wunderbar", lobt sie Harry Hildebrandt, der die Platt AG an der Grundschule Schlanstedt leitet. Immer dienstags treffen sich die Mädchen und Jungen, um das Platt ihrer Heimat zu erlernen. "Ich habe das damals mit der Muttermilch mitbekommen", sagt der 68-jährige Rentner. Doch heute sei das nicht mehr so. Umso eifriger vermittele er den Kindern die heimatliche Platt-Tradition. Und das auf spielerische Art und Weise, damit die "Kleenen" buchstäblich auf den Geschmack kommen.

Mit Gummibärchen Plattdeutsch lernen

Jedes der elf Kinder bekommt eine Tüte Gummibärchen. Und wer davon nasche, so die Aufgabe, solle anschließend sprachlich mit Zahlen jonglieren. Sidney aus der 2. Klasse rechnet vor: "Ich habe dreie aufgegessen, also habe ich noch sebbene." Und als Harry etwas von einer "Langsamkruuperin" erzählt, weiß Amelie sofort, dass damit nur eine "langsame Kriecherin", also eine Schnecke gemeint sein kann.

Platt-AG Grundschule Schlanstedt
Rentner Harry Hildebrandt leitet die Platt-AG an der Grundschule in Schlanstedt. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Platt sprechen ist das eine, Platt schreiben das andere. "Irgendwie ungewohnt", meint Emilia, als sie ganz konzentriert "De lüttchen Braukütschen" an die Tafel schreibt. Und genau das sind die Knirpse der Platt AG. Oder besser gesagt, so nennen sie sich. Denn Schlanstedt liegt am Großen Bruch, ein Sumpf-Biotop, das sich von Oschersleben bis nach Niedersachsen erstreckt. "Brauk steht für Bruch. Und weil wir hier viele Frösche haben, also Ütschen, nennen sich die Kinder Braukütschen", schlägt Harry Hildebrandt neben dem Platt eine weitere heimatverbundene Brücke.

Sprachliche Identität der Heimat

Eine vorgeschriebene Rechtschreibung gelte für Platt nicht, erklärt Harry Hildebrandt. "Da muss keiner Angst haben, vielleicht falsch zu schreiben." Es gebe aber auch keine großen Erkenntnisse darüber, dass im Diktat in hochdeutscher Sprache plötzlich Fehler gemacht würden.

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Das in und um Schlanstedt gesprochene Harzer Platt ähnelt dem Börde-Platt oder auch dem Platt in der Altmark. Diese Sprache "wollen wir als Kulturgut bewahren", sagt Hildebrandt. Es gehe ihm dabei um vielmehr, als sich nur zu unterhalten. Platt ist die "sprachliche Identität mit unserer Heimat".

Acht weitere Platt-AGs in Sachsen-Anhalt

Wohl aus diesem Grund ist die Platt AG an der Grundschule Schlanstedt nicht die einzige hierzulande. Kleine Kinder lernen beispielsweise auch in Wegeleben Platt – auch dort nicht als offizielles Schulfach, sondern ebenfalls in einer AG. Den Fortbestand der niederdeutschen Regionalsprache hat sich jüngst der Landesheimatbund auf die Fahnen geschrieben.

Von den insgesamt acht Platt-AGs an Grundschulen kommen demnach fünf in Altmark, Börde und Harz in den Genuss finanzieller und ideeller Förderung. "Die Landesregierung fühlt sich dem Erhalt und der Pflege des Niederdeutschen als einzigartigen Bestandteil unseres kulturellen Erbes verpflichtet", begründet Rainer Robra, Minister für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, die Platt-Offensive.

Im Übrigen stehe die Regionalsprache Niederdeutsch in Deutschland seit 25 Jahren unter dem besonderen Schutz der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheiten-Sprachen, so der Landesheimatbund.

Wunsch nach Wettbewerben für Plattdeutsch

Zurück in der Platt AG an der Grundschule Schlanstedt, oder "Slanstidde", wie es zusätzlich auf den Ortseingangsschildern steht. Wie aus der Pistole geschossen, zählt Enna von eins bis zehn, auf Platt natürlich. Und für "De lüttchen Braukütschen" wünscht sich Harry Hildebrandt eine etwas größere Bühne. "Was sie im Klassenzimmer in der AG lernen, sollten sie auch öffentlich präsentieren können", schmunzelt ihr ehrenamtlicher Lehrmeister. "Vielleicht Wettbewerbe als bester Plattdütsch-Spreeker oder als bester Plattdütsch-Vorleser". Wenn es dazu käme, wäre er platt.

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Dieses Thema im Programm: MDR um 2 | 21. Februar 2024 | 14:00 Uhr

1 Kommentar

steka vor 32 Wochen

Wie schön,daß die regionalen Eigenheiten, Sprachen wiederentdeckt werden.
Aber erstmal halte ich es für eine Pflicht der öffentlich rechtlichen Medien, auch dem MDR, das Hochdeutsche zu pflegen, denn daran orientieren sich auch die meisten Zugereisten.
Mit all dem Gender*quatsch und auch dem blödsinnigen Denglisch, also Wörter, die weder im englischen als auch deutschen Wörterbuch zu finden sind, ist es ein Bärendienst an einer Sprache. Was mit deutschen Wörtern eindeutig auszudrücken geht, sollte auch in deutsch ausgedrückt werden.

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