Besuch vor Ort Sachsens Innenminister in Bautzen: "Situation noch besorgniserregender als aus der Ferne"

29. Oktober 2022, 22:34 Uhr

Der Brandanschlag auf die geplante Asylunterkunft im Spreehotel Bautzen hat in Sachsen und Deutschland für Bestürzung gesorgt. Am Sonnabend hat Sachsens Innenminister Armin Schuster den Tatort besucht. Die örtliche SPD forderte unterdessen stärkere Maßnahmen zum Schutz von Geflüchteten. Der Bautzner Landrat Udo Witschas lehnt die Forderungen ab. Auch den Zutritt einer AfD-Protestgruppe zum Hotel verteidigt er.

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Nach dem Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Bautzen hat sich Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) am Sonnabendnachmittag ein Bild von der Lage vor Ort gemacht. "Jetzt sehe ich die Situation als noch besorgniserregender als aus der Ferne." Das Ziel der Täter sei gewesen, das ehemalige Hotel "komplett in Schutt und Asche zu legen", vermutete Schuster.

Der Innenminister sicherte zu, dass alles dafür getan werde, die Verantwortlichen zu finden. Diese gehörten "nicht zur Mitte unserer Gesellschaft". "Im Gegenteil: Dafür müssen sie büßen." Die Tat sei ein Versuch, die Sächsinnen und Sachsen in ein anderes Licht zu stellen. "Dagegen werden wir uns wehren", sagte Schuster.

Wir leben in einer Zeit, in der jeder mit Händen greifen kann, was Asylrecht bedeutet. Gar nicht weit von hier entfernt fliehen Menschen ganz real vor Krieg. In einer solchen Zeit Zuflucht zu verweigern, das ist nicht nur fremdenfeindlich, das ist menschenfeindlich.

Armin Schuster (CDU) sächsischer Innenminister

Flüchtlingsunterkünfte sollen stärker bewacht werden

Als Reaktion auf den Brandanschlag hat Schuster eine verstärkte Bewachung der Flüchtlingsunterkünfte angeordnet. Seit gestern fahre die Polizei an allen Flüchtlingseinrichtungen im Land regelmäßig Streife, sagte der Minister. Petric Kleine, der im Innenministerium das Referat "Kriminalitätsbekämpfung" leitet, wies darauf hin, dass auch bisher schon eine Streife regelmäßig am früheren Spreehotel vorbeigefahren sei. "Wir haben aber natürlich jetzt vor dem Hintergrund dieser Tat noch einmal nachgeschärft", sagte Kleine.

Polizei: Spurenlage am Tatort ist "sehr gut"

Der Chef des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums am Landeskriminalamt (PTAZ), Dirk Münster, machte Hoffnung, dass die Täter des Anschlags schnell gefasst werden könnten: "Normalerweise gehen bei einem Feuer viele Spuren verloren. In diesem Fall haben wir das Glück gehabt, dass Menschen, die sich in dem Objekt aufhielten, beherzt eingegriffen haben." Im Ergebnis habe man eine sehr gute Spurenlage vorgefunden. "Wir hoffen, dass uns das bei den weiteren Ermittlungen zu Hilfe kommen wird", sagte Münster.

Bautzner Landrat: Schaden kann kurzfristig behoben werden

Der Bautzner Landrat Udo Witschas (CDU) teilte im Gespräch mit MDR SACHSEN mit, dass der Schaden an der Unterkunft zwar so groß ist, dass am 3. November nicht wie geplant Geflüchtete einziehen können. Allerdings halte er es für möglich, dass zeitnah alles repariert werde.

Udo Witschas
Udo Witschas denkt, dass die Flüchtlingsunterkunft zeitnah wiederhergerichtet werden kann. Bildrechte: IMAGO / Steffen Unger

"Ich sehe es nicht als unrealistisch an, das in absehbarer Zeit in Ordnung zu bringen", sagte Witschas und fügte an: "Wenn diese Unterkunft nicht kurzfristig zur Verfügung stehen würde, hätten wir als Landkreis ein Problem." Der Landkreis befinde sich bei der Aufnahme Geflüchteter an der Belastungsgrenze, teilte der Landrat mit.

Wenn diese Unterkunft nicht kurzfristig zur Verfügung stehen würde, hätten wir als Landkreis ein Problem.

Udo Witschas (CDU) Landrat des Landkreises Bautzen

Wie hoch der Schaden in dem früheren Hotel genau ist, konnte Witschas noch nicht beziffern. Er stehe aber in regelmäßigem Kontakt mit dem Eigentümer. Dieser muss den Angaben zufolge auch die Kosten übernehmen, da der Landkreis das Gebäude erst ab dem 1. November angemietet hat. Betrieben werden soll es von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Laut Landratsamt sollen bis zu 200 Geflüchtete aus Syrien, Nordmazedonien, der Türkei, Afghanistan, Georgien und der Russischen Föderation einziehen.

Laut Bautzens Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU) ist derzeit noch starker Rauchgeruch im Gebäude. "Der Betreiber hat mir gesagt, dass umfangreiche Reinigungsarbeiten notwendig sind und vor allem Ruß herausgeschafft werden muss."

SPD fordert Bannmeile um Unterkünfte

Der Ortsverein der SPD forderte am Freitag, eine Bannmeile um die geplante Unterkunft zu ziehen. Der Ortsvorsitzende Eckart Riechmann sagte, ein Schaden sei nicht nur am Gebäude, sondern auch im Gefühl entstanden. "Wer soll sich jetzt noch in dem Haus sicher fühlen? Wir fordern das Landratsamt auf, um das Spreehotel und andere Gemeinschaftsunterkünfte eine Bannmeile zu ziehen, sodass vor Ort eine sichere Betreuung gewährleistet werden kann", so Riechmann.

Deswegen kann ich auch nicht glauben, dass diese Menschen, die hier verbrecherisch gehandelt haben, aus unser Heimat sein sollen. Das ist für mich unfassbar.

Bautzens Landrat Udo Witschas kann dieser Idee nicht viel abgewinnen. "Ich halte nichts davon, wenn man besondere Maßnahmen ergreift, um zu sagen: Damit kann ein Schutz geboten werden." Der Schutz sei immer so hoch, wie die Einstellung und Sichtweise der Bevölkerung zu den jeweiligen Dingen ist. "Deswegen kann ich auch nicht glauben, dass diese Menschen, die hier verbrecherisch gehandelt haben, aus unser Heimat sein sollen. Das ist für mich unfassbar."

OB und Landrat verteidigen Zutritt für AfD-Protest-Gruppe

Ähnlich wie Oberbürgermeister Karsten Vogt verteidigt Witschas auch, dass am vergangenen Dienstag während einer Bürgerversammlung AfD-Anhängern Zutritt zu dem früheren Hotel gewährt wurde. Die AfD-Gruppe hatte vor dem Gebäude gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft demonstriert.

"In diesem Haus gehen keine Geheimnisse vonstatten. Daher darf es auch jeder betrachten", so Witschas. Karsten Vogt sagte dazu: "Es geht darum, Vorurteile auszuräumen. Denn wenn man alles hinter verschlossenen Türen macht, braucht man sich nicht wundern, wenn die Leute Vorurteile haben."

Linke ruft zu Solidaritätsdemo am Sonntag auf

Die Linken in Bautzen haben unterdessen für den Sonntag zu einer Solidaritäts-Kundgebung auf dem Kornmarkt aufgerufen. Andrea Kubank, Vorsitzende des Ortsverbandes sagte, man wolle Solidarität mit den Geflüchteten aus allen Ländern zeigen, die sich in ihrer ohnehin schwierigen Situation zusätzlich dem Hass und den Anfeindungen einiger ausgesetzt sähen. "Denn wer Häuser anzündet, will Menschen brennen sehen! Dem gebieten wir nun Einhalt", sagte Kubank.

Anschlag am frühen Freitagmorgen

Am frühen Freitagmorgen war im ehemaligen "Spreehotel" nach ersten Erkenntnissen der Ermittler ein Feuer ausgebrochen, nachdem unbekannte Täter Fensterscheiben eingeworfen hatten. Laut Innenminister Schuster müsse man von einem "fremdenfeindlichen Brandanschlag" ausgehen. Beim Ortstermin des Ministers am Sonnabend wurde zudem bekannt, dass die Täter vor dem Anschlag ein Zaunteil aufgehebelt haben, um auf das Grundstück zu gelangen.

Sachsens Landesregierung verurteilt Anschlag

Die Landesregierung verurteilte den Angriff am Freitag aufs Schärfste. Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach von einer widerwärtigen Tat. Der CDU-Politiker kündigte an, deren Aufklärung habe "höchste Priorität". In das Haus sollten kommende Woche erste Geflüchtete einziehen. Vier Menschen, die in dem Gebäude übernachteten, blieben unverletzt. Laut Mitteilung der Stadt handelte es sich bei ihnen um Mitarbeiter des Hoteleigentümers.

MDR (ben/st/sth)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 29. Oktober 2022 | 12:00 Uhr

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