Schloss Ober Neundorf bei Görlitz
Die Schloss-Eigentümer in Ober Neundorf sanieren ein Renaissance-Bauwerk mit Fördergeldern. Trotz deren mutmaßlicher Nähe zur rechten Anastasia-Bewegung will das Land Sachsen als Geldgeber keine Konsequenzen ziehen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Schlosssanierung Sachsen verzichtet auf Rückforderung von Fördergeld an mutmaßlich rechte Bewegung

09. August 2023, 16:13 Uhr

Kann es bei der Denkmalförderung nur um das Denkmal gehen oder auch um die Menschen, die sich darum kümmern? Das wird in Sachsen diskutiert. In Görlitz renovierten mutmaßliche Anhänger der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften Anastasia-Bewegung das Schloss Ober Neundorf - mit finanzieller Hilfe von Land und Bund. Muss die Fördermittelvergabe auf den Prüfstand?

Ein fast 500 Jahre altes Schloss vor den Toren Görlitz. Wer unter sich bleiben möchte, fühlt sich hier sehr wohl. 2015 kauften nach Medienberichten vermeintliche Sympathisanten der Anastasia-Bewegung das Kleinod. Die Bewegung gründet sich auf eine russische Buchreihe, welche laut Bundesverfassungsschutz antisemitische, demokratiefeindliche und rassistische Inhalte verbreitet. Ein Ziel der Bewegung sei es, autarke Strukturen aufzubauen. Die neuen Besitzer begannen die Sanierung des Schlosses mit Spenden – und mit Steuergeldern.

Fast eine Million Euro Fördergelder geflossen

Mehr als 630.000 Euro bewilligte das Landesamt für Denkmalpflege für die Renovierung. Hinzu kamen noch mehr als eine viertel Million Euro zusätzliche Bundesmittel. Geld, das auch nach der Einstufung der Anastasia-Bewegung als rechtsextremer Verdachtsfall nicht zurückgefordert wird, wie das zuständige Regionalentwicklungsministerium auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte.

Die Fördermittel wurden ordnungsgemäß für den vorgesehenen Zweck eingesetzt. Dennoch wolle das Ministerium innerhalb der Staatsregierung ein Gespräch anstoßen, um ähnliche Fälle zu vermeiden. Denn das CDU-geführte Regionalentwicklungsministerium ist nicht das einzige, das vor solchen Fragen steht.

Auch im grün-geführten Landwirtschaftsministerium verantwortet man viele Förderprogramme, sagt Sprecher Burkhard Beyer: "Wir glauben auch, dass es rechtlich kaum durchhaltbar ist, dass wir jetzt einem Landwirtschaftsbetrieb, der extremistisch orientiert ist, oder dessen Betreiber extremistisch arbeiten, eine Förderung zum Beispiel von bestimmten Düngetechnologien oder eines Stallneubaus verwehren können." Das werde rechtlich kaum möglich sein, betont der Sprecher. "So schwierig das ist und so schwer das zu ertragen ist, wenn man es denn weiß, dass möglicherweise Personen aus irgendeinem extremistischen Lager dort Staatsgeld bekommen für ihre Investitionen."

Restauratoren erneuern die Diamantquader an der Fassade des Renaissance-Schlosses in Ober-Neundorf. Die Unternehmerfamilie Kuhn scheut keinen Aufwand, das Schloss zu restaurieren.
Mit Hilfe von Fördergeldern konnten Restauratoren die Fassade des Renaissance-Schlosses in Ober Neundorf sanieren. (Archivbild) Bildrechte: Heike Riedel

Hoher Personalaufwand für Extremismus-Check

Zumal eine Extremismus-Prüfung sämtlicher Antragsteller mit einem riesigen Personalaufgebot verbunden wäre, was angesichts vieler Förderanträge nicht stemmbar sei. So schildert Volker Stößel, Sprecher der Sächsischen Aufbaubank, die die Fördermittelvergabe verantwortet, dass zwischen den Förderprogrammen differenziert werden muss:

"Jede Fördervoraussetzung verursacht Prüfungsaufwand. Es gibt Förderprogramme, bei denen die Verfassungstreue der Fördermittelempfänger für die Erreichung des Zwecks irrelevant ist. Hier bedürfte die Aufnahme der Verfassungstreue als Fördervoraussetzung besondere Rechtfertigung. Im Themenbereich Demokratieförderung spielt Verfassungstreue hingegen eine wichtige Rolle und wird daher durch die Fachressorts als Voraussetzung für eine Förderung angesehen."

Es gibt Förderprogramme, bei denen die Verfassungstreue der Fördermittelempfänger für die Erreichung des Zwecks irrelevant ist. Hier bedürfte die Aufnahme der Verfassungstreue als Fördervoraussetzung besondere Rechtfertigung.

Volker Stößel Sprecher Sächsische Aufbaubank

So würde bei Förderprogrammen aus dem Justiz- oder Sozialministerium durchaus Verfassungstreue an die Fördermittelausgabe geknüpft werden. Dies geschieht direkt beim Förderantrag, erklärt Stößel weiter: "Der Nachweis, vor der Bewilligung, erfolgt über eine Eigenerklärung im Projektantrag."

Routine-Prüfung bei Anträgen auf Waffenschein

Eine Prüfung sämtlicher Antragsteller durch den sächsischen Verfassungsschutz, selbst nur bei Demokratieprojekten, sei aktuell jedoch personell nicht möglich, erklärt eine Sprecherin des Landesamts. Bei
Anträgen für Waffenscheine werden bereits routinemäßig Anfragen über die Verfassungstreue der Antragsteller beantwortet. Das sei aber mit einem deutlich geringeren Anfrageaufkommen verbunden als bei den rund 200 Förderrichtlinien im Freistaat.

Mehr zum Thema

Nachrichten

Ortseingangsschild Wienrode und alter Gasthof 35 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR (wim)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 08. August 2023 | 09:00 Uhr

0 Kommentare

Mehr aus Görlitz, Weisswasser und Zittau

Mehr aus Sachsen