Droht Insolvenz Trotz finanzieller Schwierigkeiten: Theater Görlitz-Zittau startet in neue Spielzeit
Hauptinhalt
08. September 2023, 13:26 Uhr
Obwohl die Insolvenz schon Ende des Jahres 2023 drohen könnte, hat das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau ein ambitioniertes Programm für die gesamte Saison vorgestellt. Darunter Uraufführungen, internationale Koproduktionen und große Musiktheater-Projekte wie "Der fliegende Holländer". Unter Einschränkungen kann auch das Haus in Görlitz wieder bespielt werden. Neben gestiegenen Material- und Personalkosten hat dort ein Wasserschaden für ein Finanzloch von 1,5 Millionen Euro gesorgt.
- Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau fordert mehr Unterstützung von den Geldgebern in Stadt und Land.
- Die Unterfinanzierung des Mehrspartenhauses ist kein kurzfristiges, sondern ein allgemeines Problem.
- Die Theaterleitung hat trotz der drohenden Insolvenz einen Spielplan vorgestellt.
Unter den schlechtesten Voraussetzungen startet das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau (GHT) am Samstag in die neue Spielzeit. Bereits seit Monaten wird darüber debattiert, wie eine Insolvenz des Mehrspartenhauses abgewendet werden kann. Dabei wird auch die Schließung des Musiktheaters nicht ausgeschlossen.
Bereits seit Jahren klagt das Theater in der Lausitz immer wieder über Finanzierungsproblemen. Die angespannte Lage hatte sich zuletzt massiv verschlechtert: Durch den Krieg in der Ukraine sind Energie- und Materialkosten gestiegen, geänderte Tarif- und Gagenvereinbarungen erhöhen die Personalkosten. Dann sorgte ein Defekt in der Sprinkleranlage im Haus Görlitz, dessen Sanierung sowieso überfällig war, für einen massiven Wasserschaden, der ausgebessert werden muss.
Forderungen an Stadt, Kreis und Land
Ungefähr 1,5 Millionen Euro fehlen dem GHT. Möglicherweise ist das Haus Ende des Jahres nicht mehr zahlungsfähig, heißt es aus der Theaterleitung. Die Situation in der Lausitz ist dabei zusätzlich komplex: Das Haus ist als GmbH organisiert, in der die Städte Görlitz und Zittau sowie der Landkreis Görlitz Gesellschafter sind. "Das wird eine Mischung sein müssen", sagte Intendant Daniel Morgenroth bei MDR KULTUR über eine mögliche Finanzierung, "dass sowohl die Träger sich bewegen und die Summen anpassen, die sie geben. Aber auch das Land hat signalisiert, dass Möglichkeiten bestünden, erstmal über die akute Not hinwegzuhelfen." Noch fehlten hier allerdings klare Zusagen aus der Politik. "Wir leben von der Hand in den Mund", beklagt Morgenroth. "Das geht für eine Institution dieser Größe – wir haben 270 Mitarbeiter – nicht. Wir brauchen Planungssicherheit, mindestens für vier Jahre."
Strukturelle Fragen
Dabei handelt es um kein einzelnes Problem: Zum Beispiel haben auch das Mittelsächsische Theater Döbeln-Freiberg oder das Nordharzer Städtbundtheater mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen. Darum befasst sich auch der Deutsche Bühnenverein aktuell mit der Frage, erklärte die geschäftsführende Direktorin im Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk: "Eine Aufgabe wird sein, mit den Rechtsträgern zusammen zu überlegen und einen Schulterschluss herzustellen, damit Bühnen nicht in eine strukturelle Unterfinanzierung hineingeraten. Die Häuser sind auf die Zuwendung angewiesen und wenn der Zuwendungsgeber klamm ist, stellt das für die Bühnen eine große Herausforderung dar."
Für den Intendanten Daniel Morgenroth geht es dabei auch um eine grundsätzliche Herausforderung und die Frage nach einer demokratischen Gesellschaft: "Wenn ich immer erst ein zwei Stunden fahren muss, dann wird Theater nie natürlicher Bestandteil meines Lebens. Deshalb ist es zentral, diese reichhaltige Landschaft zu erhalten und deshalb muss man da über Finanzierungsmodelle reden."
Sparen ist keine Lösung
Auch wenn es noch keinen Haushalt für die kommenden Monate gibt, startet das GHT in die neue Spielzeit. "Ich bin gnadenloser Optimist", sagt Morgenroth. Dabei stellen sowohl er als auch Claudia Schmitz vom Bühnenverein, der im Austausch mit dem Theater in der Lausitz steht, dass Einsparungen bei Bühnenbildern oder eine Produktion weniger keine Lösung für die strukturelle Unterfinanzierung seien.
Umso mutiger hat das Theater geplant: "Das Schöne ist ja, wir sind die Künstler, wir sind die Kreativen. Das heißt, inhaltlich können wir uns alle Freiheiten nehmen und uns mit den zur Verfügung stehenden Mitteln etwas Tolles bauen", so Morgenroth.
Vielseitiger Spielplan in Görlitz und Zittau
Die neue Spielzeit steht passenderweise unter dem Motto "Fernweh", nachdem es im Jahr zuvor noch "Deutschland, Deutschland" hieß. "Wir wollen nach der Nabelschau, den Kreis wieder weiten und das Publikum mitnehmen", erklärt Morgenroth. Das Tanztheater "Peter Pan" nach dem Kinderbuchklassiker entführt ins Nimmerland, es gibt einen Produktionsaustausch mit einem Theater in Kanada. Die Uraufführung "Figaro im Hamsterrad" entsteht in Kooperation mit einem italienischen Festival. Die Premiere des Musicals "Prinz von Preußen", die wegen des Wasserschadens ausfallen musste, wird in Zittau nachgeholt. In "Muttersprache Mameloschn" von Sasha Marianna Salzmann um jüdisches Leben in Deutschland und Identitätsfragen. Große politische Fragen will auch der erfolgreiche Görlitzer Autor Lukas Rietzschel ("Mit der Faust in die Welt schlagen") mit seinem neuen Stück, "Das beispielhafte Leben des Samuel W.", stellen.
Auch die große Bühne im Görlitzer Theater darf wieder bespielt werden, berichtet Daniel Morgenroth: "Wir haben lange mit den Behörden gearbeitet und können unter Einschränkungen – beispielsweise keinerlei Stoffe auf der Bühne, keinerlei Lagerungen von Bühnenbildern, nur mit kaltem LED-Licht und Baustrom – wieder auf der Bühne im großen Haus spielen. Da sind wir gerade dabei, Lösungen zu finden." Im Musiktheater sind auch große Produktionen geplant: das Oratorium "Saul" von Georg-Friedrich Händel und "Der fliegende Holländer" von Richard Wagner. Vorher muss jedoch die Finanzierung geklärt werden.
Quelle: MDR KULTUR (Annett Mautner, Stefan Petraschewsky), Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau, Redaktionelle Bearbeitung: tsa
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 07. September 2023 | 16:10 Uhr