Antisemitismus Nach Angriff auf jüdischen Gastwirt in Chemnitz: Vier mutmaßliche Täter angeklagt
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18. Oktober 2024, 20:43 Uhr
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat vier Männer wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch zum Amtsgericht Chemnitz angeklagt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen die Männer den Wirt des jüdischen Restaurants "Schalom" in Chemnitz am 27. August 2018 während gewaltsamer Demonstrationen zusammen mit weiteren Personen angegriffen haben. Zwei der vier Angeschuldigten seien der neonazistischen Kampfsportgruppe "Knockout 51" zuzuordnen.
Wirt antisemitisch beleidigt
Die Gruppe warf demnach Schottersteine und eine Bierflasche in Richtung des Mannes. Wie die Generalstaatsanwaltschaft bereits 2021 mitteilte, soll der jüdische Gastwirt von einem Schotterstein an der Schulter getroffen worden sein. Er habe in den Folgetagen unter Schmerzen gelitten. Zudem sei er antisemitisch beleidigt worden.
Handy eines Verurteilten entlarvt Beschuldigte
Im gleichen Fall wurde ein zum Tatzeitpunkt 27-jähriger mehrfach vorbestrafter Mann 2021 zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Nach Auswertung seines Handys und einer DNA-Spur erhärtete sich der Verdacht gegen die vier Beschuldigten, wie die Generalstaatsanwaltschaft nun mitteilte.
Gewaltsame Ausschreitungen vor sechs Jahren
In Chemnitz kam es im August 2018 zu gewalttätigen Ausschreitungen. Nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen im Streit mit Asylbewerbern im Spätsommer 2018 gab es in Chemnitz Demonstrationen, zu denen Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet anreisten. So auch bei einem sogenannten Trauermarsch von AfD, Pegida und Pro Chemnitz.
Was war in Chemnitz 2018?
Am 1. September 2018 hatten sich in Chemnitz rund 8.000 Anhänger einem von AfD, Pegida und Pro Chemnitz organisierten Demonstrationszug angeschlossen. Mehrere führende AfD-Politiker liefen mit, darunter die Landesvorsitzenden von Thüringen und Sachsen, Björn Höcke und Jörg Urban. Bei dem Aufzug kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten, Polizisten, Pressevertretern sowie Migranten.
Die Gegenveranstaltung unter dem Motto "Herz statt Hetze" mit rund 3.000 Teilnehmern richtete sich gegen die fremdenfeindlichen Ausschreitungen, zu denen es in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Manns am Rande des Stadtfests gekommen war. Rund ein Jahr nach der Tat verurteilte das Landgericht Chemnitz einen Syrer wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft.
Sich nicht einschüchtern lassen
Die Anfeindungen gegen den jüdischen Gastwirt Uwe Dziuballa haben auch nach 2018 nicht abgenommen. Seit dem Angriff der Terrorgruppe Hamas auf Israel und der weiteren Eskalation im Nahost-Konflikt fühle er sich noch weniger sicher, sagte Dziuballa jüngst im ARD-Interview. "Mittlerweile trage ich nur noch Hut, wenn ich in die Stadt gehe. Nur mit Kippa mach ich nicht mehr", sagt Dziuballa. Die Kippa ist die traditionelle Kopfbedeckung männlicher Juden.
Doch aufgeben und Wegziehen sei keine Alternative für Dziuballa. "Man hat einen Koffer, mit dem man das Land relativ schnell verlassen könnte. Aber man will das ja eigentlich gar nicht", sagt er im Interview. Er wolle mehr Toleranz in der Gesellschaft und sich deshalb nicht einschüchtern lassen.
MDR (phb)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 18. Oktober 2024 | 19:00 Uhr