Sven Liebhauser, Oberbürgermeister von Döbeln
Mehr als die Hälfte der Mitglieder des Kreistages Mittelsachsen stimmte dagegen, die durch zusätzliche Asylbewerber entstandenen Kosten zu bezahlen. Auch Sven Liebhauser, Oberbürgermeister von Döbeln. Bildrechte: Stadtverwaltung Döbeln, Lutz Weidler

Kreistag Mittelsachsen Döbelner Oberbürgermeister: "Die Abstimmung war ein Hilferuf in Richtung Berlin"

27. Oktober 2023, 09:00 Uhr

Obwohl er dazu verplichtet ist, hat der Kreistag Mittelsachsen diese Woche erneut zusätzliche Gelder für Geflüchtete verweigert. Bereits Ende September hatte es ein ähnliches Votum gegeben. Im Gespräch mit MDR SACHSEN erläutert der Oberbürgermeister von Döbeln, Sven Liebhauser, was ihn und zahlreiche andere Mitglieder des Kreistages dazu bewogen hat, die Finanzierung ein weiteres Mal scheitern zu lassen.

Am Mittwoch hat der Kreistag Mittelsachsen erneut gegen die Bewilligung von knapp 3,5 Millionen Euro gestimmt. Damit sollten die Mehrkosten durch Asylbewerber finanziert werden. Finanzielle Gründe hatte die Ablehnung allerdings nur auf den ersten Blick. Das räumt der Döbelner Oberbürgermeister und Kreistagsmitglied Sven Liebhauser (CDU) im Gespräch mit MDR SACHSEN ein: "Ich sehe die Abstimmung als einen Hilferuf in Richtung Berlin, weil die Städte und Gemeinden an der Belastungsgrenze sind."

Jurist: Kreistag hat rechtswidrig abgestimmt

Rein rechtlich spielt das aber erst einmal gar keine Rolle. Das gibt der Verwaltungsrechtler Prof. Jochen Rozek von der Universität Leipzig zu bedenken. "Die Flüchtlingsunterbringung und -versorgung ist eine Pflichtaufgabe der Landkreise." Der Kreistag habe daher rechtswidrig die Zustimmung zu den weiteren Ausgaben versagt, weshalb auch der Widerspruch des Landrats gerechtfertigt gewesen sei.

Finanziell steht laut dem Rechtswissenschaftler grundsätzlich der Freistaat Sachsen in der Pflicht. "Es gibt einen Anspruch gegen den Freistaat nicht gegen den Bund", stellt Rozek klar.

Kitas und Schulen an der Belastungsgrenze

Unabhängig vom Streit ums Geld sind laut Oberbürgermeister Sven Liebhauser bereits jetzt die Kapazitäten in Döbelns Kitas und Schulen nahezu erschöpft. "Das beste Beispiel ist die Oberschule Döbeln Nord. Dort haben wir keine freien Plätze mehr und auch bei den Kitas ist es bald soweit", sagt Liebhauser.

Darüber hinaus gebe es Schulen, wo der Migrationsanteil inzwischen deutlich zu hoch sei. Der Oberbürgermeister erwähnt in diesem Zusammenhang eine Döbelner Grundschule mit einem Migrationsanteil von 33 Prozent. "Integration kann nur gelingen, wenn man die Sprache lernt." Dafür müsse sich der Anteil an Migranten in den Klassen aber in einem vernünftigen Verhältnis bewegen, sagt der Oberbürgermeister.

Die aktuelle Lage führt dazu, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung verloren geht.

Sven Liebhauser Oberbürgermeister von Döbeln

Sven Liebhauser, Oberbürgermeister von Döbeln
Sven Liebhauser, Oberbürgermeister von Döbeln, erklärt im Gespräch mit MDR SACHSEN, dass Schulen und Kitas in seiner Stadt an der Belastungsgrenze seien. Bildrechte: Stadtverwaltung Döbeln, Lutz Weidler

Sorge um den sozialen Frieden

Neben den Schulen und Kitas sieht er auch Probleme auf dem Wohnungsmarkt. "In Mittelsachsen konzentriert sich die Verteilung der Flüchtlinge im Wesentlichen auf Döbeln, Freiberg, Hainichen und Waldheim. Bei uns hat das zur Folge, dass der Wohnraum knapp wird." Das wirke sich auf die Solidarität der Menschen aus. "Viele wollen ja gern helfen, aber die Hilfe, also in diesem Fall die Integration der Flüchtlinge, muss auch möglich sein."

Die aktuelle Lage führe dazu, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung verloren gehe. "Auch der soziale Frieden muss in die Betrachtung mit einfließen", sagt Liebhauser.

OB will nur noch anerkannten Flüchtlingen helfen

Um wirklich denjenigen helfen zu können, die Hilfe benötigen, fordert der Kommunalpolitiker von der Bundesregierung: "Wir müssen klar zwischen anerkannten Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten unterscheiden." Zudem sei es notwendig, Abschiebungen zu erleichtern, indem man weitere Länder als sichere Herkunftsländer ausweise.

Keine Abstriche bei Leistungen für Einheimische

Das oft von Populisten bemühte Argument, dass wegen der Geflüchteten weniger Geld für die einheimische Bevölkerung da sei, kann der Oberbürgermeister trotz der Schwierigkeiten nicht bestätigen. "Bisher gibt es, sowohl was den Landkreis betrifft als auch in den Städten und Gemeinden, keine Abstriche im Leistungsumfang." Er könne jedoch keine Aussage für die Zukunft tätigen. "Mittel- und langfristig gibt es noch keine Finanzierung für die Mehrausgaben für Asylbewerber", sagt der Oberbürgermeister.

MDR (sth/ali/Gabi Kammel)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 25. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

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