Migration Kritik an Art der Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Bautzen
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23. Dezember 2022, 14:50 Uhr
Nach den umstrittenen Äußerungen des Bautzener Landrates Udo Witschas gibt es Kritik an der Unterbringung von Asylbewerbern in großen Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis. Ein Blick auf den Nachbarkreis Görlitz zeigt: Es geht auch anders - und dezentral. Flüchtlingshelfer kritisieren das Vorgehen des Bautzener Landratsamtes.
- Rund drei Viertel der Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Landkreis Bautzen sind in Heimen untergebracht. Der Landkreis stößt mit dieser Strategie an Kapazitätsgrenzen.
- Dass der Landkreis die Unterbringung scheinbar nur nach Kostenaspekten organisiert, nennen Flüchtlingshelfer eine Katastrophe.
- Erfahrungen von Flüchtlingshelfern und Studien zeigen, dass eine dezentrale Unterbringung die Integration fördert.
Nach der Ablehnung eines weiteren Asylbewerberheims in Hoyerswerda hatte der Bautzener Landrat Udo Witschas in einer Weihnachtsansprache betont, dass leerstehende Wohnungen und Turnhallen nicht als Alternativen zur Unterbringung Geflüchteter genutzt werden sollen. Das würde den sozialen Frieden gefährden, behauptete Witschas. Es sei nicht "unsere Absicht, den Sport - ob nun den Schul- oder Freizeitsport - jetzt für diese Asylpolitik bluten zu lassen", sagte der CDU-Landrat in seiner knapp zweieinhalbminütigen "Weihnachtsbotschaft".
Tatsächlich bringt der Landkreis Asylbewerber bislang überwiegend in großen Heimen unter. Die Gemeinschaftsunterkünfte in Hoyerswerda und Kamenz sind für bis zu 450 bzw. 400 Menschen ausgelegt. Einer Statistik des Landratsamts zufolge lebt dagegen nur ein Viertel der Asylbewerber in Wohnungen. Im Nachbarlandkreis Görlitz sind es mehr als die Hälfte.
Große Heime als kostengünstigste Lösung?
Auf einer Anwohnerversammlung im geplanten Asylbewerberheim in Hoyerswerda hatte Udo Witschas Ende November gesagt, er habe in seiner Zeit als Beigeordneter darauf geachtet, so wenig Geflüchtete wie möglich in Wohnungen unterzubringen. "Ein einziger Grund: Das sind die Kosten", hatte Witschas diese Strategie begründet. Der Landkreis erhalte vom Bund 10.550 Euro pro Asylbewerber für Unterbringung und Betreuung. "Mit dem Geld sind wir hingekommen", betonte Udo Witschas. Er habe bis dato kein Geld des Landkreises einsetzen müssen.
Eckart Riechmann vom Verein "Willkommen in Bautzen" kritisiert diese Haltung, die Flüchtlingsunterbringung vorrangig unter finanziellen Gesichtspunkten zu betrachten. "Für die Menschen ist das eine Katastrophe", sagt Riechmann. Die Asylbewerber in Heimen "wegzusperren", nennt Riechmann "destruktiv". Die Erfahrung mit den Ukrainern zeige, dass schnelle Angebote für die Wohnungs- und Jobsuche beim Ankommen helfen und ein guter Weg zur Integration seien.
Flüchtlingshelfer kritisiert Heimunterbringung als "destruktiv"
Der Verein "Willkommen in Bautzen" engagiert sich seit Jahren in der Flüchtlingshilfe. Er unterhält in der Spreestadt eine Anlaufstelle, in der Flüchtlinge von Ehrenamtlichen beraten werden. Eckart Riechmann sagt, in Bautzen seien 300 Geflüchtete in Wohnungen untergebracht. "Wir haben von Nachbarn noch keine einzige Beschwerde gehört", betont er.
Die Integration gelinge in Wohnungen besser, weil die Flüchtlingsfamilien sich dort täglich mit Kita- und Schulbesuch, mit Jobsuche und ihrem nachbarschaftlichen Umfeld auseinandersetzen müssten. "Im Heim sitzt man in der Ecke und wartet auf den nächsten Bescheid", fasst Eckart Riechmann zusammen. Statt aber zusätzlichen dezentralen Wohnraum zu schaffen, kündigte die Kreisverwaltung in einer Beschlussvorlage an den Kreistag im Dezember an, die Belegung bestehender Unterkünfte zu verdichten. Eckart Riechmann hält das für falsch. Das habe "unmenschliche Zustände" zur Folge. Die Asylbewerber würden so "auf engstem Raum zusammengepfercht".
Studie: Schnellere Integration durch Unterbringung in Wohnungen
Auch der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) erklärt in einem Statement zur Weihnachtsansprache des Bautzener Landrats: "In unseren wissenschaftlichen Untersuchungen, dem sogenannten 'Heim-TÜV', finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die dezentrale Unterbringung von Schutzsuchenden den sozialen Frieden und eine gute Nachbarschaft gefährdet."
Die Erfahrungen zeigten vielmehr, dass eine Unterbringung von Schutzsuchenden in Wohnungen zur schnelleren und besseren Integration beitrage. Sie sei für die Landkreise am Ende kostengünstiger.
1.300 Wohnungen in Hoyerswerda frei
Die Berechnungen des Landratsamtes Bautzen sagen etwas anderes. Demnach kostet die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft inklusive Betreuung rund 16 Euro pro Person und Tag. Für den Betrieb der geplanten Unterkunft in einem ehemaligen Rechenzentrum in Hoyerswerda waren dagegen mehr als 23 Euro pro Person angesetzt. In Wohnungen mit vergleichbarer Betreuung lägen die Kosten zwischen 13 und 26 Euro je Person und Tag. Wie hoch die Kosten innerhalb dieser Spanne ausfallen, sei davon abhängig, wie viele Personen in einer Wohnung untergebracht werden können, teilte die Kreisverwaltung mit.
Die Chance, Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen, sieht der Landkreis am ehesten in Hoyerswerda. Laut Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD) stehen in der Hoyerswerdaer Neustadt rund 1.300 Wohnungen leer. Steffen Markgraf, Geschäftsführer der Hoyerswerdaer Wohnungsgesellschaft, erklärte dazu: "Wohnungen, die bei uns frei sind, sind nicht bezugsfertig. Die müssen durchsaniert werden." Das dauere sechs bis acht Wochen. Für eine Wohnung, die hergerichtet wird, seien Kosten von bis zu 8.000 Euro zu veranschlagen.
Landkreis Görlitz favorisiert kleinere Unterkünfte
Wie Steffen Markgraf berichtet, funktioniere die Integration ukrainischer Geflüchteter in Hausgemeinschaften gut. Bei Menschen aus anderen Kulturkreisen sei der Aufwand "deutlich höher", hatte Markgraf im November vor Einwohnern in Kühnicht gesagt. Hier sei die Wohnungsgesellschaft auf die Hilfe der Sozialarbeiter der Arbeiterwohlfahrt angewiesen. Sprache lernen, Behördengänge, technische Einweisungen - das sei ein großer Kraftakt. Die Berater der Wohnungsgesellschaft könnten das allein nicht leisten.
Der benachbarte Landkreis Görlitz favorisiert genau diesen Weg: Geflüchtete vorrangig in Wohnungen unterzubringen. "Der Landkreis setzt bewusst auf keine sehr großen Gemeinschaftsunterkünfte, da es meist ein erhöhtes Stresspotential und Gefahren in der Unterkunft hervorruft", teilt ein Sprecher des Landkreises mit. Das größte Heim im Landkreis Görlitz sei eine Gemeinschaftsunterkunft in Löbau. Dort dürfen nicht mehr als 230 Personen untergebracht werden.
Kaum noch freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis Bautzen
Größtenteils habe der Landkreis Görlitz gute Erfahrungen mit der dezentralen Unterbringung gemacht. "Trotz Problemen bei einzelnen Familien ist ein angenehmeres Zusammenleben in einer Wohnung im Familienverbund im Vergleich zu einem Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft festzustellen", fasst ein Behördensprecher zusammen. Geflüchtete ausschließlich in Wohnungen unterzubringen sei aber keine Lösung, weil nicht alle Personen oder Familien für eine eigene Wohnung in Frage kämen - beispielsweise aufgrund von Unselbstständigkeit, Sprachbarrieren oder hygienischer Probleme.
In den Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis Bautzen werden indes die Plätze knapp. Wie das Landratsamt auf Nachfrage mitteilte, waren in den Gemeinschaftsunterkünften Mitte des Monats insgesamt noch 65 Plätze frei. Die Kreisverwaltung geht aber davon aus, dass dem Landkreis im Dezember rund doppelt so viele Geflüchtete zur Unterbringung zugewiesen werden. Für Entspannung sollte das Spreehotel in Bautzen sorgen, dass seit Anfang Dezember wieder als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Dort können wegen eines Brandanschlags aber nun 40 Prozent weniger Menschen untergebracht werden als ursprünglich geplant.
MDR (mak)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 15. Dezember 2022 | 10:30 Uhr