Visualisierung Gedenkort Chemnitz, Bild einer Straßenecke, vor einem mehrstöckigen Haus halten sich mehrere Personen auf, eine Projektion am Himmel und eine Glaskugel.
So könnte der neue Gedenkort für die Opfer des NSU in Chemnitz aussehen. Bildrechte: ASA-FF e.V.

Initiative von Verein Gedenkort in Chemnitz soll an Betroffene des NSU-Komplexes erinnern

06. Oktober 2023, 19:43 Uhr

In Chemnitz wurde am Freitag das Konzept für einen Erinnerungs- und Gedenkort vorgestellt, der an die Betroffenen des NSU-Terrors erinnern soll. Mit dieser Initiative will der Verein ASA-FF den Namen und Geschichten der Opfer in Chemnitz eine dauerhafte Sichtbarkeit verleihen. Zusätzlich sollen Bildungs- und Vermittlungsangebote über Rechtsterrorismus und die Geschichte des NSU aufklären.

Chemnitz ist deutschlandweit der einzige Ort mit NSU-Bezug, der nicht an die Betroffenen des Terror-Netzwerkes erinnert. Das will der Verein ASA-FF ändern und stellte jetzt ein Konzept vor, wie ein solcher Erinnerungs- und Gedenkort gestaltet werden könnte. Ausgangspunkt waren eine Reihe von Interviews, die mit Angehörigen der Opfer und Überlebenden des NSU-Komplexes geführt wurden. Ihre Wünsche und Vorstellungen prägen das Konzept, zumal es sich um ihre persönlichen Geschichten und Biografien handelt, die erzählt werden sollen.

"Es muss ein Raum geschaffen werden, der an die Überlebenden, an die Opfer, an die Verletzten erinnert. Der die Aussagen dieser Menschen darstellt. Was sie erlebt haben, was sie erlitten haben", fordert Abdullah Özkan. Er ist ein Überlebender des NSU-Anschlags in der Keupstraße in Köln. Man müsse die Opfer darstellen, für das Gedenken solle ein gemeinsames Kunstwerk erschaffen werden, betont er.

Ein Ort gegen das Vergessen

Die Konzeptentwicklung ist Teil des Projektes "re:member the future" von ASA-FF. Auf knapp 160 Seiten haben die Verfasserinnen detailliert aufgeführt, wie ein solcher Gedenkort gestaltet sein könnte. Was nicht vorgesehen ist, und das war auch ein Wunsch der interviewten Betroffenen, ist, eine Art Gedenkstein zu errichten. Vielmehr schlagen sie einen zentralen, öffentlich zugänglichen Ort vor, der schon durch seine in erster Linie künstlerische Bildsprache zur Auseinandersetzung einlädt.

Visualisierung Gedenkort Chemnitz
Der Gedenkort in Chemnitz soll ein zentraler, öffentlich zugänglicher Platz sein – das sieht das Konzept vor. Bildrechte: ASA-FF e.V.

Wichtig sind dabei auch Bildungs- und Vermittlungsangebote. Möglichkeiten, so Arlo Jung, eine der Projektmitarbeiterinnen, die an dem Konzept mitgearbeitet haben, böten sich zum Beispiel auch mit "re:member the future" an. Etwa mit den so genannten Critical Walks durch das ehemalige Fritz-Heckert-Gebiet, wo das NSU-Trio gewohnt hat bzw. untergetaucht war. Außerdem ist neben dem physischen auch ein digitaler Gedenkort geplant. Partizipation der Chemnitzerinnen und Chemnitzer wird dabei in allen Phasen des Projektes groß geschrieben.

Es muss ein Raum geschaffen werden, der an die Überlebenden, an die Opfer, an die Verletzten erinnert.

Abdullah Özkan, Überlebender des Anschlags in der Keupstraße in Köln

Stadt soll Pläne im Kulturhauptstadtjahr 2025 umsetzen

Mit seinem Konzept richtet sich ASA-FF konkret an die Stadt Chemnitz und appelliert an deren Verantwortung, auch in Chemnitz einen Gedenkort gegen das Vergessen zu errichten. Zumindest wurde die Konzepterstellung über den Lokalen Aktionsplan der Stadt gefördert. Die Forderungen seitens ASA-FF sind klar formuliert. Angedacht ist ein künstlerischer Wettbewerb für einen NSU-Erinnerungs- und Gedenkort, den die Stadt möglichst im nächsten Jahr ausschreiben soll. Ginge es nach dem Team von ASA-FF, würde dann im Kulturhauptstadtjahr 2025 mit dem Bau begonnen. Inwieweit die Stadtverwaltung all diese Ideen tatsächlich aufgreifen wird, dazu gibt es im Moment jedoch keine Aussagen. 

Visualisierung Gedenkort Chemnitz
Eine der Visualisierungen des Gedenkortes in Chemnitz. Bildrechte: ASA-FF e.V.

NSU-Dokumentationszentrum geplant

Viele Fragen zum NSU-Komplex sind nach wie vor offen. Dem Ruf nach Aufarbeitung, etwa von zivilgesellschaftlichen Initiativen, Künstlern, Historikern und nicht zuletzt den Betroffenen selbst, will man nun mit einem NSU-Dokumentationszentrum entgegenkommen.

Wo es letztlich stehen wird, ist noch nicht klar, doch im Zuge der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 soll in Chemnitz ein Interimsdokumentationszentrum entstehen. Es soll unter anderem als Plattform dienen, um die Aspekte, die man in einer 2023 veröffentlichten Machbarkeitsstudie herausgearbeitet hat, in der Praxis zu erproben und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Auch bei dieser Konzeptentwicklung ist ASA-FF mit beteiligt. Aber ganz unabhängig davon, so ihr Plädoyer, braucht Chemnitz einen Erinnerungs- und Gedenkort, der die Betroffenen des NSU-Komplexes ins Zentrum rückt.

Redaktionelle Bearbeitung: lig

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. Oktober 2023 | 07:30 Uhr

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