Kleiner Einkaufswagen mit Medikamenten
Lieferengpässe bei Arzneien: Wie ist die Lage im Vogtland? Und was ist gegen den Medikamentenmangel zu tun? Diese Fragen stehen im Zentrum einer Beratung am Rosenmontag in Auerbach. Bildrechte: imago images/Panthermedia

Vogtland Apotheker und Politiker beraten über Medikamentenmangel

20. Februar 2023, 18:22 Uhr

Seit Monaten, ja sogar Jahren, berichten Apothekerinnen, Apotheker und Patienten, dass bestimmte Medikamente nicht zu bekommen sind. Die Gründe dafür sind längst bekannt – Lieferkettenprobleme und vermeintlich wenig lukrative Rabattverträge spielen eine große Rolle. Im Vogtland suchen Apotheker und CDU-Politiker am Montag gemeinsam nach Auswegen aus der Situation. Ein Apotheker verlangt: Die Politik müsse das Prinzip "lernen durch leiden" endlich überwinden.

Im Vogtland haben am Montagvormittag Apotheker mit Politikerinnen und Politikern über die Medikamentenversorgung gesprochen. Bei der Beratung standen Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln und die Suche nach gemeinsamen Lösungen im Mittelpunkt. Es müsse sich Einiges ändern, verlangte Uwe Bauer von der Concordia-Apotheke in Plauen. Er beschrieb die aktuelle Lage so: "Wir haben im Gegensatz zu früher unsere Lagerhaltung durchweg ausgeweitet. Wir klappern die verschiedensten Lieferanten ab. Und einige Kollegen bestellen auch noch direkt bei der Industrie." Manche Kollegen hätten die Möglichkeit, sich untereinander etwas zu verkaufen.

Apotheker kritisieren: Politik hört nicht auf Experten

Allerdings kritisiert der Vogtländer, dass in den vergangenen 20 Jahren "eine derartige Einengung auf bestimmte Produkte" stattgefunden habe. Wenn dann nur noch wenige Hersteller da seien, die nicht liefern könnten oder dürften, gebe es eben Lieferengpässe. Apotheker Bauer wünscht sich, dass Ausnahmeregelungen aus der Zeit der Corona-Pandemie zur Regel werden. In dieser Zeit waren Abweichungen von der Packungsgröße oder die Abgabe von Teilmengen möglich. "Was ich mir von der Politik wirklich wünsche, ist, dass in Deutschland dieses Prinzip 'lernen durch leiden' ein Stück weit überwunden wird." Politiker sollten auf Gespräche mit Fachleuten hören.

Wenn es Gespräche mit den Fachleuten, zum Beispiel mit den Apothekern gibt, und die sagen: Leute, passt auf, da kommt ein echtes Problem auf uns zu. Dann wäre es ganz schick, wenn die Politik gelegentlich auf uns hören würde.

Uwe Bauer Apotheker aus Plauen

Nach Angaben eines MDR-Reporters waren die anwesenden Apothekerinnen und Apotheker sehr besorgt über die Situation. Lieferengpässe habe es schon immer gegeben. Meist seien zehn oder 20 Medikamente betroffen gewesen. Nun seien es 150 bis 200. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums gibt es momentan sogar bei 427 Medikamenten Lieferschwierigkeiten. Auch Detlef Löscher, Apotheker aus dem vogtländischen Auerbach, mahnt dringendes Handeln an. "Es ist aus meiner Sicht dramatischer, als es in der Politik angekommen ist. Es geht viel zu lange schon, ohne dass gehandelt wird." Die Probleme lägen einerseits in dem langsamen Handeln der Politik, andererseits bei der Globalisierung.

Es ist aus meiner Sicht dramatischer, als es in der Politik angekommen ist.

Detlef Löscher Apotheker aus Auerbach

Zur Beratung nach Auerbach hatte der Bundestagsabgeordnete Sören Voigt (CDU) eingeladen. Auch die Vize-Präsidentin des Bundestags, Yvonne Magwas (CDU), war dabei. Langfristig müsse man die Anhängigkeit von China und Indien beenden, sagte sie MDR SACHSEN. "Sicherlich muss man jetzt Wege finden, die Grundproduktion wieder nach Europa zu holen." Dazu müsse man überlegen, wie man die Hersteller dazu bewegen könne, ihre Standorte in Deutschland oder in Europa zu zurückzuholen, sagte die Politikerin.

Dass das geht, zeigt ein Beispiel aus Frankreich. Dort soll bereits ab 2024 wieder ein europäischer Paracetamol-Wirkstoff hergestellt werden. Die Paracetamol-Produktion in Frankreich und damit in Europa wurde 2008 aufgrund der damals neu geltenden Umweltstandards aufgegeben. 

Staatsministerin Köpping: Pharmagroßhandel muss unterstützt werden

Bei einem Besuch der Leipziger Niederlassung des Arzneimittelgroßhandels Phoenix Pharmahandel GmbH & Co. KG hat die sächsische Sozialministerin Petra Köpping am Montag die Rolle des Pharmagroßhandel als Herz des Versorgungssystems hervorgehoben. "Der Großhandel muss auch künftig seinen Aufgaben nachkommen können. Hier ist in erster Linie der Bund gefragt. Dazu zählt auch die Unterstützung mit Blick auf die enormen Energiekostensteigerungen."

Sie habe bei ihrem Besuch festgestellt, dass es weiterhin Lieferkettenprobleme gebe, sagte Köpping MDR SACHSEN. "Ich habe mir noch einmal ein Bild davon verschafft, wie es jetzt, Ende Februar, aussieht. Ich musste feststellen, dass es weiterhin Engpässe bei bestimmten Medikamenten gibt. Trotzdem bekommt jeder Patient, der ein Medikament braucht, auch ein Medikament.

Trotzdem bekommt jeder Patient, der ein Medikament braucht, auch ein Medikament.

Petra Köpping Sozialministerin Sachsen

"Wir müssen gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die Situation zu verbessern", sagte die Sozialministerin. Einerseits müsse über den Referentenentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen der Bundesregierung gesprochen werden. "Andererseits werbe ich für Sachsen als Standort für die Produktion von Arzneimitteln." Hier gebe es sehr gute Voraussetzungen. "Arzneimittel vor Ort zu produzieren heißt auch, dass man bei internationalen Krisen unabhängiger ist."

Das Phönix-Vertriebszentrum in Leipzig versorgt mit seinen 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Angaben des Ministeriums etwa 540 Apotheken in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen.

Medikamentenmangel war Thema im Sächsischen Landtag

Bereits Anfang Februar hatte der Sächsische Landtag über Medikamentenmangel debattiert. Damals sagte Sozialministerin Petra Köpping (SPD), dass das Land alle möglichen Schritte unternommen habe, um den aktuellen Mangel an bestimmten Arzneimitteln zu mindern. In der Debatte sprach sie von einer "schwierigen Situation".

Als Mangelware galten im Februar Medikamente wie Fiebersäfte, Schmerztabletten, Antibiotika und Blutdrucksenker. Laut Köpping legt Sachsen als Konsequenz der Engpässe an Arzneimitteln das Apothekenrecht großzügig aus. "Das heißt, dass wir eben auch den Austausch von Medikamenten zwischen der einen oder anderen Apotheke ermöglichen." Das sei eine wichtige Hilfe, weil die Nachfrage regional verschieden sein könne. Ein zweiter Punkt betreffe die Arzneimittelherstellung in der Apotheke selbst. Das habe man für alle Medikamente, bei denen das machbar sei, veranlasst. Zudem seien Importe aus anderen Ländern zugelassen worden. Ferner könnten die Apotheken ihre Öffnungszeiten flexibler gestalten. Apotheker hatten zuvor ein rasches Handeln der Politik verlangt.

MDR (kk/tfr/Torsten Birne)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 19. Februar 2023 | 14:00 Uhr

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