Der Rockmusiker Gil Ofarim (l) betritt den Saal des Landgerichts in Leipzig mit einem seiner Anwälte.
Hatte lange an seiner Version eines angeblichen Antisemitismus-Vorfalls in Leipzig festgehalten: Am Dienstag sagte Gil Ofarim vor Gericht, dass er gelogen hat. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Wende im Prozess Ofarim gesteht Falschaussage und entschuldigt sich

28. November 2023, 11:50 Uhr

Am Landgericht Leipzig begann am Dienstag der sechste Verhandlungstag im Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim mit Warten. Nach langen Beratungen gestand Ofarim, gelogen zu haben.

Im Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung hat der Angeklagte zugegeben, dass die Vorwürfe gegen ihn stimmen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm unter anderem falsche Verdächtigung, Betrug und Verleumdung zur Last gelegt. "Die Vorwürfe treffen zu", sagte er. Ofarim entschuldigte sich beim Hotelmanager des Westin Hotels in Leipzig, der auch als Nebenkläger auftrat. Ofarim hatte ihm Antisemitismus vorgeworfen. Am Dienstag sagte der Angeklagte: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen." Der Hotelmanager nahm die Entschuldigung an.

Die Vorwürfe treffen zu.

Gil Ofarim angeklagt wegen Falschbehauptungen und Verleumdung

Vergleich und 10.000 Euro Geldauflage

Beide Seiten einigten sich offenbar auf einen Vergleich. Zudem soll ein Schmerzensgeld für den von Ofarim falsch beschuldigten Hotelmitarbeiter vereinbart worden sein. Das Verfahren gegen den Sänger wird vorläufig gegen Zahlung von 10.000 Euro eingestellt. Zahlt der Angeklagte die Geldauflage innerhalb des nächsten halben Jahres zugunsten der Jüdischen Gemeinde zu Leipzig und des Trägervereins des Hauses der Wannseekonferenz, "wird das Verfahren endgültig eingestellt", teilte das Landgericht Leipzig mit.

Damit sind alle Zweifel und Spekulationen endgültig beseitigt.

Landgericht Leipzig zur zuverlässigen Feststellung des Sachverhalts

Und: Durch die Entschuldigung des Angeklagten sei der Hotelmanager zudem wirkungsvoller rehabilitiert worden, als es durch ein Urteil möglich gewesen wäre. In seinem Schlusswort wies der Vorsitzende Richter darauf hin, dass der Angeklagte mit seiner Entschuldigung den guten Ruf des Hotelmanagers wiederhergestellt habe und so seinen eigenen wiedererlangen könne.

Hotelmanager am Ende froh

Der Hotelmanager als Nebenkläger ist nach Angaben seines Anwalts froh, dass "die Wahrheit ans Licht gebracht werden konnte." Details zur Höhe des Schadensersatzes nannte Rechtsanwalt Daniel Bäumgärtner am Dienstag im Landgericht nicht: "Wir sind soweit mit dem Abschluss zufrieden und dabei bleibt es auch. Was Besseres hätte uns nicht passieren können."

Prozess wegen des Verdachts auf Verleumdung und Betrugs

Ofarim hatte Anfang Oktober 2021 in einem Instagram-Video schwere Antisemitismusvorwürfe gegen einen Angestellten eines Leipziger Hotels erhoben. Der Hotel-Manager soll den jüdischen Musiker nach Angaben Ofarims aufgefordert haben, seinen Davidstern abzunehmen, erst dann dürfe er einchecken. Er stellte nach dem angeblichen Vorfall ein Video ins Netz, das viral ging. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Leipzig hatte sich der Vorfall so aber nicht zugetragen.

Nach umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgte eine Anklage gegen Ofarim selbst. Das Verfahren gegen den Hotelmitarbeiter wurde dagegen eingestellt. Das Video mit den vermeintlichen Vorwürfen habe er nun gelöscht, sagte Ofarim am Dienstag vor Gericht.

Die für den Prozesstag am Dienstag vorgesehenen Zeugenaussagen der Sängerin und Schauspielerin Jeanette Biedermann und des Musikers Gregor Meyle waren vorab auf den 7. Dezember verlegt worden. Gründe dafür hatte der Sprecher des Leipziger Landgerichts nicht genannt. Ursprünglich sollte am Dienstagnachmittag auch der Hoteldirektor des Westin-Hotels, der Vorgesetzte des von Ofarim beschuldigten Hotel-Mitarbeiters, als Zeuge aussagen. Das wurde mit dem Geständnis des Angeklagten dann hinfällig.

Der Rockmusiker Gil Ofarim (M) steht im Saal des Landgerichts in Leipzig zwischen seinen Verteidigern Tido Oliver Hokema (l) und Alexander Stevens.
Der Prozesstag in Leipzig gegen Sänger Gil Ofarim (Mitte) begann mit Verzögerungen. Stundenlang berieten sich seine Verteidiger. Dann gestand der Angeklagte Ofarim. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Reaktionen: Zentralrat der Juden kritisiert Ofarim

Der Zentralrat der Juden hat die falsche Antisemitismus-Anschuldigung des Sängers Ofarim gegen einen Hotelmitarbeiter verurteilt: "Er muss in jeder Hinsicht die Konsequenzen für seine Lüge tragen." Der 41 Jahre alte Ofarim habe "all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt". Es sei richtig, bei einem Antisemitismusvorwurf "auf der Seite des Betroffenen zu stehen, ihm beizustehen und die Antisemitismuserfahrung zunächst nicht infrage zu stellen. Umgekehrt darf so ein Vorwurf niemals grundlos erhoben werden. Und das ist hier leider passiert." Auch der Zentralrat hatte sich nach Bekanntwerden des Videos 2021 zunächst solidarisch mit Ofarim gezeigt.

Nun hat er gestanden, dass er gelogen hat. Damit hat Gil Ofarim all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt.

Zentralrat der Juden in Deutschland

Deutliche Worte des Leipziger OB

Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte, der Prozess kenne nur Verlierer - "das Hotel, das sich übler Beschimpfungen ausgesetzt sah, die Stadt Leipzig, die sich international zu Unrecht in die antisemitische Ecke gestellt sah". Der Imageschaden für die Stadt und für die Menschen in ganz Ostdeutschland sei immens. Allerdings: Die Lüge dürfe nicht überdecken, dass Antisemitismus ein ernstes Problem sei.

Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister von Leipzig und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, spricht nach Abschluss der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages bei einer Pressekonferenz.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Henning Kaiser

Der Prozess kennt nur Verlierer.

Burkhard Jung Oberbürgermeister der Stadt Leipzig (SPD)

Kritik am Verhalten des Musikers äußerten auch Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) und der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. Fast zwei Jahre lang habe Ofarim einen "falschen Vorwurf aufrecht erhalten und damit zugelassen, dass ein Mann grundlos beschuldigt wurde und darunter leiden musste", sagte Klein. "Zugleich hat er mit seinem Verhalten Judenhass Vorschub geleistet und der Bekämpfung von Antisemitismus in Deutschland schweren Schaden zugefügt", sagte Klein dem Portal t-online.

Petra Köpping
Bildrechte: picture alliance/dpa

Herr Ofarim hat der jüdischen Community mit seinem Verhalten einen Bärendienst erwiesen.

Petra Köpping sächsische Sozialministerin (SPD)

MDR (kk)/dpa/epd/AFP

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 28. November 2023 | 12:00 Uhr

Mehr aus der Region Leipzig

Mehr aus Sachsen