Zivilgesellschaft Propsteikirche in Leipzig setzt Zeichen gegen Umdeutung von Montagsdemos

09. Oktober 2022, 19:14 Uhr

Unter dem Slogan "Wir sind das Volk" tragen aktuell Menschen ihren Frust über die Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung auf die Straße. Dabei ist es in den vergangenen Wochen zum Schulterschluss mit rechtsextremen Kräften gekommen. Die Leipziger Innenstadtkirchen wehren sich nun mit einem Schriftzug gegen die Vereinnahmung der Friedlichen Revolution von 1989 durch diese Kräfte.

Die Leipziger Propsteikirche hat ein sichtbares Zeichen gegen eine Gleichsetzung der Montagsdemonstrationen der Friedlichen Revolution von 1989 mit den gegenwärtigen Demonstrationen gesetzt. An der Fensterfront des Gemeindehauses zum Innenstadtring hin prangt in großen Lettern der Schriftzug "22 ist nicht 89. Wir leben in keiner Diktatur!" Es handelt sich um eine Initiative der katholischen und evangelischen Leipziger Innenstadtkirchen.

Propst Giele: Schriftzug könne nicht übersehen werden

Der leitende katholische Pfarrer, Propst Gregor Giele, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur am Sonntag: "Wir können als Kirchen diese Instrumentalisierung einer verständlichen Angst der Menschen und den dafür verwendeten Rückgriff auf die Slogans der Friedlichen Revolution von 1989 nicht gutheißen und nicht still zur Kenntnis nehmen." Der weithin sichtbare Schriftzug habe eine doppelte Wirkung, so Giele: "Da gehen alle Demos dran vorbei, den kann kein Demonstrant übersehen. Und er hat auch die Funktion eines Faktenchecks." Bei den aktuellen Demos werde etwas behauptet, was nicht der Wahrheit entspreche, sagte Giele weiter.

Leipziger Kirchen nehmen sich Berlin zum Vorbild

Vorbild für die Aktion der Leipziger Kirchen ist ihm zufolge die evangelische Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg, die sich mit demselben Slogan am Kirchenportal gegen eine Vereinnahmung des historischen Ortes durch sogenannte "Querdenker" wehrt. Zuletzt hatten am Tag der Deutschen Einheit, mehrere tausend Menschen auf dem Leipziger Innenstadtring demonstriert. Die Proteste richteten sich vor allem gegen die Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung, die Gegendemos gegen Rechtsextremismus bei den Montagsdemos.

Lichtfest und ein DDR-Volkspolizei-Video

Am Sonntagabend erinnert die Stadt Leipzig mit dem alljährlichen Lichtfest an die Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989. Damals demonstrierten über 70.000 Menschen den Leipziger Innenstadtring entlang friedlich gegen das SED-Regime.

Am Montagabend dann wird im Museum in der "Runden Ecke" ein bisher unbekannter Schulungs- und Lehrfilmen der Volkspolizei des DDR-Regimes aus dem Sommer 1989 gezeigt. Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer beleuchtet dazu in einem rahmenden Vortrag die Gründe, die zum Rückzug der Sicherheitskräfte führten und schildert den Ablauf dieses entscheidenden Ereignisses der Friedlichen Revolution.

MDR (sme)/KNA

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