Eine überflutete Straße. Das Wasser geht bis an die Häuser und Grnflächen und Parkplätze sind überschwemmt.
Land unter an einer Kreuzung in Leipzig. Bildrechte: MDR

Starkregen & Kanalisation Überschwemmungen in Leipzig - "normal" bei Starkregen

22. Juli 2024, 11:55 Uhr

Mehr als 30 Liter Wasser kamen in wenigen Minuten vom Himmel gefallen und überschwemmten einige Straßenzüge in Leipzig. Diese Bilder aus der vergangenen Woche zeigen, was bei Starkregen in der Stadt passieren kann. In der Stadtverwaltung weiß man um dieses Problem und versucht mit einer "Blau-Grünen"-Stadtplanung dagegen zu arbeiten. Was heißt das genau?

Vergangene Woche war Land unter in Leipzig. Aufgrund von einem extremen Starkregen kam es im Stadtgebiet zu überfluteten Straßen. Ganz besonders heftig traf es unter anderem das nördliche Ende der August-Bebel-Straße: Hier vor dem Café Grundmann staute sich das Wasser zusammen mit Abwasser aus der Kanalisation.

Ein Mann in Kochweste steht vor einer Tür. 2 min
Bildrechte: MDR
2 min

Fr 19.07.2024 14:20Uhr 01:40 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Eckehart Grundmann, Inhaber vom Café Grundmann, erzählt: "Das Wasser lief in strömen die Körnerstraße und die Schenkendorfstraße herab und hier auf die Kreuzung vor unserem Café. Das größere Problem war aber, dass das Wasser nicht nur nicht ablief, sondern auch Regen- und Abwasser aus der Kanalisation hochgedrückt wurden, zusammen mit allem was dazu gehört."


Ab wann wird von Starkregen gesprochen? Von Starkregen spricht der Deutsche Wetterdienst (DWD), wenn mehr als 15 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von einer Stunde herunterkommen. Ebenso spricht der DWD von Starkregen, wenn mehr als 20 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von sechs Stunden abregnen. Deutscher Wetterdienst (DWD)

Das Unwetter am Freitag sei schon etwas Besonderes gewesen, denn so groß sei das Abwasserproblem das letzte Mal vor rund zehn Jahren gewesen. Laut Grundmann staut sich das Wasser aber auch schon bei weniger starken Regenfällen vor dem Café: "In den letzten drei Wochen stand hier schon zwei Mal das Wasser auf der Kreuzung." Das Unwetter am vergangenen Freitag brachte in Leipzig zwischen 20 und 35 Liter Regen in weniger als einer Stunde und wird vom DWD damit als Starkregen eingestuft.

Wo besteht Überschwemmungsgefahr?

An bestimmten Stellen im Stadtgebiet kommt es immer wieder zu Überschwemmungen. Das liegt an verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel Tieflagen, wenigen Abflussmöglichkeiten oder auch der Architektur der Kanalisation. Welche Gebiete besonders betroffen sind, zeigt eine Starkregengefahrenkarte der Stadt Leipzig. Die Karte illustriert, dass die Kreuzung vor dem Café Grundmann genau an so einem Hotspot liegt.

Karte der Stadt Leipzig mit eingzeichneten Gefahrenzonen.
Screenshot der Starkregengefahrenkarte von der Stadt Leipzig. Bildrechte: MDR

Die Gründe für den Hotspot am nördlichen Ende der August-Bebel-Straße Ecke-Mahlmannstraße sind vielfältig. Die Kreuzung ist etwas tiefer gelegen, weswegen das Wasser der umliegenden Straßen hier zusammenläuft. Dass das Abwasser aber auch aus der Kanalisation hochgedrückt wird, liegt an einem so genannten Hauptsammler.

Diese Hauptsammler sind die zentralen Abwasserkanäle, die Richtung Klärwerk führen. Wenn aufgrund von Starkregen die Kanalisation komplett mit Wasser gefüllt ist, dann kann es hier überlaufen - erklärt Ulrich Meyer, Technischer Geschäftsführer der Leipziger Wasserwerke.

Ein Mann im dunklen Anzug schaut freudlich in die Kamera. 2 min
Bildrechte: MDR/Leven Wortmann
2 min

Fr 19.07.2024 15:37Uhr 01:49 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Überschwemmungen sind erwartbar

Die Größe der Kanalisation sei so konzipiert, dass Regenmengen bis zu einem bestimmten Soll-Wert immer gut abfließen können. Normale Starkregenereignisse schaffe die Kanalisation auch ohne Problem, so Meyer. "Für sehr große Regenmengen in kurzer Zeit, so wie am vergangenen Freitag, müsste die Kanalisation aber so riesig sein, dass sie gar nicht mehr unter die Straße passen würde."

Für sehr große Regenmengen in kurzer Zeit müsste die Kanalisation aber so riesig sein, dass sie gar nicht mehr unter die Straße passen würde.

Ulrich Meyer Technischer Geschäftsführer der Leipziger Wasserwerke

Die Kanalisation baue man auch nicht größer, weil dass Probleme wie Gestank, hohe Kosten oder Ablagerungen mit sich bringen würde, sagt Meyer. Aufgrund des Klimawandels rechnen Wissenschaftler damit, dass Wetterextreme wie Starkregen immer häufiger werden. Um Starkregenereignissen und den Folgen des Klimawandels gewappnet zu sein, setzte die Stadt auf Konzepte, die das Regenwasser schon vorher abfangen. Es wird von einer Schwammstadt gesprochen.

Generationenaufgabe Schwammstadt

Zielsetzung für Leipzig als Schwammstadt ist laut Ulrich Meyer, dass in 20 Jahren 25 Prozent weniger Regenwasser in der Kanalisation landen soll. Rüdiger Dittmar, Leiter des Amts für Stadtgrün und Gewässer, erklärt dazu: "Das ist eine Generationenaufgabe. Mit der Planung haben wir bereits vor 20 Jahren angefangen und beteiligt sind verschiedenste Ämter der Stadt."

Es gehe darum, dass Regenwasser in der Stadt gespeichert werden kann. "Durch bepflanzte Dächer, mehr Straßenbegrünung oder Parks und Seen, wo Regenwasser versickert und gespeichert wird, lässt sich der Abfluss in die Kanalisation verringern."

Beispielgrafik für eine Schwammstadt mit begrünten Häusern, Bäumenen oder einem Wasserlauf.
1. Dach- & Fassadenbegrünung; 2. natürlicher Wasserrückhalt; 3. kühlendes Stadtgrün; 4. künstlicher Wasserabfluss & -rückhalt; 5. natürlicher Abfluss; 6. Versickerungsfläche Bildrechte: PantherMedia/MDR

Das Stadtgrün soll damit wie ein Puffer wirken. Daneben kann das im Grünen gespeicherte Regenwasser dann auch in Trockenphasen gegen Dürre und Hitze in der Stadt helfen. "Man muss sich vorstellen, dass durch die Flächenversiegelung der letzten 120 Jahre viele natürliche Wasserspeicher verschwunden sind. Unsere Aufgabe mit der Stadtplanung ist es jetzt, solche natürlichen Wasserspeicher wieder in die Stadt zu integrieren." Diese Konzepte werden in Leipzig auch als Grün-Blaue-Stadtplanung bezeichnet.

Perspektiven für Anwohner

"Alle sollten sich informieren, ob sie an einer durch Überschwemmungen bei Starkregen gefährdeten Stelle wohnen. Wo das der Fall ist, sind die Anwohner mitverantwortlich, sich darauf vorzubereiten," sagt Ulrich Meyer von den Wasserwerken. Um diese Anwohner zu unterstützen, haben die Stadt Leipzig und die Wasserwerke extra Beratungsangebote.

Eckehart Grundmann hat sein Café bereits nach einem Unwetter vor zehn Jahren auf Überschwemmungen vorbereitet. "Alle Angestellten wissen, was sie dann zu tun haben: Fenster schließen und gegebenenfalls die Tür abdichten. Wir haben auch Rückschlagklappen eingebaut und den Keller komplett ausbetoniert." In den angrenzenden Gebäuden sehe es allerdings nicht so gut aus, sagt Grundmann.

MDR (lev)

5 Kommentare

Mandel vor 37 Wochen

Das Fassungsvermögen der Kanalisation ist nur eine Seite der Medaille, der bauliche Zustand und der Pflegezustand ist ebenfalls ein Grund für die seit 2013 vermehrt auftretenden Rückstauvorfälle. Seit Jahren, trotz unzähliger Anrufe bei den zuständigen Stellen, sind die Straßeneinläufe eingedrückt und nicht einlauffähig, andere sind durch Pflanzen
überwuchert, die Schnittgerinne sind teilweise zu flächendeckend begrünt.
Eine regelmäßige Reinigung und Entleerung der Schmutzfangkörbe Fehlanzeige.
Bevor man über Schwammstadt und ähnliche Dinge schwafelt muß ersteinmal das vorhandene in Ordnung gehalten und gebracht werden. Von Entsieglung reden und jede freie Fläche zubauen lassen. Immer mehr Wohnraum schaffen wollen ohne die Infrastruktur zu erweitern kann sich nur als falsch erweisen. Dann noch darauf hinzuweisen der Bürger muß sich selbst auf solche Ereignisse vorbereiten ist arrogant und unverschämt.

Paul90 vor 37 Wochen

Ja, so ist das mit manchen technischen Systemen. Sie werden ausgelegt auf 99% der Fälle, weil das letzte % entweder technisch unmöglich ist oder so teuer und Ressourcen verschwendend, dass es halt bei 99% bleibt.

MarioT vor 37 Wochen

Es geht ja nicht nur um Dachbegrünung, das ist nur ein Baustein. Es geht darum, Wasser im Boden unter der Stadt zu puffern, anstelle es möglichst schnell abzuleiten. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten, damit Wasser versichern kann. Auch schon vor den Städten ist es möglich, Pufferbereiche in Gräben einzubauen, Wasser in die Fläche zu leiten oder auszubremsen.

Mehr aus Leipzig, dem Leipziger Land und Halle

Schülerinnen auf ihrem Schulweg 3 min
Bildrechte: IMAGO/Michael Gstettenbauer
3 min 07.04.2025 | 12:00 Uhr

Anlass der Untersuchung der Polizei und Universität Halle war eine Welle von Jugendgewalt ab dem Jahr 2022. 71 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, dass Halle ein großes Gewaltproblem habe.

MDR SACHSEN-ANHALT Mo 07.04.2025 14:11Uhr 03:14 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Mehr aus Sachsen