Mehrere Personen sitzen an einem Tisch.
Hans-Dieter Werther und Fritjof Hahn bei der Ausstellungseröffnung. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Tradition Vom Schnaps zum Hexeneis: Die Geschichte einer Nordhäuser Unternehmerfamilie

26. Januar 2024, 12:50 Uhr

Es ist nicht die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär - wohl aber die vom Kornbranntwein zum Hexeneis, die in Heichelheim im Weimarer Land gezeigt wird. In der Kloß-Welt der Firma Ablig Feinfrost ist in diesen Tagen eine neue Ausstellung eröffnet worden, die die Geschichte der Unternehmerfamilien Hügues und Werther aus Nordhausen erzählt. Zu sehen sind Exponate aus 100 Jahren.

Was haben Kornbranntwein und Hexeneis miteinander zu tun? "Eigentlich nichts", ist die Antwort von Hans-Dieter Werther, dem Erfinder des Hexeneises. Doch hört man seine Geschichte, wird klar, was beide Produkte dann doch miteinander verbindet. Es ist die Historie.

Seine inzwischen 90 Lebensjahre sind Hans-Dieter Werther nicht anzumerken. Angesprochen auf seine Familiengeschichte sprudelt er, kennt Episoden und Fakten wie ein wandelndes Lexikon. Die neue Ausstellung in der Kloß-Welt in Heichelheim hat er maßgeblich mitgestaltet. Ein Großteil der Exponate stammt aus seinem Familienbesitz.

In der DDR konnten wir zuerst noch ungehindert weiterarbeiten und Korn produzieren, doch dann wurde es schlimmer.

Hans-Dieter Werther Hexeneis-Erfinder

Hans-Dieter Werther
Hans-Dieter Werther bei der Eröffnung der Sonderausstellung zur "Unternehmergeschichte der Familien Hügues und Werther aus Nordhausen". Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Gezeigt wird Werthers Werdegang und der seiner Vorfahren. 1933 in Ammerberg als Sohn einer bekannten Nordhäuser Unternehmerfamilie geboren, studierte Hans-Dieter Werther nach der Schule in Jena und Berlin Chemie, technische Mikrobiologie und Soziologie. Zwei Jahre nach dem Diplom zum Brennerei-Ingenieur stieg Werther in den Familienbetrieb ein.

"In der DDR konnten wir zuerst noch ungehindert weiterarbeiten und Korn produzieren, doch dann wurde es schlimmer. Die DDR-Führung wollte später die Spirituosen bei Nordbrand konzentrieren. Wir kriegten weniger Zuteilung an Rohstoffen und mussten uns umorientieren", sagt er.

Not machte erfinderisch

Die Werthers wurden kreativ und produzierten zunächst alkoholfreie Getränke, dann kam das Hexeneis.  Hans-Dieter Werther gab ihm den Namen, abgeleitet vom Harzer Hexenbesen, einem Kräuterlikör, den die Firma einst produzierte. Werther ließ sich ein Patent eintragen, der Name war fortan geschützt, auch wenn das Unternehmen in seiner Struktur durch viele Veränderungen ging.

"Wir wurden vom Privatbetrieb zu einem Betrieb mit staatlicher Beteiligung und dann zum VEB", sagt Werther. "Dann wurden zwei VEB zusammenlegt und es kam zum Kombinat. Die Verstaatlichung war sozusagen ein freiwilliger Zwang" - den die Marke Hexeneis überlebte.

Wir wurden vom Privatbetrieb zu einem Betrieb mit staatlicher Beteiligung und dann zum VEB.

Hans-Dieter Werther Hexeneis-Erfinder

Schwierig wurde es nach der politischen Wende. "Die Treuhand hat uns nichts Gutes gebracht", resümiert Werther. Er hat gekämpft und seine Produktpalette erweitert, war auf Messen unterwegs, versuchte seine Produkte vor Supermärkten zu verkaufen, doch der Erfolg stellte sich nicht ein. Anfang der 1990er-Jahre musste sich Werther das Ende des Unternehmens eingestehen.

Mehrere Personen in einer Ausstellung.
Auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) war bei der Eröffnung zu Gast. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Nur das Hexeneis blieb

Die Firma wurde dicht gemacht, doch die Marke Hexeneis bestand weiter. 2003 drohte das Patent auszulaufen. Werther erinnerte sich an eine Bekanntschaft aus dem Weimarer Land. Auf einer Messe für Thüringer Produkte hatte er zehn Jahre zuvor Fritjof Hahn getroffen.

Der Geschäftsführer der Ablig Feinfrost GmbH erhielt einen Anruf. "Es war Hans-Dieter Werther, an den ich mich sehr gut erinnern konnte. Er hat mir angeboten, das Hexeneis wieder neu aufzulegen." Hahn zögerte nicht lange. Er übernahm die Marke und mit ihr die Rezepte.

Alte Eismaschinen in einer Ausstellung.
In der Ausstellung sind Exponate aus rund 100 Jahren Unternehmensgeschichte zu sehen. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Nach zehn Jahre Pause wurde wieder Hexeneis produziert. "Nach alten Rezepten mit noch besseren Zutaten", sagt Hahn. Heute läuft es in großen Teilen in Heichelheim im Weimarer Land vom Band. Dort können Besucher nun seine Geschichte erfahren. Und wissen am Ende, was Eis und Schnaps miteinander zu tun haben.

Ganz nebenbei sehen sie technische Gerätschaften aus den vergangenen Jahrzehnten, bekommen gezeigt, wie einst Eis produziert wurde und erleben Aha-Effekte, wenn sie zum Beispiel Plastik-Becher aus DDR-Milchbars sehen. "Es sind Kindheits-Erinnerungen", schwärmen die ersten Gäste.

Die Ausstellung in der Kloß-Welt in Heichelheim ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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Verschiedene Bilder an einer Ausstellungswand
Werke von Britta Schatton. Links die Original-Collagen aus Merinowolle-Seide-Wolletamine-Papierfilz auf Baumwollgewebe und Leinwand. Rechts daneben mit KI erzeugte Bilder auf Basis der Beschreibungen der Originale. Bildrechte: Cornelia Erdmann

MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 26. Januar 2024 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

Maria A. vor 13 Wochen

Dieser Beitrag ist echt interessant. Das mit dem Produktionsende vom Nordhäuser Korn kann man so oder so sehen. Es wird ja, zumindest in meinem Umfeld, viel weniger Alkohol getrunken, als früher. Aber es ist mir nichts bekannt, dass es Einschränkungen beim Eisverzehr gibt. Ob Hexeneis ist meinem Bekannten- und Verwandtenkreis beliebt ist, weiß ich nicht. Ich kaufe im Sommer immer noch gerne Eis. Und tatsächlich ab und zu auch Hexeneis.

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