Zwei Frauen stehen vor einem Schreibtisch in einem Büro.
Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle "Elly" stehen ab heute Betroffenen von so genannter "Hate Speech" mit Rat und Hilfe zur Seite. Bildrechte: MDR/David Straub

Hass und Hetze im Internet Beratungsstelle gegen Hate Speech "Elly" startet in Erfurt

14. Juni 2023, 05:00 Uhr

Online-Drohungen, Diskriminierung, Gewalt durch Sprache, kurz "Hate Speech". Wer das Internet, soziale Medien und Messenger-Dienste nutzt, kommt damit fast zwangsläufig in Berührung. Die Dunkelziffer des Phänomens ist hoch. In Erfurt eröffnet nun eine neue Beratungsstelle, an die sich Betroffene wenden können.

Die Anlaufstelle für Opfer von sogenannter Hate Speech war schon lange geplant. Zwei Beraterinnen betreuen von jetzt an Betroffene von Hass und Hetze im Internet in den neuen Räumen in der Clara-Zetkin-Straße 40 in Erfurt. Beratungen sind aber auch Online oder am Telefon möglich. Das neue Angebot namens "Elly" ist ein Projekt der Opferberatungsstelle Ezra und damit ebenfalls in Trägerschaft der Evangelischen Kirche.

Finanzierung durch Innenministerium

Ezra-Geschäfsführer Franz Zobel sagte dem MDR, bei der neuen Stelle handle es sich um ein zusätzliches Angebot. "Als Ezra hatten wir schon vor Jahren auf den gestiegenen Bedarf aufmerksam gemacht und ein entsprechendes Beratungsangebot gefordert. Gleichzeitig haben Landespolitiker*innen verschiedener Parteien auf die Probleme mit Hate Speech, auch aus eigener Erfahrung, verwiesen."

Die neue Stelle wird vom Landespräventionsrat beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales finanziert. Für das Jahr 2023 sind rund 184.000 Euro bewilligt worden.

Wir können darüber informieren, welche Möglichkeiten es gibt, um gegen Täter und Täterinnen vorzugehen.

Laura Gdowzok I Elly-Beraterin

Studie: Fast jede vierte Person betroffen

Elly-Beraterin Laura Gdowzok sagte dem MDR, man gehe von einem hohen Beratungsbedarf aus. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass fast jede vierte Person von Hate Speech betroffen sei. Der Anteil direkt Betroffener liege in Thüringen über dem bundesweiten Durchschnitt. Zielgruppen seien alle Menschen, die von Hate Speech betroffen seien, dazu zählten vor allem Menschen, die in der Gesellschaft ohnehin marginalisiert seien, wie etwa Frauen, queere Menschen oder People of Colour. Eine weitere wichtige Zielgruppe seien politische Mandatsträger.

"Wir können darüber informieren, welche Möglichkeiten es gibt, um gegen Täter und Täterinnen vorzugehen. Wenn sie es möchten, können wir sie zu erfahrenen Anwält*innen vermitteln und sie vor Gericht begleiten", sagte Laura Gdowzok. Auch bei Schutzmaßnahmen wie einer Melderegistersperre könnten die Elly-Beraterinnen unterstützen.

Bedarf an Beratungen nimmt zu

Der Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Raymond Walk sagte dem MDR, grundsätzlich könnten alle Bürgerinnen und Bürger Opfer von Hate Speech werden. Die Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger seien in den vergangenen fünf Jahren geradezu explodiert. "Diese Entwicklung ist höchst besorgniserregend und eine große Gefahr für unsere Demokratie. Einschüchterung, Hetze und Gewalt richten sich seit Jahren gegen kommunale Amts- und Mandatsträger sowie Parteirepräsentanten." Aufgrund dieser Entwicklungen sehe er einen großen Bedarf für die Einrichtung einer solchen Stelle.

Linke fordert langfristige Finanzierung

Die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss sagte dem MDR, nun sei es wichtig, dass die Hate-Speech-Beratung ihr Kerngeschäft erledigen könne und nicht mit jedem Jahresende um die Finanzierung und etwaige Kündigungen bangen müsse. "Hate Speech wird sich leider im nächsten Jahr nicht als gesellschaftliches Problem in Luft aufgelöst haben." Man werbe daher für eine langfristige Strukturförderung des Projektes. "Wie schnell aus Worten Taten werden, lässt sich beim Mord an Walter Lübcke nachvollziehen. Der Ursprung lag auch in einer Vielzahl an Hassbotschaften", so König-Preuss weiter.

Die aktuelle Statistik der politisch motivierten Kriminalität weist für Thüringen einen Anstieg der strafbaren Hasskriminalität um rund 47 Prozent auf: von 390 Fällen im Jahr 2021 auf 573 Fälle 2022.

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MDR (dmk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 14. Juni 2023 | 07:30 Uhr

9 Kommentare

TomTom vor 48 Wochen

Mir machen solche dümmlichen Kommentare wirklich Angst. Um es sicherheitshalber zu erwähnen: Lina E. gehört bestraft, den Randalierern von Leipzig das Handwerk gelegt, aber wie man in Deutschland mit unserer Geschichte wieder rechtem Gedankengut auf den Leim gehen kann und sich dessen auch noch mit Smileys feiert, zeugt von mangelnder Bildung, moralischen Defiziten und politischer Ahnungslosigkeit. Ich hoffe inständig, dass sich die 1930er Jahre nicht wiederholen. Es fing an mit politischer Ahnungslosigkeit an den Wahlurnen.

Wessi vor 48 Wochen

"Versuchter Mord" @ Ralf G ... ist legal definiert.Lina E. ist nicht wg. versuchten Mordes, nicht einmal versuchten Totschlags, noch nicht rechtskräftig, verurteilt.Wir haben ein differenziertes Rechtssystem.Und ich sage: Ralf G lügt.Vor allem weil Sie jetzt versuchen einen Sozialdemokraten mit linken Gewalttätern in eine Schublade zu stecken.Das ist beleidigend und ein netiquette-Verstoß.W.Lübcke ist tot und solche wie Sie meinen mit whataboutism relativieren zu können.PFUI.

Kleingartenzwerg vor 48 Wochen

Hinsichtlich einer neutralen Beratung kann sich jeder auf der Website von Ezra selbst eine Meinung bilden.
Unter dem Reiter Beratung steht, wer sich an die Beratungsstelle wenden kann, Neutralität sieht für mich anderes aus.
Unter dem Reiter Chronik kann man die gemeldeten rechten Vorfälle auflisten.
Für 2023 sind sechs Vorfälle aufgelistet!
Da müssen natürlich weitere Arbeitsgebiete akquiriert werdtdamit man sich nicht selbst in Frage stellt.

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