Das verschwommene Schwarz-Weiß-Bild einer einer Person mit langen Haaren.
Mit verschiedenen Techniken versucht Halina Hildebrand die Situation in Israel einzufangen. Bildrechte: Halina Hildebrand

Fotografie Erfurter Ausstellung zeigt Gesichter des Gaza-Konflikts

18. Oktober 2024, 14:40 Uhr

Das Erfurter Stadtmuseum zeigt ab Freitag eine Fotoausstellung über den aktuellen Konflikt zwischen Israel und Palästina. Am 7. Oktober 2023 überfiel die Hamas israelische Siedlungen und ein Musikfestival. Dabei tötete sie gezielt zahlreiche Menschen und nahm mehrere Geiseln. Die israelische Regierung antwortete darauf militärisch. Die Fotografin Halina Hildebrand war seitdem mehrmals vor Ort. Das Stadtmuseum in Erfurt zeigt ihre fotografischen Arbeiten – zwischen Dokumentation und Poesie.

"Ich muss zugeben, bei diesen Bildern war das Entsetzen so groß", erzählt die Berliner Fotografin Halina Hildebrand. "Dass man hier ein Stückchen Himmel sieht, war zufällig, aber ganz sicherlich intuitiv." Unter dem Stückchen hellblauer Himmel zerstörte Matratzen, zerfetzte Wände, Möbel, Metallstäbe ragen aus dem Boden. Die großformatigen Fotografien vermitteln ein Bild der Verwüstung, und doch sieht es fast poetisch aus.

Blick in eine verwüstete Wohnung: Die Wände sind angekokelt, zwischen Unrat liegen zwei Matratzen und stehen Stühle. Durch das fehlende Dach ist blauer Himmel zu sehen.
Mit ihrer Kamera dokumentierte Halina Hildebrand die Zerstörung an der Grenze zum Gaza-Streifen. Bildrechte: Halina Hildebrand

Kunst mit Kontext in Erfurt

Entstanden sind Halina Hildebrands Bilder im Süden Israels, wo vor dem 7. Oktober 2023 noch ein normales Leben herrschte. Ihre Bilder erzählen dokumentarisch, was sie gesehen hat, wen sie in den ehemaligen Kibbuzim traf und welche Menschen dort einst lebten – bis zu jenem Tag, an dem die Hamas brutal Menschen niedergemetzelt und andere als Geiseln genommen hat – teilweise bis heute. 

Im Erfurter Stadtmuseum sind Hildebrands Bilder auf einer eigenen Etage zu sehen. Der Ausstellungstitel "Sei a Mensch" ist dem Jiddischen entlehnt und gleichwohl ein Balance-Akt in diesen Zeiten – zwischen Ethik und der Existenz. Das weiß auch der Museumsdirektor Hardy Eidam: "Wir werden neben den einmaligen, sehr intensiven Fotos auch eine Kontextualisierung in Bezug auf die Situation im Gazastreifen bringen. Ich denke, wir machen das ausgewogen, die Seiten darstellen. Aber wir zeigen auch die Wahrheit: Dass wir über Terror reden", so der Direktor.

Schwarz-Weiß-Bild einer Frau, die in einem Raum voller Stühle und Tische und sich erschöpft auf ihre Hand stützt.
Halina Hildebrand hat zahlreiche Menschen in Israel getroffen und gesprochen, darunter diese Frau. Bildrechte: Halina Hildebrand

Erfurter Foto-Ausstellung zeigt Schrecken und Trauer

Und dass es um Menschen geht, die alles verloren haben, nur noch ein T-Shirt aus ihrer alten Welt in der Hand halten – weil alles andere tot oder zerstört ist. Halina Hildebrand hat viele Angehörige sowie einige Freigelassene und Überlebende gesprochen und fotografiert. "Es sind nicht die Bilder, es sind die Geschichten, die einem den Atem rauben", erklärt Hildebrand.

Sie sei als Fotografin eigentlich ein visueller Mensch, aber die Erzählungen seien ihr dennoch im Ohr hängen geblieben. "Dann gibt es so Sachen: Du legst dich ins Bett, machst die Augen zu, und plötzlich bist du wieder hellwach, weil eine Geschichte dir wieder in den Sinn kommt – und die waren horrend, unvorstellbar", berichtet die Künstlerin.

Nur schwer kann sie selbst diese Bilder und Begegnungen verarbeiten. Meist zeigt sie dokumentarisch Orte und Menschen. Andere Bilder hat sie mehrfach belichtet: Motive liegen übereinander und zeigen Gesichter von maßloser Traurigkeit, Leere und die zerstörte Existenz. Das Fotografieren, sagt sie, sei ein einsamer Job. 

Foto-Montage: Schwarz-Weiß-Bild eines Frauengesicht über dem Foto einer ausgebrannten Wohnung.
Die Ausstellung in Erfurt will das menschliche Leid nachfühlbar machen. Bildrechte: Halina Hildebrand

Schwierige Positionen zu Israel und Palästina

Und ja, Position zu beziehen, was politisch in Israel derzeit richtig und falsch laufe, falle nicht nur ihr schwer. Sie weiß um die Wahrnehmung der israelischen Politik, um die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Vergeltung und von den zivilen Opfern – auf der einen wie der anderen Seite. 

Israel, sagt Hildebrand, sei im Moment in einem wirklichen Dilemma "zwischen Ethik, dem höchsten Stellenwert: das Menschenleben, und der Existenz – weil, wenn sie nichts machen, gibt es bald kein Israel mehr." Sie weiß, was vielen das Land bedeutet. Und was auf dem Spiel steht. Halina Hildebrands beeindruckende Bilder aus dem Süden Israels in der Erfurter Ausstellung "Sei a Mensch" sind mehr als ein Plädoyer.

Weitere Informationen

"Sei a Mensch“ – Fotografien von Halina Hildebrand
Ausstellung von 18. Oktober 2024 bis 30. März 2025

Adresse:
Stadtmuseum "Haus zum Stockfisch" 
Johannesstraße 169
99084 Erfurt

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen

Eintritt:
6 Euro, ermäßigt 4 Euro

Barrierefreiheit:
Der Aufzug zu den Ausstellungsräumen im ersten und zweiten Stock ist nur über acht Stufen erreichbar.

Redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. Oktober 2024 | 07:40 Uhr

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