Bauarbeiter mit Fahrzeugen auf einer Brücke.
27 Brücken sind in Erfurt gefährdet. Problematisch ist die Situation vor allem auf dieser Brücke über die B4. Bildrechte: MDR/David Straub

Sicherheit 27 Brücken in Erfurt gefährdet - Stadt mit großem Investitionsstau

18. Dezember 2024, 17:16 Uhr

27 der insgesamt 262 Brücken in Erfurt sind gefährdet. Besonders die Brücke der Schwarzburger Straße bereitet Sorgen. Um Katastrophen wie den Einsturz der Dresdner Carolabrücke zu verhindern, schaut die Stadt jetzt genauer hin - und schränkt den Verkehr auf einer Brücke ein.

In Erfurt sind aktuell 27 Brücken laut Stadt "potenziell einsturzgefährdet". Demnach besteht zwar keine akute Gefahr - laut Tiefbauamt ist es aber möglich, dass die Brücken wegen ihrer Bauweise mit Stahl einer "Spannungsrisskorrosion" ausgesetzt sind.

Diese kann entstehen, wenn ein Metall unter Spannung steht und zudem etwa Wasser einwirkt. "Die reagieren nicht so, wie üblicherweise Stahl reagiert: dass sie bei Überbeanspruchung anfangen zu fließen", sagt Tiefbauamtsleiter Alexander Reintjes. "Sondern die reißen sofort weg." Auch bei der Carolabrücke in Dresden war dies der Fall.

Zudem ist es unmöglich, 27 Brücken in der Stadt auf einmal zu sperren.

Alexander Reintjes Tiefbauamtsleiter

Eine Brücke, darunter eine Schnellstraße.
Erfurt hat 262 Brücken. Diese hier, in der Nähe der Universität, bereitet der Stadt Sorgen. Bildrechte: MDR/David Straub

Brückensanierung Schritt für Schritt geplant

Die betroffenen Brücken sollen bald saniert werden - doch die Stadt steht vor einem großen Investitionsstau: Den Angaben zufolge belaufen sich die Kosten auf mehr als 100 Millionen Euro. Weil die Stadt das Geld aber nicht hat, will die Kommune Schritt für Schritt vorgehen. "Zudem ist es unmöglich, 27 Brücken in der Stadt auf einmal zu sperren", so Reintjes

Darüber hinaus brauche es ein Bauprogramm, dass die Brücken noch benutzbar hält. Wenn nötig, soll der Verkehr auf den Bauwerken eingeschränkt werden - bis das Geld für eine Sanierung da ist.

Zustand einer Erfurter Brücke "signifikant verschlechtert"

Betroffen ist unter anderem die viel befahrene Brücke der Schwarzburger Straße über die Hannoversche Straße. Die Schwarzburger Straße ist eine wichtige Verbindung zwischen der Innenstadt und dem Ortsteil Marbach. Sie ist derzeit wegen Tiefbauarbeiten gesperrt. Die Überprüfung der Brücke in der Nähe der Universität hat "eine signifikante Verschlechterung des Zustandes ergeben", erklärt die Stadt. "Daher handeln wir jetzt präventiv und gehen auf Sicherheit." Keine der Brücken sei "akut einsturzgefährdet".

Ob die Schäden wirklich auf Spannungsrisskorrosion zurückzuführen sind, sollen weitere Untersuchungen durch eine Spezialfirma im Januar ergeben. Dann wird sich laut Reintjes zeigen, ob die Brücke in der Schwarzburger Straße möglicherweise noch zwei, drei Jahre hält oder abgerissen werden muss.

Für den Individualverkehr haben wir bisher aber noch keine Lösung.

Alexander Reintjes Tiefbauamtsleiter

Ein Neubau der Brücke hätte demnach gravierende Folgen: Bisher nutzen das Bauwerk auch Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr, wenn sie von Einsätzen zurückkehren. Sollte die Brücke abgerissen werden müssen, müsste die Ausfahrt der Berufsfeuerwehr in die Bundesstraße 4 so umgebaut werden, dass sie auch als Einfahrt genutzt werden kann. "Für den Individualverkehr haben wir bisher aber noch keine Lösung", räumt Reintjes ein.

Viel befahrene Strecke dauerhaft eingeschränkt: Folgen für Busverkehr und Müllentsorgung

Um sicherzugehen, wird der Verkehr auf der Strecke dauerhaft eingeschränkt. Ab Freitag soll nach Angaben der Stadt die Straße mit Leitplanken eingeengt werden, die Brücke ist dann nur noch einspurig befahrbar. Der Verkehr wird mit einer Ampel geregelt.

Eine Brücke, darunter eine Schnellstraße.
Ab Freitag wird die Fahrbahn der Schwarzburger Straße auf der Brücke verengt - am Mittwochmorgen liefen bereits Vorbereitungen. Bildrechte: MDR/David Straub

Eine verengte Fahrbahn bleibt nicht die einzige Konsequenz. So darf dieser Bereich nur noch mit einer Geschwindigkeit von zehn km/h befahren werden, das maximale Fahrzeuggewicht liegt bei 16 Tonnen. Feuerwehr und Rettungsdienste, die in der Nähe stationiert sind, dürfen weiterhin mit Sonderrechten passieren. Auch die Stadtbuslinie 90 verkehrt bis Januar weiter auf der regulären Strecke. Es werde jedoch eine Umleitungsstrecke vorbereitet, so die Stadtverwaltung. Auch die Tourenpläne der Müllentsorgung müssen umgestellt werden.

Wir sind nicht übervorsichtig.

Stadt Erfurt

Von der Erfurter Stadtverwaltung heißt es zu den Überprüfungen: "Wir sind nicht übervorsichtig, wir folgen unserem Protokoll, das wir auch schon vor dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden hatten. Allerdings hofften wir, dass diese Brücke bis zur geplanten Erneuerung im Jahr 2028 durchhält."

Laut "Thüringer Allgemeine" will die Stadt den ohnehin geplanten Ersatzneubau der Brücke deshalb auch vorziehen. Statt 2028 wird nun 2026 angepeilt. Die Zeitung nennt als weitere Risikofälle die Brücken an der Warschauer Straße, der Kranichfelder Straße (Abzweig Wiesenhügel) und zwei Brücken der Nordhäuser Straße.

Erfurt eine der brückenreichsten Städte in Deutschland

Erfurt ist mit 262 Brücken eine der brückenreichsten Städte Deutschlands. Bereits im vergangenen Herbst berichtete der MDR, dass viele davon dringend saniert oder neu gebaut werden müssen. Weil das Geld dafür fehlt, lässt die Stadt die Brücken immer wieder engmaschig kontrollieren. Mehr dazu in diesem Text oder in dieser Reportage aus dem November 2022:

Wie werden Brücken überprüft? Gibt es noch weitere bröselnde Bauwerke? Was muss passieren, damit der Zustand der Brücken sich wieder bessert? Und wie wahrscheinlich ist es, dass es zu weiteren Einstürzen kommt? Die wichtigsten Antworten gibt es hier.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version haben wir berichtet, dass die Brücken "einsturzgefährdet" sind. Das haben wir korrigiert. Sie sind potenziell einsturzgefährdet, wie es von der Stadt heißt - von ihnen geht also keine akute Gefahr aus.

MDR (kir/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 18. Dezember 2024 | 07:30 Uhr

39 Kommentare

Anita L. vor 16 Wochen

"Zwar könnte man annehmen, dass nun die WSB die fehlende Querung für den ÖPNV, Individual- und Wirtschaftsverkehr abfedert, aber das ist kaum spürbar."

Das Problem des "kaum spürbaren" Abfederns dürfte hier in Ihrem "nun" liegen. Impliziert dieses doch, dass die Waldschlösschenbrücke bisher nicht, sondern - "nun" eben - erst als Ausweichstrecke geöffnet worden wäre.
Allerdings bin ich sehr froh, dass ich den allergrößten Teil meiner Fahrten in die und aus der Stadt mit dem Fahrrad abspulen kann... So des Morgens an der Staukolonne in Richtung Marienbrücke vorbeizurollen, das hat schon was...

astrodon vor 16 Wochen

@Tamico: Wenn man Experten zu Entscheidern mach hat man genau das, was wir heute haben: Politiker. Die müssen politische Entscheidungen treffen und die lassen sich oft nur schwer oder gar nicht mit den Entscheidungen der Experten in Einklang bringen.

astrodon vor 16 Wochen

@GEWY: "Wenn, dann erklärt man warum die Kritik unberechtigt ist." - Das klappt aber leider nicht bei jedem - nein, nicht Kritiker, sonder Nörgler, Besserwisser, Nöla...... Denn da geht es ja gar nicht um Kritik, sondern nur um Verächtlichmachung von menschen, die ihren Job machen. Mehr oder weniger gut, wie wir alle. Aber solche Menschen (auch hier im Forum) verbreiten doch die Mär, alle Mitarbeiter in Verwaltungen wären dumm, faul und geldgierig.

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