Fasching Karneval auf dem Domplatz in Erfurt: Närrische Party, Kritik und ein Versprechen

19. Februar 2023, 20:36 Uhr

Aus Kostengründen war der traditionelle Karnevalsumzug in Erfurt in diesem Jahr abgesagt worden. Als Ersatz gab es am Sonntag ein Bühnenprogramm auf dem Domplatz. Am Nachmittag hatte die Polizei weniger als 2.000 Besucher gezählt, die Veranstalter sprachen schließlich von bis zu 8.000 Menschen. Während sich einige Narrinen und Narren vom Wetter und vom Ausfall des Umzugs die Stimmung nicht vermiesen ließen, gab es hinter den Kulissen auch deutliche Kritik.

Die langen Gesichter nach der Absage des Erfurter Faschingsumzuges hatten sich aufgehellt - der Himmel nicht. Die närrische Party begann 11:11 Uhr auf dem Domplatz bei strömendem Regen und dementsprechend wenig Partygästen. Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) und der Präsident der Gemeinschaft Erfurter Karneval (GEC), Thomas Kemmerich, gaben den Startschuss mit einem Versprechen: "Im nächsten Jahr wird es wieder einen Umzug geben."

Auf rund 120.000 Euro hätte sich der letzte Kostenvoranschlag für den Umzug belaufen, das war zu viel, so Bausewein. Für die Party gibt die Stadt zwischen 80.000 und 100.000 Euro aus, auf bis zu 10.000 Besucher hatte sie gehofft. Bausewein will für den Umzug 2024 eine Haushaltsstelle einstellen."Jetzt gab es viel Kritik wegen unserer Absage. Aber ich bin gespannt, ob die vielen, darunter auch Stadträte, die gesagt haben, es war ein Fehler den Umzug abzusagen, dann zustimmen, wenn die Summe im Haushalt steht."

Absage war ein Schock für den GEC

Neben einer großen Bühne hatte die Stadt binnen zwei Wochen alles für eine fröhlich-bunte Faschingsparty organisiert: Ein Festzelt zum Aufwärmen, viele Imbisswagen, es gab Glühwein, Bier, Fischbrötchen, Bratwurst und auch den einen oder anderen Taschenrutscher. Gegen 13 Uhr füllte sich der Domplatz dann auch langsam, gab es die ersten Polonaisen. Und der eine oder andere versöhnte sich mit den Umständen. "Wir machen das Beste draus" war offenbar der kleinste gemeinsame Nenner. "Es ist ein Ersatz, aber nicht das, was wir sonst so gewohnt sind", sagten Maik und Bianca Zimmer, die entgegen sonstiger Gewohnheit auch nicht kostümiert zum Domplatz kamen.

Bettina Müller ist Schatzmeisterin der GEC und sagt: "Wir können eben nur so viel Geld ausgeben, wie wir zur Verfügung haben. In diesem Jahr war es eben nun mal nicht anders möglich." Die Absage des Umzugs war ein Schock für die Vereine, aber was die Stadt auf dem Domplatz auf die Beine gestellt hat, passe schon. Die gebauten kleinen Wagen für den Umzug blieben in der Garage. "Große Wagen hätten wir wegen der Streckenführung und der Sicherheit in diesem Jahr ohnehin nicht rollen lassen können, deshalb wurden nur Handwagen dekoriert."

Party ist kein Ersatz für den Umzug

Die Gardemädchen des Anger Karneval Clubs (AKC) wären gern durch die Erfurter Altstadt getanzt, waren aber froh, sich wenigstens auf der Bühne präsentieren zu können. "Die Party macht uns Spaß", sagt Anna-Mae (21), die am Nachmittag mit vielen anderen einen großen Showauftritt auf der Bühne hatte. Und Uta, Tanztrainerin beim AKC, nahm es gelassen. "Ist halt jetzt so. Ich hab' sehr gute Laune. Ein Umzug wäre mir zwar zehnmal lieber gewesen, aber was soll's. Wir feiern jetzt und alles andere spielt heute keine Rolle, darüber wird später geredet", sagt's und führt die Kindertanzgruppe erstmal etwas unters Bühnendach. Die wertvollen Kostüme sind mit Regencape und die Kappen mit Duschhauben vorm Dauerregen geschützt. Und die Kinder sind mindestens genauso aufgeregt, als würden sie im großen Festumzug durch Erfurt laufen.

"Wir machen das Beste draus" war auch das Motto einer durchaus enttäuschten Prinzessin Tina I. "Ich habe mich riesig auf den Umzug gefreut, aber nach zwei Jahren Corona bin ich froh, dass wir das hier machen können, und ich genieße das närrische Fest in vollen Zügen. Die Party ist aber kein Ersatz für den Umzug. Es ist einfach etwas anderes, wenn man durch die Straßen zieht und den Kindern Kamelle zuwerfen kann." Vor 30 Jahren war sie Erfurts erste Kinderprinzessin. "In 30 Jahren bin ich die erste Seniorenprinzessin", kündigt sie schon mal an und hat beste Laune.

Anonymes Schimpfen auf die Stadt

Am Mittag waren es dann schon viele Hundert Faschingsfans. "Wenigstens können wir etwas feiern, auch wenn das kein Ersatz für einen Umzug ist", meinte Holger. Der Erfurter - zum Karneval reicht, sagt er, der Vorname - vermisst den Straßenumzug sehr und "den habe ich mir in Marbach geholt. Dort gab es ja heute einen kleinen Umzug, da bin ich erstmal dorthin gegangen", sagt er, trinkt sein Bier und schüttelt die blonde Langhaarperücke. Im Erfurter Ortsteil Marbach - der Verein gehört nicht der Gemeinschaft Erfurter Karneval (GEC) an - gab es einen kleinen Umzug, der von der Stadt genehmigt worden war. Ein zweiter, der gegen Mittag "spontan" durch die Altstadt ziehen wollte, war am Freitag als "Versammlung" beantragt und von der Stadt abgelehnt worden. Da der Marsch laut Stadtverwaltung gemäß Versammlungsrecht eben keine Versammlung ist.

Es brodelt hinter den Kulissen. Zugleiter, die heute zwar ihre entsprechend roten Jacke anhatten, hatten nichts zu tun. "Wir wollten schon die Aufschrift Zugleiter überkleben", meinten sie verbittert. Wenn man mit GEC-Mitgliedern spricht, gibt's da immer erst den Satz: Aber meinen Namen schreiben sie bitte nicht. Und dann wird mächtig geschimpft, auf die Stadt, die sich nun den Umzug "unter den Nagel reißen" will, obwohl das die GEC seit Jahrzehnten alleine und gut gestemmt habe. Die Stadt, heißt es, will sich das künftig nur an Land ziehen, weil Mitarbeiter Jobs bräuchten. GEC-Präsident Thomas Kemmerich kann dem aber viel Positives abgewinnen. Auf der Bühne vor vielen Hundert Faschingsfans erklärte er am Nachmittag: "Die nächsten Jahre werden wir gemeinsam mit der Stadt wieder einen Umzug auf die Beine stellen. Die Stadt wird sich um Sicherheit und Ordnung kümmern und die Vereine tragen dann die schöne Bürde, sich nur noch um das Brauchtum, um Inhalte, um das zu kümmern, was Spaß macht."

Bühnenprogramm mit Mickie Krause stimmt versöhnlich

Besucher, die zum Teil aus ganz Thüringen und zum Beispiel auch aus Fulda angereist waren, feierten ausgelassen. Ballermann-Größen wie Mickie Krause und Isi Glück, aber auch die Angerspatzen heizten ein. Kai Grün, Programmchef der GEC, wünscht sich fürs nächste Jahr: "Erst einen Umzug und danach so eine Partie wie die heute." Unter dem Motto "Domplatz Helau" tanzten, sangen und tranken Hexen, Bienchen, Feen und Schwäne, Indianer und auch drei Chewbaccas mit rosa, grünen und blauem "Fell". Sie seien nicht von einem anderen Stern, sondern aus Gispersleben, verrieten sie am Bierstand stehend. "Es findet wenigstens etwas statt", so Mark. "Die Musik ist toll. Es ist ein würdiger Ersatz für den Umzug", ergänzt eine überaus fröhliche Sabine Frank.

Ihr Mann Klaus kann der Partie sogar mehr als einem Umzug abgewinnen: "Ich finde es sogar besser. Am Straßenrand sind alle ja verteilt, aber hier wird richtig Party gefeiert. Toll. Seit 30 Jahren fahren wir nach Köln, sind richtige Faschingsfans und das hier auf dem Domplatz, das passt."

"Domplatz Helau" war die Party überschrieben - und Jubel und Applaus gab es nicht nur für die Sänger, sondern vor allem für die Stadtspitze und den GEC-Präsidenten, die im Beisein der Vereine, die extra für das Statement auf die Bühne geholt wurden, am Mittag ein zweites Mal versicherten: "Den Straßenkarneval in Erfurt wird es weiter geben. Im nächsten Jahr rollt wieder ein Umzug."

MDR (ask)

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. Februar 2023 | 19:00 Uhr

17 Kommentare

c.onny am 20.02.2023

Wer feiern will, soll das tun. Wenn ich mir die gesamte Weltlage so betrachte, vergeht es mir. Krieg in Europa, Klimakatastrophe..... Und auch wenn Corona angeblich vorbei ist (immerhin ist die 7 Tage Inzidenz im SK Erfurt noch bei 62.84) wäre ein Umzug vernünftiger gewesen. Die Massen, dicht an dicht, Alkohol und Faschingsbräuche....mal sehen ob es gut geht.

Jan Will am 20.02.2023

Ich finde so eine Party sehr gut, das sollte so beibehalten werden. Denn so ein Umzug ist schon eine enorme Belastung mit Lärm, Müll und Park-/Verkehrschaos für die vielen Unbeteiligten.

Jedimeister Joda am 19.02.2023

Sicher sollte es eine tolle Veranstaltung werden. Doch Lautstärke zeigt nicht die Güte der Party. Dafür an die100000 zuverballern ist fragwürdig. Aber in der Landeshauptstadt haben sie es ja. Für die Städter ist immer genug da. Im ländlichen Raum muß an allen Ecken und Enden gespart werden. Ist das gerecht oder gar vernünftig? Die Ausgrenzung der ländlichen Bevölkerung scheint Programm zu werden.

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