Das Motorenwerk von MDC Power in Kölleda.
Das Motorenwerk von MDC Power in Kölleda Bildrechte: MDR THÜRINGEN JOURNAL

1.100 Arbeitsplätze gefährdet Verbrenner-Aus sorgt für Zukunftsängste bei MDC Power in Kölleda

09. Juli 2023, 11:21 Uhr

Das Mercedes-Motorenwerk in Kölleda plant schrittweise bis 2030 die Produktion von Benzin- und Dieselmotoren auslaufen zu lassen. Das Unternehmen hat angekündigt, dafür eine Batterieproduktion vor Ort aufbauen zu wollen. Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet, dass durch den Umbau rund 1.100 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Sie fordert einen Zukunfts-Tarifvertrag.

100 Prozent elektrisch lautet die Strategie von Mercedes-Benz, denn ab 2035 dürfen in der EU keine Neuwagen mit Benzin- oder Diesel-Motoren mehr verkauft werden. Das trifft vor allem das Motorenwerk im thüringischen Kölleda im Kreis Sömmerda. Bei dem Tochterunternehmen MDC Power liefen seit Beginn der Produktion im Jahr 2003 mehr als 12 Millionen Motoren vom Band.

Aktuell beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben rund 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Stammbelegschaft. Im Unternehmensumfeld arbeiten am Standort über 2.000 Menschen. Vor sieben Monaten kündigte Mercedes-Benz für seine Elektro-Flotte eine Batteriemontage in Kölleda an. Geplant sei diese ab 2027. Nur rund 200 Arbeitsplätze könnten damit am Standort erhalten werden, befürchtet die Gewerkschaft. Viel konkreter seien die Pläne bis heute nicht.

Motorenproduktion bei MDC Power in Kölleda
Rund 12 Millionen Motoren sind seit der Eröffnung des Werkes hier produziert worden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wir erkennen keinen Plan. Kölleda soll Berücksichtigung finden bei der Transformation. Handfestes ist da nicht dabei.

Ilko Vehlow, IG Metall Erfurt

Gewerkschaft fordert Produktionsauslastung

Die IG Metall fordert von MDC Power einen Zukunfts-Tarifvertrag, in dem Investitionszusagen getroffen und Produktionsauslastung festgeschrieben werden. Auch die Einführung der 35-Stunden-Woche sei für die Beschäftigten ein wichtiger Punkt. Eine wirkliche Perspektive habe das Unternehmen bislang nicht vorgelegt, kritisiert Ilko Vehlow von der IG Metall Erfurt. Zum Jahresende soll die Produktion eines Benzinmotors eingestellt werden, weitere drei Modelle sollen bis Ende 2027 auslaufen. Dann würden fast alle Hallen leer stehen, 1.100 Beschäftigte hätten keinen Job mehr.

Ilko Vehlo von der IG Metall Erfurt
Fordert konkrete Aussagen zur Perspektive des Werkes von der Konzernleitung: Ilko Vehlow von der IG Metall Erfurt Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Viele wollen sich einen neuen Job suchen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen MDR THÜRINGEN gegenüber von Existenzängsten. "Die ganze Stimmung an der Linie, alle sind gereizt und unsicher. Viele wollen sich einen neuen Job suchen, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Viele sind schon gegangen, freiwillig", erklärt ein Werksarbeiter. Ende Juni seien rund 130 Leiharbeiter nach Hause geschickt worden. Sie treffe es als erstes, so eine Mitarbeiterin gegenüber MDR THÜRINGEN.

Kritik am Betriebsklima

Nur 39 Prozent würden den Arbeitgeber laut einem Internet-Bewertungsportal weiterempfehlen. Das liegt aber nicht allein an den Zukunftsängsten. In den Kommentaren heißt es: "Menschlich ein Desaster, jeder denkt nur an sich." Oder: "Einschüchterung durch die Personalführung bei Krankheit und Kind krank, was überhaupt nicht geht."

Beschäftigter von MDC Power in Kölleda, der anonym bleiben möchte
Aus der Belegschaft ist Kritik am Betriebsklima im Werk zu hören. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Auch die Taktzeit, also wie schnell die Beschäftigten ihre Handgriffe am Motor ausführen müssen, sei problematisch. "Durch die kurze Taktzeit bleibt nicht mal Zeit, etwas zu trinken", heißt es in einer Bewertung. Andere Werksarbeiter bestätigen dieses Bild. So sei es außerhalb der Pausen schwer möglich, auf die Toilette zu gehen. "Da haben sich auch schon Leute in die Hose gemacht", erklärt eine Beschäftigter.

Diese Taktzeiten wollte MDC-Power nach einer Effizienzprüfung sogar verkürzen. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Es seiner Sicht hätte er gefragt werden müssen. Ein Mitbestimmungsrecht sieht die Geschäftsführung hingegen nicht, erklärt die IG Metall. Das müsse nun juristisch geklärt werden.

Konzernleitung bleibt vage

Zum schlechten Betriebsklima erklärt die Konzernleitung: "Wie Mercedes-Benz steht auch MDC Power als Tochtergesellschaft für Toleranz, Offenheit, Vertrauen und Fairness. […] Von allen Mitarbeitenden erwarten wir, dass sie einander mit Respekt und Fairness begegnen. Wir sensibilisieren unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuierlich für diese Themen und nehmen solche Hinweise sehr ernst." Auch zur Zukunft des Standortes bleibt man vage. "Mit Blick auf das bereits geplante Zukunftsbild, den Aufbau einer Batteriemontage am Standort Kölleda, sind wir dazu bereits in der Vorbereitungsphase."

Am kommenden Mittwoch starten die ersten Sondierungsgespräche mit der IG Metall. Dabei soll es auch um die künftige Ausrichtung gehen, erklärt Mercedes Benz. Wie viele Beschäftigte am Ende wirklich gebraucht werden, bleibt vorerst unklar.

MDR (ar/dr)

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass nach aktuellen Plänen rund 1.100 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz in Kölleda verlieren könnten. Das Unternehmen hat bisher keine genauen Zahlen genannt. Die genannte Zahl beruht auf Befürchtungen der Gewerkschaft IG Metall. Wir haben die Stellen im Text präzisiert.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 08. Juli 2023 | 19:00 Uhr

82 Kommentare

martin vor 41 Wochen

@ralf g: Meiner Meinung nach versuchen Sie hier "alternative Fakten" zu verbreiten, besonders wenn Sie schreiben, dass Sie ja nur Fakten verbreiten würden.

Jana vor 41 Wochen

@Laberfred
Selbstverständlich ist es nicht egal wie irgendwo die Arbeitsbedingungen sind, aber darüber kann wohl keiner hier diskutieren, der nicht bei dieser Firma beschäftigt ist. Anscheinend gibt es in dieser Firma ja einen Betriebsrat und der wäre wohl eher der Ansprechpartner als dieses Forum hier.

Worüber wir diskutieren können ist, dass eine Firma es wohl auf die Reihe kriegen sollte einen Strukturwandel mit einem Jahrzehnt Ansage anzugehen. Vielleicht hat man ja einen Plan, lässt aber die Belegschaft im Unklaren um Unsicherheiten dort zu erhalten und Verhandlungspositionen zu schwächen.

Zu den ungleichen Lohnbedingungen:
Auch hier empfehle ich Betriebsrat und Gewerkschaft als Ansprechpartner. Man sollte sich aber keine illusorischen Hoffnungen machen, dass man 3 Jahrzehnte verpasste bzw. schlechte Tarifabschlüsse auf einmal nachholen kann.

Gerne können sie die Arbeitsbedingungen dort hier öffentlich machen. Auch das ist ein Teil des Kampfes um bessere Arbeitsbedingungen.

Jana vor 41 Wochen

@Ralf G
Wenn keiner, warum auch immer, mehr PKW VErbrennungsmotoren braucht, dann ist es für eine Werksleitung völlig irrelevant, was dafür die Ursachen sind. Man kann sich darauf einstellen oder den Laden dicht machen. Ein Jahrzehnt Vorlauf sollte dafür doch genügen.

PS: Wie wäre es sich gegen die Lobbyisten zu wenden, die es der Politik schwer gemacht haben sich noch früher eindeutig für ein Verbrenner aus zu positionieren? Letztendlich hat sich da ja die Industrie lange gesträubt, bis ihr klar war, dass andere Länder da schon längst an uns vorbei gezogen sind.

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