Kinder- und Jugendprojekt Angebot in zweiter Generation: Weimars Kinderhaus wird 30

23. September 2023, 10:34 Uhr

Mit einer großen Party feiert das Weimarer Kinderhaus am Samstag seinen 30. Geburtstag. Was ganz klein im Weimarer Schlachthofviertel begann, ist zu einem der wichtigsten Anlaufpunkte für Kinder und Jugendliche in der Klassikerstadt geworden.

Autorenbild Conny (Cornelia) Mauroner
Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Anfang der 1990er-Jahre gab es die engagierten Mitarbeiter der Kindervereinigung. Nach der friedlichen Revolution waren kaum mehr Verbände übrig geblieben, die sich ums Wohl der Kinder kümmern konnten. Mit Handwagen zogen die Mitarbeiter der Kindervereinigung deshalb von Spielplatz zu Spielplatz. Im Gepäck hatten sie Beschäftigungsmaterial und sie hatten offene Ohren.

Nach nur kurzer Zeit war klar: Die Kindervereinigung brauchte ein Dach über dem Kopf. "Im Schlachthofviertel stand dieser alte Kindergarten leer. Er war bautechnisch gesperrt. Und da die Vereinigung ohnehin in dieses Viertel gehen wollte, war es die perfekte Immobilie", erzählt Ramona Zander, die Leiterin des Kinderhaus-Teams. Perfekt von der Lage, doch ihr Zustand miserabel.

Es ist ein langer Weg. Aber um gegen Bildungs- und materielle Armut anzukämpfen, muss man immer dran bleiben. Wir haben schon so viel geschafft.

Ramona Zander Leiterin Kinderhaus Weimar

Die damalige Kinderbeauftragte der Stadt, Steffi Engelstädter, setzte alle Hebel in Bewegung. Das Haus wurde wieder aufgebaut und konnte am 20. September 1993 eröffnen. "Von Anfang an sind die Kinder in Scharen gekommen. Aber es gab noch kein richtiges Konzept."

Über die Zeit hat sich das pädagogische Konzept entwickelt - hin zu einer offenen Kinder- und Jugendarbeit. Hier wird gespielt, es werden Hausaufgaben gemacht und in den Ferien sorgen wir für ein buntes Programm", erzählt Sarah, die seit zehn Jahren im Kinderhausteam dabei ist.

Wie so Viele ist sie durch Zufall in ihren Job gerutscht. "Ich bin spontan als Workshopleiterin eingesprungen. Es hatte sich niemand gefunden, der das Theaterprojekt begleiten konnte und da hab ich das gemacht." Heute ist Sarah über eine Projektstelle für 30 Stunden in der Woche angestellt.

Werken und kochen: Teammitglied über Rente hinaus für die Kinder da

Auch Stefanie arbeitet im Projekt. Sie kümmert sich unter anderem um die Werkstatt und lehrt die Kinder handwerkliche Fertigkeiten. Tine ist die gute Seele des Hauses. Eigentlich schon längst in Rente, kommt sie immer noch hierher und kocht regelmäßig mit den Kindern. Jeden Donnerstag gibt es selbst gekochtes Abendessen. "Beim Kochen verständigen wir uns oft mit Händen und Füßen. Manche Kinder sprechen noch gar kein Wort Deutsch."

Ehemalige schätzen Kinderhaus auch für eigenen Nachwuchs

Das Publikum des Kinderhauses hat sich in den drei Jahrzehnten verändert. "Gerade am Anfang kamen Kinder hierher, die mir oft leidgetan haben", berichtet Ramona Zander. "Manchmal haben ihnen die Eltern ein Toastbrot aus dem Fenster geworfen und gesagt, dass sie um 8 Uhr abends wieder kommen können. Heute sind genau diese Kinder meine Eltern. Sie bringen ihren eigenen Nachwuchs hierher. Und sie machen es besser", beobachtet Zander.

Heute sind genau diese Kinder meine Eltern. Sie bringen ihren eigenen Nachwuchs hierher. Und sie machen es besser.

Ramona Zander Leiterin Kinderhaus Weimar

Kinderhaus-Kinder haben vielfältige Hintergründe

Die Kinder und Jugendlichen, die ihre Freizeit heute im Kinderhaus verbringen, kommen aus keiner bestimmten gesellschaftlichen Schicht. "Es ist querbeet. Und wir haben auch einige Nationen. Seit ein paar Monaten fahren wir regelmäßig zum Flüchtlingsheim und holen auch ukrainische Kinder hierher." So wie Melissa, die jeden möglichen Nachmittag im Kinderhaus verbringt. Nach nur einem Jahr in Weimar spricht sie hervorragend deutsch und das Lob über das Kinderhaus sprudelt nur so aus ihr heraus. "Hier ist es cool. Hier ist es nicht wie in der Schule und ohne Mathe. Ich kann Freunde treffen und spielen."

Schwimmbad, Zwiebelmarkt, Wandern: Viele Ausflüge in den Ferien

Während an einem Tisch gebastelt wird, klopfen die größeren Jugendlichen Karten. Sie kommen zum Teil schon zehn Jahre hierher. "Das ist der Schnitt. Wer mit sechs Jahren hier anfängt, der verlässt uns nicht so leicht. Viele bleiben, bis sie 18 sind", sagt Mitarbeiterin Maria. Nebenbei helfen sie und Ramona Zander der kleinen Zoe bei den Hausaufgaben. Morgen, sagt Zoe, steht ein Mathetest an. Auch in den Ferien wird Zoe hier sein. Es sind viele Ausflüge geplant - ins Schwimmbad, zum Wandern und auf den Weimarer Zwiebelmarkt.

Spender und Sponsoren gewährleisten Fortbestand

Das alles schultert das Kinderhaus mit Hilfe vieler Spender und Sponsoren. Ramona Zander schreibt ununterbrochen Förderanträge. "Ohne das wären Aktivitäten im Haus gar nicht denkbar. Und ohne Aktivitäten gäbe es keine Kinder." Das Kinderhaus füllt eine wesentliche Lücke in der Stadt aus. "Es ist ein langer Weg. Aber um gegen Bildungs- und materielle Armut anzukämpfen, muss man immer dran bleiben. Wir haben schon so viel geschafft."

Ramona Zander bezeichnet ihren Job als Traum. "Ich bleib dabei - bis zur Rente." Und wenn sie es wie Tine macht, dann auch darüber hinaus.

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MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 23. September 2023 | 07:20 Uhr

2 Kommentare

randdresdner am 24.09.2023

Ein tolles Projekt!

Wimares am 23.09.2023

Herzlichen Glückwunsch! So muss Kinder- und Jugendarbeit aussehen!

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