Zwei Frauen und ein Mann sitzen an einem Tisch
Thomas Wanie, Nadine Rückert und Carolyn Sendler (v.l.) haben eine alte Molkerei zu einem Begegnungsort für Jugendliche umgebaut. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Großbrembach "Dorfknörpse" warten auf Einzug: Paar plant Wohngruppe für Kinder und Jugendliche im Kreis Sömmerda

20. September 2023, 10:22 Uhr

Jugendlichen und Kindern einen guten und selbstständigen Start ins Leben ermöglichen. Das will ein Paar im Kreis Sömmerda. Eine alte Molkerei wurde dafür zu Loftwohnungen umgebaut. Auch ein Kinderheim ist geplant.

Großbrembach ist ein verschlafener Ort im Landkreis Sömmerda. Mit etwa 800 Einwohnern ist er Teil der Landgemeinde Buttstädt. Geht es nach Carolyn Sendler und ihrem Partner Thomas Wanie, zieht bald mehr Leben dort ein. Die beiden möchten eine sogenannte Verselbstständigungsgruppe aufbauen und später sogar ein Kinderheim gründen. "Dorfknörpse" haben sie ihr Projekt genannt und sind damit als freier Träger in die Welt der Sozialanbieter getreten.

Was ist eine Verselbstständigungsgruppe? Unter Verselbstständigungsgruppe versteht man eine begleitete Wohngruppe junger Menschen, in der sie auf ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung oder in einer betreuten Wohnform vorbereitet werden.

Fabrikgebäude wird zu Loftwohnung

Dafür hat Thomas Wanie zunächst einmal die alte Molkerei umgebaut. Aus der einstigen Ruine sind hochmoderne, helle Loftwohnungen geworden. Im Erdgeschoss sollen vier Jugendliche einziehen. Platz wird dann auch für eine Betreuerin sein. Die Zimmer sind mit Hochbetten ausgestattet, auf der Galerie steht eine Couch und auch der Fernseher hängt schon an der Wand.

Der Eingangsbereich geht nahtlos in eine große Küche über, in der viel Platz zum gemeinsamen Kochen ist. Ein massiver Holztisch füllt den Raum. Hier sollen sie zusammen essen, quatschen und Hausaufgaben machen, sagt Carolyn Sendler, die seit vielen Jahren vom eigenen Kinderheim träumt.

Küchenbereich eines Kinderheims
In den Loftwohnungen sollen künftig vier Jugendliche Platz finden und den Alltag lernen. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Ausschlusskriterium Drogenkonsum

Carolyn Sendler hat soziale Arbeit, Sonderpädagogik und Psychologie studiert, unterrichtet Psychologie, fertigt Gutachten für Gerichte an und hat selbst viele Jahre im Jugendamt gearbeitet. "Da ist die Liebe zum Kinderschutz entstanden", sagt sie. Ihr Beruf wurde zur Berufung. Sie möchte Kindern und Jugendlichen helfen, denen es nicht so gut geht. Den Anfang soll die Verselbstständigungsgruppe machen.

Das sind Jugendliche, die verschiedenste Erfahrungen gemacht haben - sei es eine Gewalterfahrung, sexuelle Gewalt oder Verwahrlosung.

Carolyn Sendler Projektleiterin

Die Jugendlichen sollen dort ein neues zu Hause finden. Sie kommen aus unterschiedlichsten Verhältnissen. "Einige waren vielleicht schon im Kinderheim und sind dafür jetzt zu alt, oder aber sie wurden ihren Familien weggenommen." Hier hat Jeder sein Päckchen zu tragen. "Das sind Jugendliche, die verschiedenste Erfahrungen gemacht haben - sei es eine Gewalterfahrung, sexuelle Gewalt oder Verwahrlosung. Das einzige Ausschlusskriterium ist Drogenkonsum. Diese Jugendlichen würden wir nicht aufnehmen", sagt Sendler.

Blick auf das ausgebaute Kinderheim
Der alte Schornstein der Molkerei im Garten bleibt stehen - dort nisten die Störche. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Eigenständig ins Leben starten

In Großbrembach sollen die jungen Erwachsenen zur Ruhe kommen: "Wir haben bewusst diesen kleinen Ort gewählt, damit die Jugendlichen ankommen und reizarm leben können." Carolyn Sendler wird die Gruppe nicht allein begleiten. Ihr Partner Thomas Wanie ist ebenfalls mit im Boot. "Ich werde mit den Kindern auch Freizeit verbringen. Vielleicht etwas Handwerkliches tun. Dann will ich einen Obstgarten anliegen. Auch das macht ihnen vielleicht Freude."

Wir können das, was in der Vergangenheit der Jugendlichen passiert ist, nicht ändern, aber wir können dazu beitragen, dass sie was Schönes auf ihrem Lebensweg mitnehmen und das ist unser Antrieb und die Motivation dahinter.

Nadine Rückert Erzieherin

Mit im Team ist auch Nadine Rückert. Die Erzieherin wird die meiste Zeit mit den Jugendlichen verbringen. "Wir werden Hausaufgaben zusammen machen, lernen und quatschen, aber auch den Alltag bestreiten. Da gehören Putzen, Kochen und auch Körperhygiene dazu." Das noch sehr kleine Team um Carolyn Sendler ist hoch motiviert.

"Wir können das, was in der Vergangenheit der Jugendlichen passiert ist, nicht ändern, aber wir können dazu beitragen, dass sie was Schönes auf ihrem Lebensweg mitnehmen und das ist unser Antrieb und die Motivation dahinter." Ihr Ziel sei es, dass die Jugendlichen einen Schulabschluss erlangen, oder aber eine Ausbildung abschließen. "Dass sie das beste Fundament haben, in ein eigenständiges Leben starten zu können."

Zwei Frauen und ein Mann sitzen im Freien an einem Holztisch
Auch einen Außenbereich hat die Einrichtung. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Raum für Begegnungen schaffen

Die Verselbstständigungsgruppe soll erst der Anfang sein. Sendler und Wanie haben auch die alte Schule im Ort gekauft. "Dort soll später einmal ein Kinderheim entstehen - für die Jüngeren. Aber nicht nur das: Wir würden gern einen Begegnungsraum schaffen, mit einem Ort, an dem sich auch die Vereine treffen können und im Garten ein Mehrgenerationenwohnen." Thomas Wanie träumt davon, dass die älteren Bewohner mit den Kindern spielen oder spazieren gehen. "Der Austausch wird wichtig sein." Doch dieses Projekt steckt noch in den Kinderschuhen.

Ein altes Schulgebäude
Die alte Schule soll noch umgebaut werden. Hier soll ein Kinderheim für die Jüngeren entstehen. Bildrechte: MDR/Conny Mauroner

Erst einmal muss die Hürde für die Jugendgruppe genommen werden. Noch fehlt die Betriebserlaubnis vom Jugendamt. Das Amt vermittelt die Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen und finanziert die Stellen. Aus diesem Grund schauen die Mitarbeiter genau auf das neue Konzept. "Noch bis vor wenigen Tagen", so heißt es, "haben Unterlagen gefehlt."

Ob tatsächlich Bedarf für diese neue Einrichtung besteht, muss erst noch abgestimmt werden. Daran zweifelt Carolyn Sendler nicht. "Der steigt seit Jahren. Das beweisen alle Statistiken." Jugendamt und Träger müssen sich noch einig werden. Es braucht noch einige Gespräche und auch einen vor-Ort-Termin und dann gibt es vielleicht bald grünes Licht - für noch mehr Leben in Großbrembach.

Mehr zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen

MDR (cfr/cma)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 19. September 2023 | 06:00 Uhr

2 Kommentare

Sozialberuflerin vor 31 Wochen

Wow! Ich wünsche euch, dass euch die Bürokratie und das Finanzsystem nicht kaputt macht!
Tolle Sache und von Herzen alles Gute!!

randdresdner vor 31 Wochen

Tolles Projekt. Viel Erfolg!

Mehr aus der Region Weimar - Apolda - Sömmerda

Mehr aus Thüringen