Thomas Thieme, ein Mann auf einer Bühne, hinter ihm ein roter Theatervorhang.
Schauspieler Thomas Thieme auf der Bühne des Deutschen Nationaltheater Weimar. Bildrechte: picture alliance/dpa | Candy Welz

Schauspieler 75. Geburtstag von Thomas Thieme: "War nie der Bildungsbürger"

29. Oktober 2023, 13:47 Uhr

Der Schauspieler Thomas Thieme steht für die Verbindung von Kultur und Bodenständigkeit. In seinen Rollen und in seinem Leben. Geboren wurde er am 29. Oktober 1948 in Weimar. Nachdem er 1984 in den Westen ausreiste und Erfolge unter anderem in dem Oscar-prämierten Kinofilm "Das Leben der Anderen", in unzähligen Fernsehrollen oder am renommierten Burgtheater in Wien feierte, lebt er heute wieder in Weimar. Was ihm im Leben und im Beruf wichtig ist, hat er MDR THÜRINGEN erzählt.

Vor 75 Jahren ist der Schauspieler Thomas Thieme in Weimar auf die Welt gekommen. Eigentlich wollte er Architekt werden, was ihm jedoch zu DDR-Zeiten nicht vergönnt war, wie Thieme in Interviews immer wieder einmal anmerkt.

Doch was eventuell einen Verlust für die zeitgenössische Architektur bedeutet, ist für die Liebhaber von Film und Theater ein Gewinn gewesen, denn mit seinen einzigartigen Darstellungen, von Shakespeare-Stücken bis zum Oscar-gekrönten Kino-Erfolg "Das Leben der Anderen", erspielte er sich seinen Stand als einer der herausragenden deutschen Schauspieler.

Thomas Thieme, ein Mann sitzt auf einem Theaterstuhl und neigt sich zu einem anderen Mann, der nur von hinten zu sehen ist
Thomas Thieme als DDR-Kulturministers Bruno Hempf in "Das Leben der Anderen" Bildrechte: imago images/Ronald Grant

Ausreise 1984 in den Westen

Nachdem Thieme von 1970 bis 1973 die Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" in Ost-Berlin besucht hat, wirkt er an Theatern in Görlitz, Anklam, Magdeburg und Halle. Doch er will die DDR verlassen und stellt 1981 einen Ausreiseantrag, der erst 1984 genehmigt wird.

Zur Begründung seines Ausreisewunsches hatte Thieme in der Vergangenheit in Interviews gesagt, er wäre vor der Bevölkerung in der DDR abgehauen. Doch heute distanziert er sich davon, den Menschen kollektiv die Schuld zu geben, das sei "nassforsch" von ihm gewesen. So sei es eigentlich auch keine intellektuelle Entscheidung gewesen, sondern unter anderem auf seiner beruflichen Unzufriedenheit basierend, sagte er im Gespräch mit MDR THÜRINGEN. So kam er als Schauspieler nicht nach Berlin, was seine beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten damals enorm einschränkte.

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Bildrechte: MDR / Marco Prosch

Die Erfahrungen mit der DDR-Staatsgewalt im Zuge der Ausreisebemühungen kamen Thieme später unerwartet zugute. Bei seiner Darstellung des DDR-Kulturministers Bruno Hempf in Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" konnte er darauf zurückgreifen. "Die innere Haltung und den Gestus dieser Leute, das konnte ich schon studieren", sagt er.

Ein bodenständiger Feingeist

Von den großen Rollen, die er gespielt hat, darunter Helmut Kohl, Bismarck und Uli Hoeneß, war ihm die des Carl F.W. Borgward in dem Fernsehfilm "Die Affäre Borgward" (2018) am liebsten. Dieser sei ein genialer Autobauer gewesen, dabei ein Arbeiter - mit dem entsprechenden Benehmen - und gleichzeitig ein Feingeist. "Und darauf fahre ich ja sowieso ab, auf diese Kombination", sagt Thieme.

Mehrere Schauspieler stehen während der Dreharbeiten zu "Borgward" in einem Saal an einem Tisch und schauen in die Kamera.
Die Darstellung des Carl F.W. Borgward (Mitte) in dem Dokudrama "Die Affäre Borgward" zählt zu Thiemes liebsten Rollen. Bildrechte: picture alliance / Mohssen Assanimoghaddam/dpa | Mohssen Assanimoghaddam

Dieses Sein zwischen Feinsinnigkeit und Proletariertum ist dem Schauspieler nicht nur persönlich, sondern auch für das Theater lieb. "Hoffentlich sitzen einfache Leute drin, denen wir damit etwas geben", wünsche er sich für die Aufführung der Stücke von Goethe, Schiller oder Kleist.

Theater sollte für alle da sein

In diesem Zusammenhang hegt Thieme sogar positiver Erinnerungen an die DDR mit ihren verpflichtenden Theaterbesuchen, denn da "mussten sie mit dem Bus dahin und haben es dann ins Brigadetagebuch eingeschrieben. Aber da waren sie wenigstens da!", schwärmt er. Das gehe heute natürlich nicht mehr, so Thieme - und zieht persönliche Konsequenzen: "Insofern ist dieses Lebensprojekt von mir eben auch nicht so aufgegangen. Und darum habe ich dann irgendwann auch im Theater aufgehört."

Thomas Thieme, ein Mann in einem überdimensionalen weißen Schutzanzug, rechts im Hintergrund steht eine Dame im ronten Kleid
Thomas Thieme in dem Stück "Robert Guiskard" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (2010) Bildrechte: imago/DRAMA-Berlin.de

Diese Bodenständigkeit ist ein großes Thema für Thieme, was sein Leben und auch seine Darstellung durchdringt. "Ich war nie der Bildungsbürger", sagt er. Denn mit Bildungsbürgertum sei solchen Genies wie Goethe und Schiller gar nicht beizukommen, es käme darauf an, in die Seele der beiden einzudringen und nicht nur "schöne Sprüche" abzulassen.

Quelle: MDR Thüringen (Kulturnacht, Michael Hesse), Redaktionelle Bearbeitung: op

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. Oktober 2023 | 22:00 Uhr

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