Schweine in einer Schweinemastanlage
Schweine im Deckstall der Schweinemastanlage in Aschara. Hier wurden die beanstandeten Boxen für die Schweine bereits vergrößert. Bildrechte: imago/Steve Bauerschmidt

Gericht Prozess um 2.000 verendete Schweine in Nordhausen gestartet

28. November 2023, 20:47 Uhr

Nach dem qualvollen Tod von mehr als 2.000 Schweinen in einem Mastbetrieb bei Nordhausen hat am Dienstag der Prozess begonnen. Vor dem Amtsgericht Nordhausen ist ein 28-jähriger ehemaliger Mitarbeiter angeklagt. Am ersten Verhandlungstag stand Aussage gegen Aussage.

Die Van-Asten-Tierzuchtanlage in Nordhausen ist ein hermetisch abgeriegelter Ort. Die 50.000 Schweine sehen kein Licht durch Fenster oder andere Öffnungen. In dieser "geschlossenen Einheit", wie sie am ersten Verhandlungstag bezeichnet wurde, überleben die Tiere nur aufgrund einer Lüftungsanlage. Diese führt Sauerstoff zu und giftige Gase ab. Doch an einem Freitagnachmittag im August 2022 versagt die Luftzufuhr.

Die Schweinmastanlage der Van Asten Group in Nordhausen.
Die Van-Asten-Tierzuchtanlage in Nordhausen (Archivbild) Bildrechte: Silvio Dietzel

Tierärztin im Zeugenstand beschreibt Todeskampf

Tierärztin Tanja Rautenberg vom Veterinäramt Nordhausen erläuterte am Dienstag im Zeugenstand am Amtsgericht Nordhausen, wie die 2.089 Schweine verendeten. Die Tiere lebten oberhalb ihrer eigenen Exkremente. Sie standen auf einem Boden, der Kot und Urin durchlässt. Die Exkremente sammelten sich in einer Güllegrube unter dem Boden.

Weil die Güllegase nicht mechanisch abgeführt wurden, atmeten die Tiere sie ein. Die Gase waren ätzend und reizten die Atemwege. Der Körper versuchte die Gase zu bekämpfen, indem er Flüssigkeit bildete. Diese sammelte sich im Körper an. Die Schweine ertranken durch ihre mit Flüssigkeit gefüllten Lungen.

Roland van Asten, ein Mitglied der gleichnamigen Inhaberfamilie, fügte ein weiteres Detail des Massentiersterbens hinzu. Am 12. August 2022 sei es sehr heiß gewesen. Ohne Belüftung starben vermutlich viele Tiere einen Hitzetod.

Angeklagter ist ehemaliger Mitarbeiter

Roland van Asten und seine Schwester Monique waren als Zeugen zum Prozess in Nordhausen geladen. Angeklagt war ein anderer: ein 28-Jähriger aus dem Landkreis Nordhausen, der damals in dem Van-Asten-Betrieb arbeitete. Ein gelernter Landwirt, der, laut eigener Aussage, hauptsächlich in der Tierfütterung tätig war. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen macht ihn für den Tod der 2.000 Tiere verantwortlich.

So lautet der Vorwurf: Am 12. August 2022 fiel im Van-Asten-Betrieb die Lüftungsanlage aus. Um 16 Uhr war kein Mitarbeiter mehr vor Ort, doch es gab einen Bereitschaftsdienst. Die Tiere waren durch eine automatische Alarmkette geschützt, die Mitarbeiter per Telefon anrufen sollte. Diese Alarmkette sollte wie eine Kaskade funktionieren, die nacheinander eine Telefonliste abarbeitet.

Zuerst wird Mitarbeiter 1 angerufen. Nimmt dieser nicht ab, wird die nächste Telefonnummer gewählt. Der Betriebselektriker reagierte laut Staatsanwaltschaft nicht auf den Alarm, deshalb wählte das System den Angeklagten an. Dieser soll den Alarm über einen Code angenommen haben. Damit war der 28-Jährige rechtlich in der Verantwortung.

Verantwortung im Prozess abgestritten

Doch ab diesem Punkt wurde es kompliziert im Prozess. Der Angeklagte behauptete, er habe selbst versucht, den Betriebselektriker zu erreichen - was jedoch fehlgeschlagen sei. Der Elektriker erschien ebenfalls vor Gericht, wollte sich aber nicht äußern. Es blieb offen, warum ein Techniker im Bereitschaftsdienst nicht auf den Alarm reagierte.

Daraufhin soll der Angeklagte die Nummer einer vertraglich gebundenen Elektriker-Firma gewählt haben, die im Notfall einspringt. Auch diesen Kontakt erreichte er angeblich nicht. Laut eigener Aussage, weil die ihm zur Verfügung gestellte Telefonnummer nicht funktionierte. In einem dritten Versuch soll der Angeklagte seinen Vorgesetzten angerufen haben. Auch an dieser Stelle gehen die Aussagen weit auseinander.

Vorgesetzter und Ex-Mitarbeiter widersprechen sich

Der Vorgesetzte sagte dem Gericht, er könne sich an keinen Anruf erinnern. Auch nach Belehrung durch den Richter über die Folgen einer Unwahrheit, blieb der Zeuge bei seiner Aussage.

Der Angeklagte dagegen beschrieb das Telefonat lebhaft. Sein Vorgesetzter soll ihm trotz des Lüftungsalarms gesagt haben, dass er die Lüftungsanlage nicht anrühren solle. Es steht Aussage gegen Aussage. Weitere Zeugenbefragungen sollen klären, ob dieses Telefonat tatsächlich am 12. August stattgefunden hat.

Das Gebäude des Amtsgerichts in Nordhausen
Der Fall wird vor dem Amtsgericht Nordhausen verhandelt. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance / dpa | Frank May

Ein Mensch für tausende Schweine

Fest steht: Der Prozess brachte eine Schwäche im Alarmsystem bei Van Asten ans Tageslicht. Mindestens vier Telefonnummern standen auf der Alarmliste. Hinter den vier Nummern steckten aber nur zwei echte Menschen. Da eine Person nicht erreichbar war, blieb nur der Angeklagte übrig. Das Alarmsystem bei Van-Asten in Nordhausen übertrug also die Verantwortung für 50.000 Tiere auf eine einzige Person.

Am Ende des Verhandlungstags blieben zahlreiche Fragen offen. Hätte der Angeklagte selbst zum Stall fahren müssen, um die Tiere zu retten? War es überhaupt seine Aufgabe, im Rahmen einer Rufbereitschaft in den Betrieb zu fahren? Konnte er per Fernzugriff auf die Computer der Lüftungsanlage zugreifen? Und wurde er zuvor geschult, um das Problem selbstständig beheben zu können? Am 18. Dezember wird der Prozess in Nordhausen fortgesetzt.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 28. November 2023 | 19:30 Uhr

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