Milchkühe im Stall
In Thüringen werden immer weniger Milchkühe gehalten. Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Landwirtschaft Immer weniger Nutztiere in Thüringen

10. September 2023, 17:14 Uhr

Immer mehr Betriebe in Thüringen müssen ihre Nutztiere zum Teil oder komplett abgeben. Der Bauernverband begründet das vor allem mit der unsicheren Zukunft. Laut Landwirtschaftsministerium gehört zu den Hauptursachen, dass weniger Fleisch gegessen wird.

In Thüringen werden immer weniger Nutztiere gehalten. Laut Bauernverband ging vor allem die Zahl der Milchkühe und der Schweine seit 2010 stark zurück. Während damals noch rund 111.000 Milchkühe gehalten wurden, sind es heute rund 83.500. Bei den Schweinen sank die Zahl von 750.000 auf 615.000.

Eine Muttersau säugt Ferkel
Der tierwohlgerechte Umbau der Landwirtschaft ist teuer, heißt es aus dem Ministerium. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Auch Schafe und Ziegen sind betroffen. Laut Landwirtschaftsministerium sank die Zahl der gehaltenen Schafe von 2012 bis 2022 von rund 149.000 auf 102.000, die der Ziegen von 17.500 auf 12.000.

Trend seit langem absehbar

Ministerium und Bauernverband sind sich einig: Der Trend ist seit Jahren klar erkennbar. Immer mehr Betriebe müssen ihre Nutztiere zum Teil oder komplett abgeben.

Der Landesbauernverband begründet das vor allem mit der unsicheren Zukunft. Viele Gesetze sind im Gespräch, die genauen Bestimmungen aber noch unklar. Grundsätzlich zielen sie aber meist auf mehr Tierwohl ab. Und mehr Tierwohl ist teurer. Was bleibt, ist oft nur noch der Pflanzenanbau.

Tierhaltung sei sehr personalintensiv. Für Pflanzenanbau brauche es hingegen viel weniger Personal, sagt Axel Horn vom Landesbauernverband. In Zeiten steigenden Mindestlohns sei es kaum mehr möglich, kostendeckend zu arbeiten oder groß zu investieren.

Die gestiegenen Kosten könnten nicht komplett auf die Verbraucher umgelegt werden. Agrarbetriebe müssten Investitionen für etwa 20 Jahre im Voraus planen.

Das sieht auch das Landwirtschaftsministerium so. Und sieht das Problem aber nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit. Demnach gehört zu den Hauptursachen, dass weniger Fleisch gegessen wird und wenn, dann mehr aus guter Haltung. Dadurch sinken auch die Einnahmen für konventionelle Erzeuger.

Thüringer Ministerium sieht den Bund in der Pflicht

Hierbei sieht das Ministerium den Bund in der Pflicht, mehr Fördergeld bereitzustellen. Mit Blick auf die nächste Agrarministerkonferenz sagte Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij (Linke), sie wolle gemeinsam mit den anderen Bundesländern das Thema erneut auf die Agenda setzen.

"Angesichts der weltpolitischen Lage, in der Ernährungssouveränität durch eine klimafreundliche regionale Produktion und die internationale Solidarität mit den Ländern des Südens bei der Nahrungsmittelversorgung immer wichtiger wird, sendet die Bundesregierung die absolut falschen Signale und handelt grob fahrlässig."

Thüringer Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij
Thüringer Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij. Bildrechte: MDR/Karina Heßland

Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Länder wolle sie sich auch im Interesse der Landwirtinnen und Landwirte "vehement dafür einsetzen, dass die Bundesregierung ausreichend Finanzmittel für den geplanten tierwohlgerechten Umbau der Nutztierhaltung bereitstellt", so die Ministerin.

Mehrere Schafherden in Thüringen aufgelöst

Wohin steigende Kosten und sinkende Einnahmen führen können, haben zuletzt mehrere Unternehmen im Kreis Schmalkalden-Meiningen und im Wartburgkreis zu spüren bekommen. Die Agrargenossenschaft Queienfeld in der Gemeinde Grabfeld (Landkreis Schmalkalden-Meiningen) musste sich von ihren Schafen trennen. Wie der Betrieb bestätigte, ist die Herde am Mittwoch abgegeben worden.

Zu dem Schritt hat sich die Agrargenossenschaft nach eigenen Angaben schweren Herzens entschlossen, weil die Haltung nicht rentabel genug war. Zudem hätte der Stall in Bibra für mehrere Hunderttausend Euro saniert werden müssen. Zuerst hatte das "Freie Wort" darüber berichtet.

Ein Schäfer auf einer Weide.
Schafe haben auch eine wichtige Bedeutung in der Landschaftspflege. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Im Wartburgkreis musste ein weiterer Betrieb seine Milchviehhaltung aufgeben. Wie die "Thüringer Allgemeine" berichtete, betrifft das das Landwirtschaftliche Unternehmen (LUM) Mihla am Reitenberg.

Ein Grund sei auch dort der hohe Sanierungsbedarf der Ställe und Anlagen. Die Investitionen sind dem Unternehmen zu aufwendig und kostenintensiv. Bernd Apfel vom Kreisbauernverband prophezeit, dass diese Entwicklung weitergehen werde. 2021 hatte bereits der Landwirtschaftsbetrieb in Gerstungen seine Milchviehhaltung aufgegeben.

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MDR (gh,sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. März 2023 | 09:00 Uhr

10 Kommentare

Harka2 vor 35 Wochen

@Der Beobachter
Die Milchwirtschaft ist teuer. Die Tiere bedürfen großer Ställe, die täglich zu putzen sind. Täglich müssen die Tiere gemolken werden. Das ist arbeitsintensiv und kostet viel Geld, die Milchbauern hingegen bekommen für ihr Produkt schon lange so wenig vom Handel, dass die Kosten kaum gedeckt werden können.

Eine Verlagerung zur Mastviehhaltung ist da viel preiswerter. Da kommen die jungen Rinder auf große Weiden, leben dort glücklich in natürlicher Umgebung in artgerechten Herdengrößen und der Bauer muss nur hin und wieder vorbei schauen, ob alle Rinder gesund sind und ob noch genug Wasser im Tankanhänger ist (so kein natürliches Gewässer zur Verfügung steht). Um Mist und Gülle muss er sich auch nicht kümmern. Irgendwann kommen dann die großen Anhänger und holen die Herde ab, um Platz für die nächste zu schaffen.

DER Beobachter vor 35 Wochen

Ja, gab erst grossen Sturm im Wasserglas. Jetzt haben sich die Gemüter beruhigt, es wird bei den meisten immer noch, wenn auch nicht täglich, Fleisch angeboten. Was das allerdings mit dem Einbruch der Milchviehwirtschaft zu tun haben soll, können unsere Gewohnheitsschwätzer logisch nicht erklären...

Harka2 vor 35 Wochen

Schafezucht ist Hobby und schon lange nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Die letzte deutsche Kämmerei für Schafwolle ist schon gar lange zu, ergo ist Schafwolle heute etwas, das man bestenfalls noch teuer entsorgen kann. Schaffleisch ist genau wie Ziegenfleisch am Markt eher nicht gefragt, daran wird auch die steigende Anzahl moslimischer Mitbürger nichts ändern. Bei den Schweinezüchtern greift das Ordnungsamt schon länger hart durch und nicht nur der ehemalige Präsident des thüringer Bauernverbandes erhielt völlig zu recht ein Verbot der Schweinehaltung. Wer die Bilder von seiner Schweinezucht je gesehen hat, der fragt sich ernsthaft, auf welcher Seite der Gitterboxen sich das größere Schwein befand. Milchkühe sind aufwändig zu halten, müssen täglich gemolken werden und brauchen deshalb teuer sauber zu haltende große Ställe. Deshalb haben sich viele Betriebe auf die Rindermast verlegt, dafür braucht es kaum Personal. Da stellt man die Rinder auf große Weiden und muss nichts tun.

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