Medizin Herz-OP im "Jena-Style": Thüringer Methode erregt international Aufsehen
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02. Oktober 2024, 15:11 Uhr
Jedes Jahr bekommen Hunderte Patienten am Uniklinkum Jena neue Herzklappen. Dabei operieren die Kardiologen minimal-invasiv. Dementsprechend schnell sind die Patienten danach wieder auf den Beinen. Die Methode wurde jahrelang verfeinert und ist mittlerweile ein echter Export-Schlager. Dafür müssen allerdings viele Operateure raus aus der Komfort-Zone.
Nur vier Zentimeter klein ist die Öffnung in der Brust der Patientin. Mit schnellen aber sicheren Bewegungen arbeitet sich Prof. Dr. Torsten Doenst durch die schmale Röhre an der Lunge vorbei zum Herzen vor. Er leitet die Aorta um und legt das Herz der alten Dame auf dem OP-Tisch still. Dann kümmert sich die Herz-Lungen-Maschine nebenan um den Blutkreislauf. Mit schnellen Schnitten entfernt Doenst die verkalkte Herzklappe und bringt einen Ring aus Fäden an ihrer Stelle an. Über die Fäden wird die neue Klappe platziert und eingeknotet.
Herzklappen von Schweinen funktionieren am besten.
Spender der "künstlichen" Herzklappe war ein Schwein. "Herzklappen von Schweinen funktionieren am besten. Das besagen Studien. Wir machen hier evidenzbasierte Medizin", erklärt Prof. Doenst im sterilen blauen Kittel mit der Kamerabrille im Gesicht. Der hochgewachsene Mann ist Chef der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Uniklinikum Jena. In ungefähr zwei Stunden hat er mittels minimal-invasiver Schlüsselloch-Chirurgie eine Herzklappe gewechselt.
Minimal-invasive Methode erleichtert Chirurgen die Arbeit
Zwischen Operations-Assistenten, Anästhesisten, OP-Schwestern und Technikern steht auch Oscar Prior. Der mexikanische Kardiologe hospitiert hier für ein paar Wochen. Er will alles über die minimal-invasive Herzklappenchirurgie wissen und wie sie hier in Jena praktiziert wird. In seiner Heimat, erzählt der 38-Jährige, werde bei derartigen Operationen die sogenannte Sternotomie angewendet.
Die Leute sind (nach einer minimal-invasiven Herzklappen-OP) viel schneller wieder auf den Beinen.
Dabei wird das Brustbein längs durchtrennt und die Brusthöhle so weit geöffnet, dass der Chirurg bequem an die zu behandelnden Organe herankommt. Gutes Arbeiten für den Arzt - doch eine extreme Prozedur für den Patienten. Trotz kleinem Schnitt am Herzen, ist die vorherige Öffnung der Brust eine ungemeine Anstrengung für den Körper der behandelten Person. Hingegen gilt auf lange Sicht bei der minimal-invasiven Methode: "Sie ist viel weniger belastend für den Körper des Patienten. Die Leute sind viel schneller wieder auf den Beinen", findet Oscar Prior.
Standardisierung des "Jena Style" über 15 Jahre hinweg
Schlüsselloch-Chirurgie ist natürlich nichts Neues, sondern längst verbeitet in vielen Kliniken rund um den Globus. Den "Jena Style", wie er in der internationalen Fachwelt genannt wird, macht nämlich noch etwas anderes aus. In den vergangenen 15 Jahren hat Torsten Doenst die Methode mehr und mehr verfeinert, in dem er die Abläufe der Herzklappen-OP standardisiert hat. Jeder Schritt ist genau beschrieben und kann von anderen Chirurgen entsprechend nachvollzogen werden.
Dadurch dauern die Jenaer Operationen auch nur halb so lange wie konventionelle Techniken und gleichzeitig lässt sich die Methode auch gut an Kardiologen-Kollegen vermitteln. Die Nachfrage ist groß. Im Juni stellte Torsten Doenst seine Methode in Brasilien vor. In den Operationssälen in São Paulo und Rio de Janiero sollen die interessierten brasilianischen Kollegen dicht gedrängt zugesehen haben. Zusätzlich seien noch viele weitere via Videoschalte dabeigewesen.
Jenaer Methode weltweit im Einsatz
Weltweit beharren viele Kardiologen auf der etablierten, aber für Patienten deutlich belastenderen Sterotomie, wenn es um die Operation von Herzklappen geht, konstatiert Doenst. Das habe viel mit liebgewordenen Gewohnheiten zu tun. Neue Dinge müssten eben erst mühsam erlernt werden und davor scheuen sich viele Operateure.
Nicht so Dr. Oscar Prior aus Mexiko. Bevor er in Jena Station machte, studierte er die minimal-invasive Herzklappen-Chirurgie bereits in den USA, in Kolumbien und Italien. Doch Jena machte für Prior den Unterschied. Hier trage man die Methode viel offensiver an neue Kollegen heran. Für Prior ist Klinik-Chef Doenst nicht nur Arzt, sondern auch Wissenschaftler. Die Methode sei Ergebnis jahrelanger Forschung und das merke man auch. Jedes Detail werde ihm hier bereitwillig erkärt. Prior sieht sich als Multiplikator und will den "Jena Style" in seiner Heimat Tijuana in der klinischen Praxis und auf Konferenzen weitergeben.
MDR (ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
marzeh vor 1 Wochen
Sehr geehrte Kommentierende.
Leider erschließt sich mir der Sinn ihrer Kommentare nicht. Ungeachtet der Tatsache wie lange ein OP-Team für einen solchen Eingriff braucht, mehrere pro Tag wird es wohl nicht geben, verstehe ich nicht, inwieweit eine kaufmännische Entscheidung vor wissenschaftlichem Fortschritt stehet. Eine Universität ist per se zur Forschung da. Können Sie das bitte vor diesem Hintergrund differenziert erläutern?
Liebe Grüße, und, meinen Respekt an unsere Wissenschaftler der Universität Jena.
Browgas vor 1 Wochen
Naja der Jena Style wird in jedem Fall kosten für die Klinik sparen eben weil die Operation an sich schneller geht und die Patienten nicht ewig lange im KH liegen wodurch mehr Patienten behandelt werden können was wiederum mehr Geld bedeutet.
Ich denke jemanden einen finanziellen Spielraum zu geben, wissend das er diesen wahrscheinlich nicht ausschöpfen wird, ist nun wirklich kein großes wirtschaftliches Risiko und absolut im Interesse einer Klinik, ungeachtet dessen das es eine großartige Entwicklung für die Patienten ist.
Tschingis1 vor 1 Wochen
@pepe79
Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Natürlich brauchts dafür einen entsprechenden Kardiologen mit langem Atem, da diese Methode Stück für Stück entwickelt und verfeinert werden muss, wie der Bericht so treffend aussagt.
Mich freut es, dass der Prof. auch den finanziellen Spielraum von der Uni Jena hatte.