Blick in einen Operationssaal 11 min
In Pößneck und Saalfeld zeichnet sich im Kleinen bereits ab, wie die große Krankenhausreform in der Praxis aussehen könnte. (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Krankenhausreform Wie sich Krankenhäuser neu strukturieren könnten

23. März 2024, 05:00 Uhr

Die Intensivstation ist abgeschafft, dafür werden am Krankenhaus in Pößneck mehr ambulante OPs durchgeführt. Dort wird bereits praktiziert, was mit der Krankenhausreform erreicht werden soll: Geld sparen und eine bessere medizinische Versorgung.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen ersten Referentenentwurf zur Krankenhausreform herausgebracht. Doch wie kann die Versorgung der Patienten aussehen, wenn das Projekt von Bund und Ländern umgesetzt wird? In Thüringen kann man das bereits sehen. In Pößneck wurden bereits Stationen eines Krankenhauses geschlossen – und in Saalfeld wiedereröffnet. 

In Pößneck gibt es seit einem halben Jahr keine Intensivstation und keine Chirurgie mehr. Der Grund für diese Umstrukturierung: Es wurden dort immer weniger Patienten behandelt. Innerhalb von sechs Jahren sind es 20 Prozent weniger stationäre Fälle geworden. Hinzu kamen Personalengpässe.

Der Klinikbetreiber, zu dem drei Standorte gehören, und der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt als Träger mussten handeln. "Wenn der Betrieb nur noch mit teuren Honorarkräften aufrechterhalten werden kann und es schwieriger wird, die Qualitätsvorgaben zu erfüllen", sagt der Geschäftsführer der Thüringer Kliniken, Thomas Krönert: "Da muss man sich überlegen, was tut man."

Was in Pößneck bleibt

Für Pößneck bedeutet das: Es gibt nur noch eine innere Station, eine Notaufnahme und ein ambulantes OP-Zentrum. Komplexere chirurgische Behandlungen, wie zum Beispiel ein Gelenkersatz von Knie und Hüfte finden dort nicht mehr statt, sondern im 22 Kilometer entfernten Hauptstandort in Saalfeld.

An dem Akademischen Lehrkrankenhaus in Saalfeld wurden bereits 2022 weitaus mehr chirurgische Behandlungen als in Pößneck durchgeführt. Von den insgesamt 60 chirurgischen Betten in Pößneck wurden nun 30 nach Saalfeld verlagert. Dort gibt es nun insgesamt 130. Die restlichen 30 Betten in Pößneck wurden abgebaut. Dafür werden jetzt alle ambulanten Operationen aller drei Standorte in Pößneck durchgeführt – wie etwa Leistenbrüche, Arthroskopien oder Magenspiegelungen.

Wie die Krankenhäuser in Deutschland reformiert werden sollen

Die Thüringen-Kliniken sind ein Beispiel dafür, wie sich auch andere Krankenhäuser in Deutschland entwickeln könnten. Denn mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz soll Ende 2024 die große Krankenhausreform für Deutschland kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagt, das Hauptziel ist eine bessere medizinische Versorgung: "Die Patienten müssen leichter in die Lage kommen, dass sie in das Krankenhaus für Ihre Krankheiten hineinkommen, welches für ihre Krankheit am besten geeignet ist."

Deshalb sollen Krankenhäuser zukünftig strenger spezialisiert werden. Ein Beispiel: Aktuell ist die Kardiologie in den meisten Bundesländern keine eigene Fachrichtung und wird der Inneren Medizin zugeordnet. Das bedeutet: Komplexere kardiologische Eingriffe dürfen erbracht werden, ohne dass eine hoch qualifizierte Versorgung dafür garantiert ist.

Künftig soll nach Leistungsgruppen geplant werden. Die Innere Medizin wäre eine Leistungsgruppe und die Kardiologie auch. Kliniken müssen sich für komplexe kardiologische Behandlungen bewerben. So sollen komplizierte Krankheiten nur noch dort behandelt werden, wo entsprechende Technik und Personal vorhanden ist.

Für den Gesundheitswissenschaftler Professor Karl-Heinz Wehkamp von der Universität Bremen ist diese Spezialisierung dringend notwendig: "Wir können nicht die enorm schnell differenzierende und entwickelnde Medizin mit immer neuen Möglichkeiten nach dem bisherigen Gießkannenprinzip über die ganze Republik gleichmäßig verteilen. Das wäre unfinanzierbar." Zudem fehle dafür auch das Personal. Es brauche diese hochspezialisierten Zentren und abgestufte Verfahren in der Fläche.

Zu viele ungenutzte Betten in den Krankenhäusern

Ein weiteres Problem: Es gibt zu viele ungenutzte Betten in den Krankenhäusern. Bezogen auf die Einwohnerzahl hat Deutschland die meisten Betten in Europa. Die Bettenauslastung lag zuletzt bei durchschnittlich 69 Prozent. "Wir haben zu viele Krankenhäuser. Wir haben weder den medizinischen Bedarf noch das Personal noch das Geld dafür, die vielen Krankenhäuser, die höchste Krankenhausdichte in Europa zu erhalten", sagte Lauterbach dazu. Er plant Krankenhäuser zu schließen.

Wir haben weder den medizinischen Bedarf noch das Personal noch das Geld dafür, die höchste Krankenhausdichte in Europa zu erhalten.

Karl Lauterbach Gesundheitsminister

Es sind Aussagen, die in der Bevölkerung für Verunsicherungen sorgen. In Pößneck gab es im September des vergangenen Jahres vor der Umstrukturierung des Krankenhauses Proteste. Die Sorge der Anwohner: Die medizinische Versorgung für die Region wird zunehmend abgeschafft.

Doch Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke) beschwichtigt. Sie verspricht: Im Freistaat wird kein Krankenhaus schließen: "In Ostdeutschland wurde diese sogenannte Strukturbereinigung schon vor vielen Jahren vollzogen. Wir haben hier in Thüringen auch Krankenhäuser geschlossen. Das war ein schmerzhafter Prozess. Und die Krankenhäuser, die jetzt noch da sind, die sind bedarfsnotwendig." Doch es sei auch klar, dass sich Krankenhausstandorte weiterentwickeln müssten.

Ambulante Behandlung ist deutlich günstiger

Für das Krankenhaus in Pößneck etwa plant das Land Umbaukosten in Höhe von 26 Millionen Euro ein. Die Zahlen der ambulanten Operationen werden sich dort erhöhen. Ambulante Operationen kosten die Krankenkassen deutlich weniger Geld. So ist etwa eine stationäre Leistenbruch-Operation inklusive der stationären Versorgung, mehr als dreimal so teuer im Vergleich zur ambulanten Behandlung.

Professor Wehkamp fordert für einen Anstieg des ambulanten Operierens allerdings die notwendigen Strukturen: "Voraussetzung ist aber ein ambulantes Pflege-und Versorgungssystem, damit nicht die Familien – und in der Regel dann die Frauen – alleine damit sitzen und die Patienten weiter versorgen."

In Pößneck müssen sich einige Patienten die ambulante medizinische Versorgung selbst organisieren – etwa bei ihrem Hausarzt. "Die postoperative Nachsorge ist jetzt für uns nicht ganz neu", sagt der Pößnecker Hausarzt Dr. Ruben Thom. "Wir haben das also schon teilweise übernommen." Es sei leistbar, bedeute aber auch Mehrarbeit und die Standards der jeweiligen Fachärzte müssten dabei auch eingehalten werden.

Wie Lauterbach das Gesetz ohne Länder verabschieden will

Weniger Krankenhäuser und eine zentrierte, bessere medizinische Versorgung, auch um Personalknappheit und Finanzierungslücken zu schließen. Das will Lauterbach zusammen mit den Ländern schaffen. Allerdings soll laut dem Bundesgesundheitsminister das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz nicht mehr zustimmungspflichtig sein. Das heißt: Das Gesetz kann dann ohne Zustimmung der Länder verabschiedet werden.

"Wir haben am Ende die Verantwortung zu tragen, dass genügend medizinische Versorgung in Thüringen beispielsweise auch abgebildet ist", kritisiert Linken-Politikerin Werner. "Und wenn so ein Gesetz durch die Länder nicht mehr zustimmungspflichtig ist, also nur Bundestag beschlossen wird, dann kann es eben durchaus passieren, dass diese konkreten Interessen nicht die Rolle spielen, wie es notwendig wäre."

Mehr zur Krankenhausreform

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 20. März 2024 | 20:15 Uhr

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