Baugeräte auf einer Baufläche
Bildrechte: MDR/Danielle Haupt

Großlöbichau Streit um Container-Dorf für 240 Bauarbeiter von Zeiss-Baustelle in Jena

03. November 2023, 11:29 Uhr

In der 700-Einwohner-Gemeinde Großlöbichau stößt ein geplantes Container-Dorf für die Bauarbeiter des Zeiss-Campus in Jena auf viel Kritik. Trotzdem wird bereits gebaut.

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In der Gemeinde Großlöbichau im Saale-Holzland-Kreis soll ein Container-Dorf für die Bauarbeiter des Zeiss-Campus in Jena entstehen. Doch die Wohnanlage im Gewerbegebiet stößt auf viel Kritik. Der Bauantrag dafür ist nichtsdestotrotz genehmigt worden. Das zuständige Unternehmen hat bereits mit den Vorarbeiten für begonnen. Schon in der nächsten Woche sollen die Container aufgestellt werden.

Eine planierte Fläche.
Auf dieser Fläche im Gewerbegebiet von Großlöbichau sollen bald die Container für die Arbeitskräfte stehen. Bildrechte: MDR/Danielle Haupt

Container für 240 Arbeiter aus verschiedenen Ländern

Gebaut werden soll die Container-Wohnanlage von der Riedel Bau AG aus Schweinfurt. Sie ist verantwortlich für den Rohbau des Großprojekts in Jena. Wie Projektleiter Jürgen Hornung sagt, sollen etwa 240 der dort beschäftigten Bauarbeiter in den Unterkünften untergebracht werden. Diese stammen unter anderem aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Portugal und der Türkei, wie die "Ostthüringer Zeitung" auflistet. Die Fläche, auf der die Container künftig stehen sollen, gehört zu zwei Dritteln einem Großlöbichauer und zu einem Drittel der Vacom Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH.

Für die Riedel Bau AG sind die Container eine gute Investition. Die Anfahrt von Großlöbichau nach Jena ist kurz und auf der Großbaustelle sind viele Bauarbeiter beschäftigt, die nicht alle in Jena untergebracht werden können. Denn Wohnraum in Jena ist knapp und die Preise für Hotels und Pensionen sind gestiegen.

Kritik aus Großlöbichau

Weil sie nach eigenen Angaben nicht in die Planung einbezogen und erst viel zu spät über das Projekt informiert worden sind, haben sich viele Einwohner gegen das Container-Dorf gestellt. Es habe keine ausreichende Aufklärung bei Gemeinderatssitzungen und von Bürgermeisterin Anja Isserstedt-Theilig gegeben - und das, obwohl die Container-Wohnanlage schon seit Monaten in Vorbereitung ist. Außerdem seien die Fragen des Brandschutzes und der Versorgung der Bauarbeiter noch nicht abschließend geklärt.

Unterschriftensammlung und Rücktrittsforderung

Ende September hatten einige Bürger eine Unterschriftensammlung gestartet. Ziel war es, eine Einwohnerversammlung einzuberufen, in der gemeinsam über das Projekt gesprochen wird. Von den rund 600 Wahlberechtigten in der Gemeinde hat mehr als die Hälfte unterschrieben.

Menschen sitzen in einem Saal.
Weil sie mit der Entscheidung der Gemeinde unzufrieden sind, haben Bürger eine Einwohnerversammlung einberufen. Bildrechte: MDR/Danielle Haupt

Außerdem hatten einige Großlöbichauer ihre Bürgermeisterin Anja Isserstedt-Theilig in einer Gemeinderatssitzung öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. Daraufhin hatte sich eine Interessensgemeinschaft mit zunächst etwa 15 Mitgliedern gegründet. Die will nicht nur die Container-Wohnanlage verhindern, sondern auch die Bürgermeisterin ablösen. Auch der Gemeinderat soll zurücktreten, so die Forderung der Interessensgemeinschaft. Er hatte dem Bau der Container-Wohnanlage ebenfalls zugestimmt. Gemeinderat Torsten Schwarz hat sein Mandat bereits niedergelegt.

Bürgerinitiative erzwingt Einwohnerversammlung

Am 1. November wurde dann die von der Bürgerinitiative per Unterschriftensammlung eingeforderte Einwohnerversammlung veranstaltet. Mehr als 250 Bürger waren gekommen, um über die Container-Wohnanlage zu diskutieren. Die Bürgerinitiative verteilte vor der Einwohnerversammlung ein neues Schreiben, in dem sie die Abwahl von Bürgermeisterin Anja Isserstedt-Theilig fordert.

Baugeräte auf einer Baustelle.
Die Bürgerinitiative will am liebsten verhindern, dass die Bagger weiter das Containerdorf vorbereiten. Bildrechte: MDR/Danielle Haupt

Schon zu Beginn der Versammlung erhitzten sich die Gemüter: Mehrere Hundert Menschen wollten an der Veranstaltung teilnehmen, doch es war nicht genug Platz im Saal des Dorfgemeinschaftshauses. Nachdem alle etwas zusammenrückten, konnten sie die Diskussion verfolgen.

Wir im Saale-Holzland-Kreis haben nichts mit Jena zu tun und wollen selbstständig bleiben.

Bürger aus dem Publikum der Einwohnerversammlung

Die Zwischenrufe hörten damit aber nicht auf. "Wir sind hier in Großlöbichau und nicht in Jena", hieß es etwa aus dem Publikum. Oder: "Wir im Saale-Holzland-Kreis haben nichts mit Jena zu tun und wollen selbstständig bleiben." Besonders schwer hatte es Alexandra Kujat von Zeiss, die das Großprojekt des Unternehmens in Jena zu Beginn der Versammlung vorgestellt hatte.

Immer wieder hatte Moderator Bernd Okun von der Führungs- und Veränderungsakademie De Vacto aus Leipzig Mühe, die aufgebrachten Einwohner zu beruhigen. Das lag unter anderem auch daran, dass er mehrmals von der Rolle des Moderators in die eines Mitdiskutanten wechselte.

Eine Frau vor einer Präsentation.
Alexandra Kujat von Zeiss ernetete bei der Vorstellung des Projektes Kritik. Bildrechte: MDR/Danielle Haupt

Viele Bürger meldeten sich zu Wort und kritisierten die Container-Anlage sowie die vorherigen Entscheidungsprozesse. Immer wieder gab es dafür Applaus. Doch auch Befürworter für die Wohnanlage kamen bei der Diskussion zu Wort. "Wir können dazu beitragen, dass in unserer Region Jobs und Lehrstellen entstehen", betonte etwa eine Anwohnerin.

Wir können dazu beitragen, dass in unserer Region Jobs und Lehrstellen entstehen.

Anwohnerin Publikum der Einwohnerversammlung

Bürger fordern Sicherheitskonzept

Bei der Versammlung forderte die Initiative auch ein Sicherheitskonzept für das Containerdorf. Die Begründung: Weil die Bauarbeiter aus verschiedenen Nationen stammen, seien Konflikte innerhalb der Unterkunft programmiert. Auch die fehlenden Freizeitmöglichkeiten wurden kritisiert. Bemängelt wurde zudem, dass die Gemeinde aus der Wohnanlage in ihrem Gewerbegebiet keinen Vorteil ziehe.

Die größte Kritik gab es aber am Entscheidungsprozess selbst. Die Einwohner werfen dem Gemeinderat und der Bürgermeisterin zu wenig Transparenz vor. Denn es sei nur in nicht-öffentlichen Sitzungen darüber gesprochen worden. Steffi Friedrich von der Bürgerinitiative forderte deshalb, die Abstimmungsergebnisse und Protokolle der Gemeinderatssitzungen offenzulegen. Ein Grund dafür ist auch, dass mit Matthias Drescher ein Verpächter der Container-Fläche in dem Gremium sitzt.

Wann können Gemeinderatssitzungen nicht-öffentlich sein?

In Paragraf 40 der Thüringer Kommunalordnung heißt es: "Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder das berechtigte Interesse Einzelner entgegenstehen. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nicht öffentlicher Sitzung beraten und entschieden." Zu den berechtigten Interessen Einzelner kann beispielsweise zählen, wenn das Bekanntwerden persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse in einer öffentlichen Sitzung nachteilige Folgen für den Einzelnen hätte.

Bürgermeisterin weist Vorwürfe zurück

Bürgermeisterin Anja Isserstedt-Theilig, die hauptberuflich für vorbeugenden Brandschutz tätig ist, wies die Vorwürfe zurück, sie oder der Gemeinderat hätten absichtlich etwas verheimlichen wollen. Denn nicht-öffentliche Sitzungen seien schließlich dafür da, um als gewähltes Gremium intensiv und untereinander diskutieren zu können. "Wir sind Ehrenamtler und keine Profi-Politiker", verteidigte sie zudem die Arbeit des Gemeinderats.

Außerdem habe sie der Baugenehmigung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass ausschließlich Mitarbeiter der Riedel Bau AG oder deren Sub-Unternehmen untergebracht werden - und die Wohnanlage maximal vier Jahre lang bleibt, wie die "OTZ" zuerst berichtete.

Bau soll schon im November beginnen

Schon nächste Woche soll der Bau der Container-Wohnanlage beginnen. Der Erdbau ist bereits abgeschlossen. Die Anlage soll, anders als ursprünglich geplant, umzäunt werden. Ein Sicherheitskonzept per Überwachung ist nicht vorgesehen.

Außerdem arbeitet die Riedel Bau AG an einem Shuttle-Service von Großlöbichau nach Jena und zurück. Der schrittweise Rückbau der Anlage soll spätestens im November 2024 beginnen und im Februar 2025 abgeschlossen sein.

Mehr zu umstrittenen Bauvorhaben in Thüringen

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 03. November 2023 | 18:30 Uhr

18 Kommentare

Jan Will vor 28 Wochen

Hauptsache, die Großlöbichauer arbeiten nie außerhalb ihres Ortes, die will doch niemand in seiner Nähe haben - allerhöchstens mit einem detailliert besprochenen Sicherheitskonzept.

MDR-Team vor 28 Wochen

In welchem Bezug verdient man in Thüringen als Vollzeit-Arbeitnehmer am meisten? Können Sie dazu bitte eine genaue Angabe machen?

Führen Sie die weitere Diskussion bitte zum Ausgangsthema.

Bartho_th vor 28 Wochen

Hab ich das irgendwo geschrieben? In Thüringen verdient man als Vollzeit-AN mit Abstand am meisten. 2019 war der Medianlohn in Jena 800€ höher als im SHK.

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