Wahlforum  des Stadtrates in Bad Lobenstein 3 min
Video: Kandidaten für Landratswahl im Saale-Orla-Kreis präsentieren sich Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Thüringer Superwahljahr beginnt Landratswahl im Saale-Orla-Kreis am Sonntag: Was die Bewerber planen

08. Januar 2024, 15:45 Uhr

Am 14. Januar wird im Saale-Orla-Kreis ein neuer Landrat gewählt. Vier Kandidaten von CDU, AfD, Linke sowie eine parteilose Kandidatin, die für die SPD antritt, bewerben sich um den Chefsessel im Schleizer Landratsamt. Amtsinhaber Thomas Fügmann darf aus Altersgründen nicht mehr antreten. Eine neue Initiative sieht die AfD kritisch. Doch wie könnte der Wechsel aussehen und was planen die Bewerberinnen und Bewerber im Falle eines Sieges?

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Eine Woche vor dem Urnengang ist der Wahlkampf im Saale-Orla-Kreis in vollem Gange. Überall hängen die Plakate der vier Bewerber. Die touren seit dem Jahreswechsel verstärkt durch den Landkreis und stehen ihren Wählerinnen und Wählern an Infoständen Rede und Antwort.

Zum Beispiel im Neuen Schloss Bad Lobenstein, wo die Fraktionen des Stadtrates Anfang Januar gemeinsam ein Wahlforum organisiert haben. Dabei stehen vor allem lokale Themen im Fokus.

Wie die Ardesia-Therme, ein wichtiger Baustein für Kurgäste und Besucher der Stadt. Aber eben auch ein großer Brocken für die Stadtkasse, die den Betrieb subventionieren muss, trotz aller Bemühungen der Mitarbeiter. 2011 hatte sich der Kreistag des Saale-Orla-Kreises zur Ardesia-Therme bekannt und Gespräche geführt, wie die städtische Einrichtung durch den Landkreis unterstützt werden kann. Leider ohne Ergebnis.

Allerdings kam das Bekenntnis zur Therme im Kreistag nicht einstimmig zustande, wie Landrats-Kandidat Christian Herrgott (CDU) im Wahlforum sagt. Möglicherweise ein Zeichen dafür, wie unterschiedlich die Befindlichkeiten im Flächenlandkreis zwischen Saale und Orla auch fast dreißig Jahre nach der Gründung immer noch sind.

Ein Saal voller Zuhörer
Zum Wahlforum in Bad Lobenstein kamen weit über einhundert Gäste. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Fehlendes Verständnis zwischen "oberer" und "unterer" Landkreis-Region

Von Anfang an führten "Oberland" und "Unterland" - also der nördliche und der südliche Teil des Landkreises - ein Eigenleben. Bis heute ist kein wirkliches Gemeinschaftsgefühl im Landkreis entstanden. Das zeigt sich unter anderem an der fehlenden Unterstützung der touristischen Bemühungen um die Stauseeregion durch die Kommunen an Orla und Kotschau, aber auch an der fehlenden Teilnahme vieler Akteure aus Schleiz oder Bad Lobenstein an der Saale-Orla-Schau in Pößneck.

Das fehlende Verständnis füreinander in den beiden Landkreisteilen könnte sich auch bei der bevorstehenden Landratswahl auswirken. Denn alle vier Kandidatinnen und Kandidaten sind in der Region um Schleiz und Bad Lobenstein - also im Oberland - aufgewachsen, wie zum Beispiel Polit-Neuling Regina Butz (parteilos), die von der SPD ins Rennen geschickt wird.

Die studierte Juristin kennt das Landratsamt von ihrer Arbeit als Fachbereichs- und Fachdienstleiterin. Von 2009 bis 2021 war sie unter anderem in den Bereichen Ordnung, Gesundheit und Umwelt tätig. Seit 2021 leitet sie den Zweckverband Abfallwirtschaft Saale-Orla mit Sitz in Pößneck. Mit ihrer Familie wohnt sie in Oettersdorf bei Schleiz.

Landratsamt-Kandidatin Regina Butz mit Mitarbeitern
Regina Butz (Mitte, parteilos) tritt für die SPD als Landrats-Kandidatin an. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

CDU-Kandidat Christian Herrgott ist zwar in Schleiz geboren, lebt inzwischen aber in Neustadt an der Orla. Der 39-jährige ehemalige Bundeswehroffizier sitzt seit 2014 im Thüringer Landtag und gilt in der Region als gut vernetzt. Die Arbeit im Landratsamt kennt er aus seiner Zeit als Büroleiter beim scheidenden Amtsinhaber Thomas Fügmann und als ehrenamtlicher Beigeordneter des Landkreises. Außerdem ist er als Vorsitzender der Volkssolidarität Pößneck aktiv.

Ehrenamtlich engagiert sich auch der Landtagsabgeordnete Ralf Kalich (Die Linke). Er lebt am südlichsten Zipfel des Landkreises in Blankenstein und kam vor dreißig Jahren erstmals mit der Politik in Berührung. Dem Thüringer Landtag gehörte er bereits von 2005 bis 2009 an. Seit 2012 sitzt er als Nachrücker erneut im Landesparlament.

Ralf Kalich blickt in die Kamera.
Ralf Kalich Bildrechte: MDR/Alexander Reißland

Sieben Jahre später schaffte AfD-Mitglied Uwe Thrum den Sprung in das Parlament. Der gelernte Tischlermeister lebt in Hirschberg, wo er nach eigenen Worten auch erste Erfahrungen in einer Bürgerbewegung sammelte. Thrum ist seit 2019 Kreistagsmitglied und Vorsitzender der AfD-Fraktion im Kreisparlament.

Initiative sieht AfD-Kandidat kritisch

Der AfD-Kandidat sorgt im Landkreis für Kontroversen. Deshalb hatte die Initiative "Dorfliebe für alle" zu einer Kundgebung auf dem Schleizer Neumarkt aufgerufen. Sie sorgt sich, dass Thrum den Kampf um das Landratsamt gewinnen könnte. Mindestens 300 Demonstranten sind am Samstag dem Aufruf gefolgt, schätzt die Polizei. Aus dem AfD-Lager waren rund 50 Menschen anwesend.

Mehrere Hundert Demonstranten stehen auf dem Neumarkt in Schleiz. Zu der Kundgebung hatte die Initiative "Dorfliebe für alle" aufgerufen, sie warnt vor einem AfD-Kandidaten bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis.
Kundgebung der Initiative "Dorfliebe für alle" in Schleiz Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

In einem offenen Brief zum Jahresende hat die Initiative vor dem AfD-Kandidaten gewarnt. Er unterstütze den AfD-Landeschef Björn Höcke, heißt es darin. Ein Landrat einer Partei, die Ausgrenzung, Menschenhass und Populismus befeuere, sei schlecht für die weitere Entwicklung des Saale-Orla-Kreises, heißt es weiter. Beim Wahlforum im Neuen Schloss ist Thrum allerdings derjenige, der klare Aussagen zu seinen Zielen macht.

Im Gegensatz zu seinem Parteifreund Robert Sesselmann, seit Kurzem Landrat in Sonneberg, setzt Thrum im Wahlkampf auf Landkreisthemen. Medizin-Stipendien für angehende Ärzte, der Erhalt der Krankenhäuser in Schleiz und Pößneck, eine bürgernahe Verwaltung und das Radwege-Netz im Landkreis stehen auf den Wahlflyern. Außerdem will Thrum weiter am Investitionsstau in den Schulen und Turnhallen im Landkreis arbeiten. Den Misstönen zwischen Ober- und Unterland will Thrum mit einem jährlichen Landkreisfest begegnen.

Ein Wahlstand der AfD mit Landratskandidat Uwe Thrum
Landratskandidat Uwe Thrum (AfD) tourt seit Wochen durch den Landkreis. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Das dafür nötige Geld will Thrum möglicherweise beim Thema Migration sparen. "Es geht um die konsequente Umsetzung des Asylrechts", sagt der Kandidat. "Sachleistungen statt Geldleistungen". Auch beim Thema Integration will er sparen, und bei den freiwilligen Leistungen des Landkreises.

Herrgott: Verwaltung verschlanken und digitalisieren

Die Leistungen betragen allerdings gerade mal drei Prozent des Haushaltes, entgegnet Christian Herrgott. Trotz hoher Ausgaben für Musikschule, Volkshochschule, Schloss Burgk und einige kleinere Ausgabenfelder. Das meiste Geld ginge für Personal – immerhin über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Kreisverwaltung inklusive Bauhof, Musikschule und Landkreis-Museen – und Sozialausgaben drauf.

Christian Herrgott
Christian Herrgott Bildrechte: MDR/Christian Herrgott

Auch deshalb hält der CDU-Kandidat sich im Wahlforum zurück mit großen Versprechungen, die er möglicherweise später nicht einhalten kann. Herrgott will die Kreisverwaltung zum Dienstleister umbauen. Mehr digitale Angebote sollen dabei helfen, aber auch ein Neustart der Führerscheinstelle in Pößneck, die vor Jahren durch den scheidenden Landrat Fügmann abgeschafft wurde.

Außerdem will Herrgott sich auch weiterhin in der Initiative für den Erhalt der Notaufnahme im Pößnecker Krankenhaus engagieren. Auf die Agenda setzt der CDU-Kandidat außerdem den Erhalt der Kindergärten in kleinen Gemeinden. Auch die Schulstandorte sollen im bisherigen Umfang bestehen bleiben. Dabei will Herrgott mit allen Parteien im Kreistag zusammenarbeiten. Regelmäßige Bürgerstammtische sollen ihn nah zu den Einwohnern im Landkreis bringen.

Kalich und Butz: Offene Kommunikation mit Bürgern

Noch-Landrat Fügmann sieht den Saale-Orla-Kreis eigentlich gut aufgestellt. In den vergangenen zwölf Jahren seien die Schulden um rund vierzig Prozent gesunken, so Fügmann. Außerdem fielen in den nächsten Jahren weitere Belastungen weg, der Saale-Orla-Kreis sei damit handlungs- und lebensfähig.

Das sieht nicht jeder der vier Landrats-Kandidaten so. Zu lange sei der Landkreis nur verwaltet worden. Laut Ralf Kalich (Die Linke) muss vor allem die Kommunikation mit den Bürgern verbessert werden. Auch für individuelle Probleme in den Kommunen müsse das Landratsamt offener werden.

Der Kandidat der Linken will sich nach eigenen Worten vor allem für eine bessere Mobilität auf dem Land, mehr Ortsumgehungen und einen langfristigen Erhalt der Krankenhausstandorte in Schleiz und Pößneck einsetzen. Aber auch die Vereine im Landkreis sollen eine bessere Unterstützung erfahren.

Thüringen Kliniken Pößneck
Thüringen fördert den Umbau des Klinikums Pößneck in eines ambulantes OP-Zentrum Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Einen offenen und respektvollen Dialog mit den Menschen im Landkreis wünscht sich auch SPD-Kandidatin Regina Butz. In acht Themenbereichen stellt sie ihre Ziele im Falle einer Wahl vor. Auch hier spielen Radwege, Digitalisierung und medizinische Versorgung auf dem Land eine wichtige Rolle, aber auch moderne Schulen und generationsübergreifende Bildungsprojekte.

Außerdem will Regina Butz die Kommunen beim Kampf gegen den Ärztemangel unterstützen, etwa durch gute Rahmenbedingungen bei der Schaffung von Ärztehäusern. Flüchtlinge mit Bleibeperspektive sollen besser integriert werden, Verstöße konsequent geahndet werden. Im Landratsamt will die SPD-Kandidatin für schnellere Genehmigungsverfahren sorgen.

Ära Fügmann endet nach zwölf Jahren

Wenn am 8. Februar in der Kreisverwaltung in Schleiz ein neuer Landrat oder eine neue Landrätin einzieht, endet die Amtszeit für Thomas Fügmann (CDU), der zwölf Jahre lang die Geschicke des Landkreises lenkte. Nicht nur im Saale-Orla-Kreis, in ganz Thüringen stellen die Landratswahlen für die Christdemokraten einen Generationswechsel dar.

Von aktuell neun CDU-Landräten dürfen altersbedingt sieben nicht mehr antreten. Damit fällt in den betreffenden Landkreisen auch ein eventueller Amtsbonus weg. Fügmann rechnet im Saale-Orla-Kreis mit einer Stichwahl Ende Januar. Eine Prognose möchte er nicht abgeben, wünscht sich aber, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin den Landkreis nicht nur verwaltet.

Landrat Thomas Fügmann (61) , Landratsamt Saale-Oral-Kreis
Thomas Fügmann darf aus Altersgründen nicht mehr antreten. Bildrechte: imago/Steve Bauerschmidt

Doch das Gestalten dürfte schwierig werden. Aktuell gibt es für das Jahr 2024 noch keinen Kreishaushalt. Aus den Kommunen weht der Verwaltung in Schleiz wegen den erneuten Plänen für eine höhere Kreisumlage ein heftiger Protest entgegen. Schon jetzt ist der Saale-Orla-Kreis Spitzenreiter in Thüringen. In diesem Jahr soll die Umlage auf über 50 Prozent steigen.

Landrat Fügmann begründet das mit den weiter steigenden Kosten, vor allem in sozialen Bereich und bei der Infrastruktur: "Wir haben eine große Fläche mit vielen Schulen, Kreisstraßen und weiterer Infrastruktur", sagt er. "Und das alles bei relativ wenigen Einwohnern".

Die vier Kandidatinnen und Kandidaten sind sich beim Wahlforum einig, dass die geplante Kreisumlage auf keinen Fall von den Kommunen geschultert werden kann. Wo das fehlende Geld herkommen soll: Mit Vorschlägen dazu halten sich die meisten allerdings zurück.

Beim Wahlforum im Bad Lobensteiner Schloss sind zwei Drittel der weit über einhundert Teilnehmer noch unentschlossen, welchen Kandidaten sie am 14. Januar wählen werden. Ein Grund dürfte sein, dass sich die meisten der vier mit konkreten Aussagen zurückhalten.

Eine Straße in Pößneck
Auch in Pößneck rechnen viele mit einer Stichwahl Ende Januar. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Allerdings haben viele der Wählerinnen und Wähler klare Forderungen an den neuen Landrat oder die neue Landrätin. Neben der Arbeit an den Straßen, Kindergärten oder Schulen im Landkreis nennen viele vor allem einen Punkt: Ehrlichkeit. Viele der Befragten rechnen außerdem für Ende Januar mit einer Stichwahl um den Landratsposten.

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MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 06. Januar 2024 | 19:00 Uhr

26 Kommentare

Eddi58 vor 16 Wochen

i.g.
Trumpscher Unsinn, wird auch durch ständige Wiederholung nicht besser…🤔
Briefwählende wissen ganz genau, wen sie wählen wollen und wen explizit nicht! Die von Ihnen beschriebenen Ausnahmen dürften kaum Einfluss auf das Wahlergebnis haben.
Was ich da mit der „fliegenden Wahlurne“ zur letzten Volkskammerwahl erlebt habe spottete jeder Beschreibung, hatte aber auch keinen Einfluss auf das Wahlergebnis.

Mittler vor 16 Wochen

Auf dem Foto mit dem AfD-Kandidaten Uwe Thrum ist am Wahlkampfstand ein Aufsteller „AfD Fraktion Thüringen“ zu sehen. Nutzt die AfD etwa Werbematerial ihrer Landtagsfraktion, um Wahlkampf zu machen? Das wäre meiner Ansicht nach nicht erlaubt.

Gogolino vor 16 Wochen

Der Saale-Orla-Kreis war von Anfang ein Kunstobjekt aus Angst vor der Übermacht aus Richtung Greiz. Das Unterland mit Pößneck hat sich vom Oberland mit der "Kreisstadt" Schleiz unterbuttern lassen. Wäre man 1994 mit Saalfeld-Rudolstadt zusammen gegangen würde heute keiner mehr von Schleiz reden. Was hat der Saale-Orla- Kreis außer Fläche. Deswegen ist es völlig egal wer nach Fügmann Landrat wird. Nur mal nach Sonneberg schauen. Die wollten auch schon seit 30 Jahren nach Bayern. Soweit geht die Freundschaft aber nicht.

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