Jäger Josef Höhn sitzt auf seinem Hochsitz und schaut durch einen Feldstecher.
Ausschau nach dem Wild: Josef Höhn auf seinem Hochsitz Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Waidmanns Heil Gutes Fleisch und Naturliebe: Was Thüringens junge Jäger in den Wald zieht

06. Januar 2024, 18:42 Uhr

In Thüringen ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Jagdprüfungen gestiegen. Der Jagdverband beobachtet ein größeres Interesse junger Leute an Wald und Wild. Woher kommt die neue Lust an der Jagd?

"Wenn ich hier sitze und es kommt kein Tier vorbei, dann weiß ich, dass ich etwas richtig gemacht habe", sagt Josef Höhn und blickt über das Feld in ein kleines Waldstück. Die Lärchen mit ihren ausgedünnten Ästen sind leicht nach links gebogen. Der Wind bläst.

Hier oben unweit der Bundesstraße 89 zwischen Bachfeld und Eisfeld ist der obere Rand des Reviers, in dem der 28-jährige Jäger zuständig ist. Über 1.200 Hektar misst das Gebiet, führt von Bachfeld über Heid bis zu Kreisgrenze nach Hildburghausen. Vor sieben Jahren hat Höhn die Jagdprüfung absolviert. Ausschlaggebend war die Liebe zur Natur und auch, dass er selbst aus dem Wald sein eigenes Fleisch mit nach Hause bringen kann. "Seit sieben Jahren, seit ich den Jagdschein habe, habe ich kein einziges Stück Industriefleisch mehr gekauft - außer vielleicht mal eine Bratwurst", berichtet Höhn.

Jäger Josef Höhn sitzt auf seinem Hochsitz.
Die Zeit auf dem Hochsitz ist oft eine Zeit der Ruhe und des "Runterkommens". Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Mittlerweile hat er sein Fernglas auf den Fensterrahmen oben auf der Kanzel aufgebaut. Jetzt heißt es: Ruhig sein und die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen. Der Deutsche Jagdverband hat im Jahre 2021 angehende Jäger befragt, aus welchen Gründen sie sich ausbilden lassen. Draußen sein, Naturschutz und dass die Befragten gerne Wildfleisch essen, sind die Hauptmotivation zur Ausbildung.

Fleisch aus eigener Jagd

Das bestätigt auch Kay Eckart. Er ist Obmann der Jungen Jäger in Thüringen und vertritt die Interessen derer, der Jagdbegeisterten zwischen 16 und 38 Jahren. Der Hauptgrund für die Ausbildung zum Jäger aus seiner Sicht? "Die Nachhaltigkeit, dass ich mein eigenes Fleisch erlegen kann, das ist für viele ausschlaggebend. Mehr Bio geht nicht“, antwortet er. Und: Die Verbundenheit mit der Natur und ein Gefühl für die eigene Umgebung sei neu aufgelebt.

Nach Corona hat der Verband einen Zuwachs festgestellt. Viele habe es durch ausgefallene Urlaube in die heimischen Wälder gezogen. Darunter auch mehr Leute unter 20, junge Familien und Menschen bis 70 Jahre. "Die Generation Computer ist vorbei, das haben wir deutlich festgestellt“, sagt Eckart.

Die Generation Computer ist vorbei.

Kay Eckart, Obmann der Jungen Jäger, Landesjagdverband Thüringen

Auch die Zahlen der Jagdprüfungen belegen das. Waren es im Jahr 2019 noch über 500 Jagdprüfungen im Jahr, ist die Zahl der Prüflinge innerhalb von zwei Jahren auf 720 gestiegen. Das "Grüne Abitur", wie die Jagdprüfung auch genannt wird, ist nur der Anfang und befugt zwar zur Jagd. Es verpflichtet aber auch zu vielen Aufgaben im Revier. Und geht auch richtig ins Geld.

Prüfung für angehende Jäger - Was ist das "Grüne Abitur?" Die Jagdprüfung besteht aus schriftlichem Teil, einer praktischen Prüfung und einer Schießprüfung. Das Mindestalter ist 16 Jahre, wer jünger als 18 ist erhält einen Jugendjagdschein. Geprüft werden beispielsweise Kenntnisse in Wildbiologie und -hege, Waldbau, Waffenrecht, Tierschutz, Behandlung des erlegten Wildes und Hygiene sowie Naturschutz. Neben Training an der Waffe gibt es Exkursionen und Reviergänge. Der Kommission müssen immer auch Vertreter der Jagdbehörde angehören. Wer geprüft werden will, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen. Laut Deutschem Jagdverband sind bis zu 180 Stunden verpflichtend. Je nach Bundesland entspricht das einer Dauer von sechs bis zwölf Monaten bis man den Jagdschein in der Hand halten kann.

Imageprobleme aus alten Zeiten

Kitzrettung, Notzeitfütterung im Winter und das Pflanzen von Bäumen. "Unser Anspruch ist, dass Waldbau und Artenreichtum unter einen Hut kommen", sagt Höhn. Im Sommer müsse er selbst Heu machen und Rüben anbauen, damit wenn es kalt wird und schneit, das Wild auch zu Nahrung kommt. Bezahlt wird das nicht.

Die Jagd als Hobby? "Das ist für mich kein Hobby, entweder du bist Jäger oder du bist kein Jäger." Dazu kommt, dass die Jäger im Revier auch kommen müssen, wenn Unfälle mit Wild passieren. Im vergangenen Jahr sei Höhn 16 Mal hinzugerufen worden. Die kurvenreiche Bundesstraße Richtung Eisfeld - ein Unfallschwerpunkt.

Dass Jäger nur zum Schießen in den Wald gehen, sei ein falsches Bild, das über die Jahre entstanden sei. Die Jägerschaft war lange Zeit für sich gewesen. "Wozu gab es denn die Waidmannssprache? Die Jäger wollten unter sich bleiben", weiß der Bachfelder. Keiner hätte gewusst, was die Männer im Wald da so machen.

Jagd ohne Hund ist Schund?

Doch die Jägerschaft ist im Wandel. "Wir haben viel mehr Frauen dazugewonnen, junge Frauen und vor allem jene, die durch Arbeit mit Hunden auf die Jagd kommen", schätzt Eckart vom Thüringer Jagdverband ein. Die jungen Leute lernen von den erfahrenen Jägern und sie bringen auch selbst etwas mit, sind sich Eckart und Höhn einig. Sie sind offener und selbstbewusster.

Auch Höhn hat sich 2021 einen Jagdhund zugelegt. Rüde Asko ist ein Deutscher Wachtelhund und zum Stöberhund ausgebildet. Das hat gedauert und ist ein laufender Prozess, weil ein guter Jagdhund immer neue Erfahrungen sammeln muss, erklärt der 28-Jährige.

Jäger Josef Höhn mit seinem Hund.
Jäger Höhn mit seinem Hund Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Ein treuer Begleiter ist Asko und vor allem eine Versicherung: Wenn der Schuss nicht einwandfrei war und das Wild weiterläuft, muss es nachgesucht werden. Für Jäger ohne Hund oft mit Scham behaftet, weil dann jemand mit Jagdhund gerufen werden muss. Umso sicherer fühlt sich der Lehrer, wenn sein Hund dabei ist.

Die Diskussion um die Moral

In den Sozialen Medien zeigen junge Jäger ihren Alltag und stellen sich der Diskussion. "Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, wie kontrovers und emotional die Jagd diskutiert wird", berichtet Höhn. Er selbst würde anderen nicht seine Meinung aufdrängen, sei sogar froh wenn jemand nicht jagt: "Dann habe ich den Wald für mich und die größte Freude ist, wenn jemand der Gulasch schmeckt, den ich zubereitet habe, dazu muss er ihn nicht selber machen."

Mittlerweile ist es schon dämmrig geworden, der Wind zieht durch die Kanzel. Und die Büchse, die vor Höhn steht? Das neue Jagdgewehr hat eine aufwändige Prägung und besteht überwiegend aus Holz, nicht gerade günstig. "Das habe ich mir selbst geschenkt und wird mich wohl viele Jahre begleiten", zeigt er stolz.

Achtsamkeit auf dem Hochsitz

Wenn er lange Zeit hier auf dem Hochsitz verbringt, untersucht er das Bild auf dem Gewehr. Jedes Mal finde er etwas Neues. "Zur Ruhe kommen, das habe ich auf der Jagd gelernt und dafür bin ich unheimlich dankbar. Dass ich komplett abschalten kann."

Jagdgewehr
Mit aufwändiger Prägung: Höhns Jagdgewehr Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Diese neu gewonnene Achtsamkeit zieht auch laut Landesjagdverband viele in die Wälder. Zum Schuss kommt es heute nicht. Kein einziges Tier hat sich aus den Büschen hervorgetraut. Ein gutes Zeichen, sagt Höhn, weil sich die Wesen dann in den wildberuhigten Flächen wohlfühlen. Und wenn sich mal etwas zeigt, dann könne er auch nicht alles gleich schießen, was sich vor die Flinte traut. Ohne Anblick geht es zurück zum Auto.

Nicht alles darf bejagt werden

Schonzeit, Muttertierschutz und Vorgaben durch das Forstamt schränken ein. "Von zehn Mal Aufsitzen habe ich nur einmal die Möglichkeit, zu schießen, aber auch dann spricht meist die Entfernung dagegen", berichtet Höhn. Nur weil er ein Reh aus mehreren hundert Metern sieht, könne er es nicht aus der Ferne schießen.

Im Mittelpunkt stehen auch heute bei den jungen Jägern, wie den alten: Fairness. Schwarze Schafe gebe es immer, sagt Eckart vom Verband. Dass Tiere und Wald nicht leiden, müsse immer das Ziel sein. Der letzte Bissen und das Innehalten, wenn der Schuss erfolgreich war, sind bis heute geblieben. "Ich bleibe dann immer kurz neben dem Wild sitzen und kehre in mich, aus Respekt vor dem Tier", sagt Josef Höhn.

MDR (lou/dvs/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Nachmittag | 06. Januar 2024 | 14:00 Uhr

16 Kommentare

MDR-Team vor 16 Wochen

Auch die Jagdpacht schwankt in einem gewissen Preisspektrum, sodass beispielsweise auch Kosten in Höhe von 40 Euro pro Hektar und Jahr anfallen können.
Sie haben aber Recht damit, dass zwischen der Höhe der Jagdpacht und der Pacht für Solarparkflächen ein größerer Unterschied besteht.

HBG vor 16 Wochen

Zum Unterschied Jagdpacht oder Solarpark. Die Betreiber von Solarparkanlagen zahlen pro Jahr und ha zwischen 4000- 6000 Euro.
Der Jäger lasche 5 Euro/ha. Da ist mir der Tierschutz durch einen Solarpark bedingt aber viel lieber. Denn wo ein Solarpark errichtet wird haben die Jäger nichts mehr verloren. Schlechte Zeiten rollen an.
Und ohne Strom wird es wohl zur Aufgabe von einigen Projekten kommen. Was dann reduziert wird, können Sie sich aussuchen!
Meines Wissens ( 600g Wild/Person/Jahr Verzehr) tragen die Jäger nicht zur Versorgung der Menschheit bei. Es geht auch ohne die Jagd. Die Jagd wird von der breiten Bevölkerung nicht akzeptiert.

Thorgram vor 16 Wochen

"Dem Wild wurde der natürliche Lebensraum genommen"

Ja, und was ist nun ihre Konsequenz daraus ? Geben wir Dörfer und Städte auf ? Ein-Kind Politik ? Bevölkerungsbegrenzung ? Wie hätten Sie es gerne ?

Und der Solarpark entzieht auch dem Wild wieder Lebensraum ;) (und vor allem Biodiversität ... )

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