Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Forststudentin Vianne Kublick aus Gotha erfasst die Daten zur Eichen-Versuchsfläche bei Eisenach für ihre Bachelorarbeit. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Klimawandel Wie eine Studentin bei Eisenach nach dem Baum für Extremstandorte sucht

29. Juli 2023, 11:31 Uhr

Für Waldeigentümer ist das die Frage der Zukunft: Welche Baumarten sollen sie nutzen, um Kahlflächen wiederzubewalden? Einfache und schnelle Antworten gibt es nicht, aber eine Reihe von Versuchsflächen von Thüringen Forst wie beispielsweise bei Eisenach. Dort hat jetzt eine Studentin Eichen elf verschiedener Arten und Herkünfte untersucht und festgestellt: Es gibt Unterschiede.

Die Versuchsfläche am Hang neben der B 84 südlich von Eisenach hat etwas Besonderes: einen schönen Ausblick auf die Wartburg. Doch Vianne Kublick hatte in der zurückliegenden Woche vor allem Augen für die jungen Eichen, die sie oft zwischen Brombeerranken suchen musste, um sie zu vermessen. Die 22-Jährige aus Gotha studiert seit drei Jahren in Rottenburg am Neckar Forstwirtschaft und bereitet gerade ihre Bachelorarbeit vor. Darin will sie untersuchen, wie die Bäumchen auf dieser Versuchsfläche die ersten beiden Jahre überstanden haben.

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Versuch mit Wartburgblick: Auf einer Fichtenschadfläche wurden im März 2021 insgesamt 20.000 junge Eichen elf verschiedener Herkünfte und Arten angepflanzt. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Aktuelles Forschungsthema

Warum sie dieses Thema gewählt hat? "Die Aktualität", sagt die junge Frau. "Wir haben genug Freiflächen, die wiederbewaldet werden müssen – und die Frage, was da gepflanzt wird, wie man mit diesen Flächen umgehen kann."

Eine solche Fläche ist auch dieser Hang an der B 84, fünf Fußballfelder groß. Hitze, Sturm und Borkenkäfer hatten dafür gesorgt, dass dort fast nichts mehr stand. Das Forstamt Marksuhl fragte beim Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum in Gotha an, ob man es nicht mit verschiedenen Eichen versuchen könnte – mit wissenschaftlicher Begleitung.

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Der Plan für die Versuchsfläche, vom Regen etwas lädiert: wie auf einem Schachbrett sind die verschiedenen Parzellen angeordnet Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Auch Eichenarten aus Südeuropa

2021 wurden schachbrettartig 55 verschiedene Parzellen angelegt und mit insgesamt 20.000 jungen Eichen bepflanzt. Zum einen mit heimischer Traubeneiche – aber in sechs verschiedenen Herkünften, darunter auch wärmeerprobte vom Oberrhein und aus der Lausitz.

Das sind große Herausforderungen, aber ich habe da durchaus Lust, was zu tun.

Vianne Kublick Studentin der Forstwirtschaft

Zum anderen mit nichtheimischen Arten: Flaumeiche, Zerreiche und Ungarische Eiche aus Südeuropa sowie Roteiche und Sumpfeiche aus Nordamerika. Von jeder der fünf Arten und sechs Herkünfte jeweils fünf Felder, gleichmäßig verteilt auf den Hang, der sehr unterschiedliche Bedingungen bietet: Oben auf dem Plateau ist es sonnig und trocken, unten feuchter.

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Oben auf dem Hang sind die Roteichen deutlich kleiner, zeigt Studentin Vianne Kublick. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Viele Ausfälle am oberen Hang

Eigentlich kann man erst nach fünf Jahren gesichert sagen, wie die Bäume angewachsen sind, sagt Ingolf Profft vom Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha der Landesanstalt Thüringen Forst. Und noch viel später erst seien Aussagen über Wuchsleistung und Robustheit für die Praxis möglich.

Doch erste Trends hat Vianne Kublick schon festgestellt: am oberen Hang sind sehr viele Pflanzen vertrocknet, manche Parzellen vollständig. Sumpfeiche und ungarische Eiche schneiden weniger gut ab als die Roteiche. Die steht am unteren Hang in deutlich erkennbaren Pflanzreihen, es gibt wenig Ausfälle, die meisten Bäume wirken kräftig. Aber auch Kublick wird ihre Zahlen erst im Herbst genauer auswerten.

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Die Versuchsfläche ist gut eingezäunt, damit Wild dort keinen Schaden anrichten kann. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Arbeit mit Zollstock und Messschieber

Die Arbeit im Gelände ist mühsam, die Studentin hat Hilfe von Mitarbeitern des Gothaer Forschungs- und Kompetenzzentrums. In jeder der 55 Parzellen steht in der Mitte ein Pflock. Um den wird ein Kreis mit fünf Metern Radius gezogen und mit Farbspray markiert.

Es gibt nicht den Baum, der bei wenig Wasser, viel Sonne und wenig Boden trotzdem so wächst, als stünde er auf einem optimalen Standort.

Ingolf Profft Mitarbeiter des Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrums Gotha

Innerhalb dieser Fläche werden zwei Reihen Bäume vermessen: mit dem Zollstock die Höhe, mit dem Messschieber die Stärke der Stämmchen direkt über dem Boden. Je nach Anwuchserfolg sind es in den Parzellen jeweils bis zu 75 Bäumchen, deren Daten die Studentin in ihre Aufnahmeblätter einträgt.

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Gemessen wird der Umfang über der Wurzel ganz exakt mit einem Messschieber. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Neue Fragen durch Klimawandel

Die ältesten Versuchsflächen in Thüringen sind 130 Jahre alt. Im vergangenen Jahrhundert ging es vor allem um die Wuchsleistung – welche Bäume bringen mehr Holz? Deshalb wurden heimische Baumarten besonderer Herkünfte angepflanzt und verglichen.

Mit dem Klimawandel hat sich das Ziel der Versuche verändert, es geht um Grundsätzliches: "Die Frage ist: Wie können wir Wald an besonders schwierigen Standorten sicherstellen?", sagt Ingolf Profft. Deshalb kamen auch nichtheimische Baumarten ins Spiel. Vor etwa 15 Jahren hat Thüringen Forst damit begonnen. "Da haben wir gesagt, wir müssen jetzt auch über den Tellerrand gucken und schauen, wo wir noch Alternativen sehen."

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Im unteren Teil der Versuchsfläche sind gerade viele Roteichen gut gediehen. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Orientbuche und Libanonzeder

Inzwischen gibt es im Freistaat zehn neue Versuchsflächen mit "Exoten". In Heldrungen sind beispielsweise Orientbuchen gepflanzt worden, im Revier Luisenthal im Landkreis Gotha verschiedene Tannen, neben der heimischen Weißtanne auch die Griechische und die Spanische Tanne. Auch die Libanonzeder wird in Thüringen getestet.

Die erste Bilanz der Versuche sei allerdings "ernüchternd", sagt Ingolf Profft: Die besten Resultate zeigten momentan die heimischen Eichenarten wie die Traubeneiche. Bei den "Exoten" sorgten bisher Spätfroste für die höchsten Ausfälle. Wenn nach dem Austreiben der Blätter die Temperaturen noch einmal ins Minus rutschen, "steckt das die heimische Eiche robust weg".

Auf einer Forst-Versuchsfläche bei Eisenach wachsen verschiedene Eichenarten.
Mit Hilfe von Mitarbeitern des Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrums Gotha hat die Studentin vier Tage lang Stichproben auf dem Areal untersucht. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Kein Wunderbaum

Gesucht wird vor allem nach einer Lösung für Extremstandorte. Das sind solche wie ganz oben am Eisenacher Versuchshang: ein trockenes Felsplateau, stark der Sonne ausgesetzt, Regen fließt schnell weg. In einigen Parzellen sind die jungen Bäume fast vollständig verschwunden. Selbst die Roteiche, die weiter unten so stark und vital wirkte, verzeichnet hier 70 Prozent Ausfall, sagt Vianne Kublick. "Und die Bäume sind nur halb so groß."

Eine Versuchsfläche mit verschiedenen Eichenarten bei Eisenach
Ein Überblicksbild der Eichenversuchsfläche, aufgenommen im Sommer 2021 nach der Anlage der Fläche im Frühjahr. Bildrechte: Thüringenforst

Für Ingolf Profft ist klar: "Das zeigt uns, dass es keinen Wunderbaum gibt", sagt er. "Es gibt nicht den Baum, der bei wenig Wasser, viel Sonne und wenig Boden trotzdem so wächst, als stünde er auf einem optimalen Standort." Es wird nur mit großer Mühe gelingen, Wald auf diesen schwierigen Standorten zu erhalten. Entmutigt so etwas die angehende Forstwirtin? Vianne Kublick überlegt nur kurz. "Das sind große Herausforderungen, aber ich habe da durchaus Lust, was zu tun."

MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 29. Juli 2023 | 18:00 Uhr

1 Kommentar

Britta.Weber vor 39 Wochen

Das ist ein echter Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel. Diese jungen Leute tun etwas Wichtiges- sie sind Helden!
Im starken Kontrast zu den Klimaklebern, fälschlicherweise "Klimaaktivisten" genannt, die von den Medien gehypt werden.

Mehr aus der Region Eisenach - Gotha - Bad Salzungen

Mehr aus Thüringen

Menschen in roten Jacken laufen Musik machend durch die Straße. 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 04.05.2024 | 21:04 Uhr

Rund 1.000 Frauen, Männer und Kinder beteiligten sich an einem zwei Kilometer langen histirshcen Festumzug in Gotha. In der Stadt wird das jährlich stattfindende Gothjardusfest gefeiert.

Sa 04.05.2024 20:09Uhr 00:23 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/west-thueringen/gotha/video-gothardusfest-festumzug100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Auf einer Outdoor-Bühne führen zwei Personen etwas auf. 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 04.05.2024 | 21:01 Uhr

Zu einem Frühlingsfest trafen sich Krimtataren aus ganz Europa in Weimar.

Sa 04.05.2024 20:09Uhr 00:23 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/weimar/video-krimtataren-weimar100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Zwei Polizisten führen mit einem Hund einer Menschenmenge etwas vor. 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 04.05.2024 | 20:57 Uhr

Mit einer Blaulichtmeile feierte das Technische Hilfswerk Nordhausen sein 30. Jubiläum.

Sa 04.05.2024 20:13Uhr 00:47 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/nord-thueringen/nordhausen/video-thw-nordhausen-jubilaeum100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video