Menschen in Moskau laufen an einem McDonald's Restaurant vorbei
McDonald's-Restaurants stehen in Russland leer - in den Fenstern dieser Moskauer Filiale spiegeln sich die pittoresken Kreml-Türme. Bildrechte: IMAGO/ITAR-TASS

Ukraine-Krieg McDonald’s-Nachfolger öffnet in Russland – neuer Name, alte Burger?

10. Juni 2022, 05:00 Uhr

Knapp drei Monate war McDonald’s in Russland geschlossen. Am Sonntag sollen 15 Filialen in Moskau und Umgebung wieder öffnen, in den kommenden zwei Monaten sollen nach und nach alle übrigen folgen – allerdings unter einem anderen Namen. Der US-Fastfoodriese hatte sein Russland-Geschäft an einen sibirischen Unternehmer verkauft. Welche Gerichte erwarten nun die russischen Kunden? Schmecken sie genauso wie früher? Bleibt der legendäre Big Mac? Es gibt derzeit mehr Fragen als Antworten.

Die Bedeutung von McDonald’s in Russland sollte nicht unterschätzt werden. Seit seinem Markteintritt im Jahr 1990 hat das Unternehmen mehr als 12,5 Milliarden US-Dollar im Land investiert. Laut einer Studie der Wirtschaftshochschule Moskau (HSE) war McDonald’s bislang der größte Steuerzahler in seiner Branche in Russland. Die Schnellrestaurantkette beschäftigte russlandweit etwa 62.000 Menschen.

Das Russland-Geschäft von McDonald's

Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte McDonald's 850 Fastfoodrestaurants in Russland. Die meisten davon betrieb die Kette in Eigenregie, 132 wurden von Franchisenehmern betrieben, also eigenständigen Unternehmern, die aber unter der Marke des Konzerns arbeiteten und dessen Knowhow und Infrastruktur nutzten. Insgesamt waren rund 62.000 Mitarbeiter bei McDonald's in Russland beschäftigt.

Im März hatte McDonald’s vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine seine Restaurants vorübergehend geschlossen. Gehälter und Mieten wurden jedoch weiter gezahlt. Erst zwei Monate später entschied sich der Konzern mit Hauptsitz in Chicago für einen endgültigen Rückzug. Es sei das erste Mal überhaupt, dass McDonald’s einen großen internationalen Markt verlasse, sagte Konzernchef Chris Kempczinski. Für den Rückzug wird McDonald's nach eigenen Angaben Sonderkosten in Höhe von bis zu 1,4 Milliarden Dollar abschreiben müssen.

Sibirischer Geschäftsmann übernimmt McDonald's in Russland

McDonald's Logo abgebaut vor einem Restaurant
Die Logos von McDonald's werden in Russland verhüllt oder wie hier abmontiert. Bildrechte: IMAGO/ITAR-TASS

Ende Mai wurde bekannt, dass McDonald’s sein komplettes Russlandgeschäft an den Geschäftsmann Alexander Gowor verkauft. Der Preis ist nicht bekannt. Gowor ist bereits seit 2015 Franchisenehmer von McDonald's und betreibt 25 Filialen in Sibirien. Interessanterweise konnten in den vergangenen sieben Jahren die 25 McDonald’s-Läden in Sibirien die Gewinnschwelle nicht überschreiten. Der Unternehmer erklärt dies mit hohen Logistik-Kosten. "Verstehen Sie, wie teuer es ist, ein Brötchen aus Moskau hierher zu liefern?", sagte Gowor dem Wirtschaftsmagazin "Forbes Russia". Nun wird er alle 850 McDonald’s-Restaurants in Russland übernehmen. Die Markenrechte werden ihm aber nicht übertragen. Der berühmte goldene M-Buchstabe muss deshalb aus Russland verschwinden. Gowor wird den Läden einen neuen Namen geben.

Rätselraten um die Speisekarte

Glaubt man russischen Medien, so soll die Speisekarte weitgehend unverändert bleiben. Nur die Namen einiger Gerichte, die beispielsweise das Wort "Mac" enthalten, müssten aus rechtlichen Gründen geändert werden. Möglicherweise wird der Big Mac komplett aus dem Angebot genommen, weil der legendäre Burger zu stark mit der Marke verbunden sei.

Dabei kommt der extrem hohe Grad der Lokalisierung der US-Fastfoodkette in Russland dem neuen Besitzer sehr gelegen: Laut seinem ehemaligen Russlandchef Marc Carena kauft McDonald’s in Russland 99 Prozent der Zutaten lokal ein, was im weltweiten Vergleich einen absoluten Rekordwert darstelle. Auch Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin machte auf diesen Faktor aufmerksam: "Es hat sich herausgestellt, dass bis zu 98 Prozent aller Produkte (von McDonald’s – Anm. d. Red.) russische Produkte sind. Das sind unsere Hühner, unser Fleisch, unser Brot, unsere Tomaten und Gurken. Man muss das Ganze nur richtig verpacken und verkaufen", sagte er.

Neuer Name, alte Burger?

Reicht es aber, einfach die Namen der Gerichte zu ändern? Wenn der McDonald’s-Nachfolger in Russland seinen Kunden Produkte anbietet, die nach den Rezepten des US-Konzerns zubereitet wurden, stellt dies nicht einen Verstoß gegen das Markenrecht dar? Nein, sagt Alexej Fedorjaka, Abteilungsleiter in der Anwaltskanzlei Rödl & Partner und Patentanwalt der Russischen Föderation. "Ein Rezept kann nicht als Warenzeichen registriert werden. Als Patent auch kaum, weil es sich bloß um ein Rezept für ein Gericht handelt." Es sei aber nicht bekannt, was genau McDonald’s mit dem russischen Unternehmer vereinbart habe. Man könne hier nur spekulieren.

Seniorin isst 1990 einen Hamburger von McDonald's in Moskau
Eine Seniorin lässt es sich bei der McDonald's-Eröffnung 1990 schmecken. Seitdem haben sich sie Russen an den Geschmack der US-Burger gewöhnt. Bildrechte: picture alliance / AP Images | Rudi Blaha

Um ein Rezept zu patentieren, müssten bestimmte Anforderungen erfüllt werden, so der Jurist weiter. So müsste es sich um etwas ganz Neues handeln, was es zuvor nicht gegeben habe. In der Regel würden Rezepte aber nicht patentiert. Zudem seien Patente höchstens 25 Jahre gültig. "Ich gehe also davon aus, dass die Gerichte nach denselben Rezepten zubereitet werden wie früher." Bei den Rezepten handle es sich nicht um supergeheime Informationen, so Fedorjaka. "McDonald’s kann natürlich versuchen, die Rezepte von seinen Soßen geheim zu halten. Aber das, was jedem Verbraucher ersichtlich ist, die Zutaten, die jeder sieht – all das kann problemlos nachgebildet werden, ohne dass es sich dabei um irgendeinen Verstoß handelt."

Michail Gontscharow, Gründer der russischen Fastfood-Kette "Teremok", geht davon aus, dass die Gerichte geringfügig geändert werden. "Zum Beispiel kann man statt drei Gramm Zucker zwei Gramm nehmen – den Geschmack wird das nicht beeinflussen." Durch diese Änderungen würden mögliche Vorwürfe des Markeninhabers McDonald’s vermieden. "Ein Burger ist ein Brötchen, Soße und Bratling, den kann man nicht patentieren, ebenso wenig wie das Spiegelei", sagte er dem Portal news.ru.

Bleiben die niedrigen McDonald's-Preise?

Die Speisekarte wird allerdings nicht die einzige Herausforderung für Gowor sein. Das Geschäftsmodell von McDonald’s basiert auf dem Prinzip "schnell und billig". Können Russen in Zukunft ihre Lieblingsburger oder Nuggets zu den günstigen Preisen kaufen, die sie gewohnt sind? McDonald’s konnte in Russland bislang auf die Investitionen der US-Muttergesellschaft zurückgreifen, sagte Sergey Mironov, Ombudsmann für Gaststättengewerbe in Moskau, der Zeitung "Vedomosti". "Nun könnte der neue Besitzer Kredite brauchen, und diese sind teuer." Sollte das russische MacDonald’s in eine höheres Preissegment wechseln, riskiert es den Verlust von 30 Prozent seiner Kunden. Als Weltmarke konnte McDonald’s zudem günstige Mietpreise in den russischen Einkaufszentren genießen. Ob das nach dem Rebranding auch so bleibt, sei fraglich.

Und was sagen die Russen dazu?

Schlange vor einer McDonald's Filiale
Als das erste McDonald's-Restaurant in Russland am 31. Januar 1990 öffnete, standen die Menschen Schlange. Das Ereignis stand symbolisch für den Übergang vom Sozialismus zur Marktwirtschaft. Bildrechte: IMAGO

Wie reagieren die Russen auf die baldige Wiedereröffnung? "Zuerst einmal verstehe ich nicht, ob es sich hier um eine Rochade von McDonald’s handelt und ob sie weiter in Russland ihre Produkte verkaufen, nur unter einem anderen Namen?", fragt sich der 30-jährige Maxim. Die Schließung der US-Fastfoodkette habe ihn ziemlich stark getroffen, gibt der 30-Jährige zu. "Es ist schon ein schlechtes Zeichen, dass McDonald’s – eine der größten Schnellrestaurantketten der Welt, wenn nicht die größte – einen lukrativen Markt aus Prinzip verlassen kann. Das war schon heftig." Er sei aber gespannt zu sehen, was man in Russland "auf den Trümmern von McDonald’s" aufbauen werde.

Der 39-jährige Alexej freut sich nicht auf die Wiedereröffnung: "Mir ist es eher unangenehm, dass Marken und Ketten das Land verlassen. Der Versuch, diese westlichen Marken zu ersetzen, ist wahrscheinlich eine Art Trost für Menschen, die nicht ganz verstehen, worum es hier geht und warum einige Unternehmen Russland den Rücken kehren. Das ist der Aspekt, der mich mehr interessiert als all die Soßen und Big Macs." Im Unterschied zu ihm fiebert die 29-jährige Regina der Wiedereröffnung entgegen. Am 12. Juni wolle sie hinlaufen und "alles auf der Speisekarte probieren". Sie habe schon genug gelitten auf der Suche nach McDonald's-Ersatzprodukten bei KFC und Burger King.

Kommen die Kunden zurück?

Der Rückzug von McDonald’s sorgt bei manchen Russen für Unmut, wie etwa beim 34-jährigen Innokenty. "Wenn ihr gehen wollt, dann geht einfach", sagt er. In seiner Empörung ist er nicht allein. In der jüngsten Umfrage des russischen Portals "Superjob" gab jeder Fünfte an, nach dem Rebranding die Schnellrestaurants nicht mehr besuchen zu wollen. Deren Position lautet ebenfalls "es gibt kein Zurück". "Wenn ihr bestimmte Ideale habt und wenn ihr glaubt, dass wir die Aggressoren sind, dann lasst euch hier nicht mehr blicken. Wir brauchen euch nicht", so Innokenty weiter. Ohne das minderwertige fettreiche amerikanische Junkfood werde Russland überleben. Zugleich gibt Innokenty zu, dass auch die Russen in den vergangenen 30 Jahren süchtig nach amerikanischem Fast Food geworden seien. Dass die neue McDonald's-Version den Russen gefällt, bezweifelt er aber: Das Marketing spiele eine wichtige Rolle und die Russen hätten sich schon an ein bestimmtes Format gewöhnt.

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