Mücke
Stechmücken können gefährliche Krankheiten übertragen, wie das West-Nil-Virus. Mit solchen Erregern beschäftigt sich aktuell ein Kongress in Leipzig. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Interview Infektionen: Was kommt nach Corona auf uns zu?

16. Juni 2023, 15:35 Uhr

Fast 70 Prozent aller Infektionskrankheiten gehen von Erregern aus, die dem Tierreich entstammen. Der Fachbegriff heißt Zoonose. Dazu gehören beispielsweise Masern, Aids, Ebola und SARS. Wie groß ist die Gefahr, dass nach Corona neue Viren und Bakterien auf uns zukommen? Das war das Thema des 16. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin in Leipzig (14. bis 17. Juni 2023). Prof. Christoph Lübbert ist einer der führenden Infektionsmediziner Mitteldeutschlands und beantwortet dazu Fragen.

Was sind derzeit die dringendsten Themen der Infektionsmedizin?

Prof. Christoph Lübbert: Also, "Pandemie" können auch wir Infektiologen derzeit nicht mehr hören. Aber natürlich fragen wir uns, welche Viren könnten als nächstes kommen? Corona-Viren, Influenza-Viren, sehr gefährliche Viren aus afrikanischen Regenwäldern? Aber wichtig ist eben: Wie sind wir besser vorbereitet? Vielleicht kann man verhindern, dass es passiert? Das sind natürlich Themen, die uns bewegen.

Zoonosen nehmen zu. Weiß man, warum das so ist?

Dr. Christoph Lübbert, Gastroenterologe an der Uniklinik Leipzig
"Bei einer gefährlichen Erkrankung ist es immer klug, Immunität durch Impfung aufzubauen", sagt der Infektiologe Christoph Lübbert. Bildrechte: Uniklinik Leipzig

Prof. Christoph Lübbert: Ich glaube, wir decken die Infektionswege besser auf. Wir wissen, dass etwa 70 Prozent der Infektionskrankheiten vom Tier auf den Menschen übergesprungen sind. Zum Beispiel wissen wir heute, dass Masern irgendwann von Rindern auf den Menschen übertragen worden sind. Wir wissen, dass HIV von Primaten, von Schimpansen und Gorillas auf den Menschen übergesprungen ist. Und natürlich tragen auch die Klimaveränderungen dazu bei, dass Zoonosen und Infektionskrankheiten an sich häufiger werden.

Wie entsteht eine Zoonose? Mit den Tieren kommen Krankheitserreger aller Art auf uns zu. Normalerweise sind sie auf ihre jeweiligen Wirte spezialisiert. Zufällige Veränderungen im Erbgut können bewirken, dass ein Virus plötzlich auf eine andere Art überspringen kann, auch auf den Menschen. Eine Zoonose entsteht. Gegen den fremden Erreger hat der neue Wirt (Mensch) kaum Abwehrmechanismen. Das Virus kann sich zunächst ungehindert vermehren, bis der Wirt schrittweise Immunität aufbaut. Und manchmal gelingt es dem Erreger, sich durch Mutationen so zu verändern, dass er der Immunabwehr entkommt und neue Wirte noch einfacher infizieren kann.

Wie schützen wir uns in Zukunft vor solchen Infektionen?

Prof. Christoph Lübbert: Das Entscheidende und das Beste ist Immunität. Bei einer gefährlichen Erkrankung ist es immer klug, Immunität durch Impfung aufzubauen. Das ist ein Schlüssel für die Zukunft, gegen die Krankheiten und Erreger, die noch kommen, den Impfstoff schon parat zu haben, ihn zuzulassen und dann auch die Menschen davon zu überzeugen, diese Impfung anzunehmen.  

Was können wir noch tun, um uns zu schützen?

Prof. Christoph Lübbert: Beispielsweise FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) gehört auch in den Bereich der Zoonosen. Zeckenschutz und Mückenschutz werden immer wichtiger und das kann man natürlich sofort umsetzen durch Kleidung, durch Abwehrsprays und durch angepasstes Verhalten. Auch dabei wieder wichtig: Den Impfschutz verbessern!

Infos zum Experten Prof. Christoph Lübbert ist Leiter des Bereichs Infektiologie und Tropenmedizin Universitätsklinikum Leipzig und am Klinikum St. Georg in Leipzig.

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MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 15. Juni 2023 | 21:00 Uhr

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